Steigende Spritpreise: Tempolimit und autofreie Sonntage in München?
München - Um Deutschlands Ölverbrauch zu senken - und damit auch die Importabhängigkeit von russischen Öl - haben die Umweltorganisation Greenpeace sowie mehrere Grünen-Politiker ein temporäres Tempolimit und autofreie Sonntage ins Spiel gebracht.
Weniger Ölverbrauch: Greenpeace veröffentlicht Maßnahmenpaket
"Jede Tankfüllung, jede Heizöllieferung spült Geld in Putins Kriegskasse", sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. "Diese unerträglichen Finanzhilfen für Putins Angriff auf die Ukraine ließen sich schon morgen deutlich reduzieren."
Etwa durch ein Tempolimit, das laut Greenpeace auf die Dauer des Konflikts beschränkt sein könnte. Der Plan: Auf Autobahnen 100 km/h, auf Landstraße 80 km/h und in Städten überall 30 km/h. Greenpeace schlägt außerdem vor, dass Bürger auf jede vierte Freizeit-Autofahrt über 20 Kilometer verzichten sollten und dass zwei Mal im Monat ein autofreier Sonntag verhängt wird. Zudem schlagen sie eine Homeoffice-Fortführung vor.
Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar hatte eine Temporeduzierung auf Straßen zuletzt als "logische Antwort" auf die steigenden Spritpreise bezeichnet. "Wer langsamer mit dem Auto fährt, verbraucht auch weniger Sprit", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion der Deutschen Presse-Agentur. "Deshalb macht eine Temporeduzierung auf allen Straßen innerorts wie außerorts Sinn." Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek hatte sich zuletzt für ein zeitlich begrenztes Tempolimit sowie autofreie Sonntage in den Kommunen ausgesprochen.
Wie wird das Thema des temporären Tempolimits und der autofreien Sonntage in München aufgenommen? Die AZ hat bei den Stadtratsfraktionen nachfragt.
Grüne: Autofreie Sonntage wären "ein starkes Zeichen"

Den Grünen zufolge wäre ein Tempolimit einfach umzusetzen, zudem wären viele Bürgerinnen und Bürger angesichts des schrecklichen Kriegs in der Ukraine motiviert, wie Verkehrs-Experte Paul Bickelbacher erklärt. Die autofreien Sonntage seien Bickelbacher zufolge schwieriger umzusetzen, "aber auch ein starkes Zeichen". Ein oder zwei autofreie Sonntage pro Monat seien hier für ihn denkbar. "Eine möglichst freiwillige Umsetzung, die von allen Kommunen propagiert werden sollte, wäre am schnellsten realisierbar."
Die Grünen München schlagen noch weitere Maßnahmen vor, etwa kostenfreien ÖPNV am Wochenende. "Um einen schnellen Umstieg von privaten Kraftfahrzeugen auf den ÖPNV und das Rad für alle zu ermöglichen, bitten wir um die Prüfung inwiefern der ÖPNV in München an den Wochenenden und/oder an einzelnen Tagen kostengünstiger oder am besten kostenfrei gestaltet werden kann", heißt es in einer Mitteilung von Donnerstag. Zudem sollen weitere Pop-up-Radwege installiert werden, um Pendlerinnen und Pendler aus den äußeren Bezirken sicher in die Stadt zu bringen.
Deutliche Kritik gab es kurz darauf von Anne Hübner, der Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Stadtrat. "Als Gegenmaßnahmen gegen Putin fallen Grüne München nur die unbezahlbare Gießkanne (ÖPNV kostenfrei für alle) und mehr Pop-up-Radwege ein. Lebensnäher und wichtiger wäre, den Wohnungsbau zu forcieren, um die Geflüchteten auch dauerhaft gut unterzubringen", twitterte sie am Donnerstagvormittag.
SPD: Wichtiger wären mittel- und langfristige Maßnahmen

Dennoch: Der Koalitionspartner im Rathaus ist ebenfalls der Meinung, dass ein temporäres Tempolimit und autofreie Sonntage dabei helfen könnten, den Energieverbrauch zu reduzieren – zumindest kurzfristig. Gleichzeitig stellt Andreas Schuster, stellvertretender verkehrspolitischer Sprecher, aber auch klar, worauf es in Zukunft wirklich ankomme. "Mittel- bis langfristig hilft nur der Ausbau des Umweltverbundes, der Erneuerbaren Energien und eine quartiersbezogene Stadtplanung, welche den Menschen ermöglicht, möglichst viele ihrer täglichen Bedürfnisse, wie Arbeit, Freizeit, Einkauf, Kultur und ärztliche Versorgung im Nahumfeld befriedigen zu können."
ÖDP mit Antrag: "Autofrei bis Krieg vorbei!"

Die ÖDP im Stadtrat würde ein Tempolimit befürworten, wie es auf AZ-Anfrage heißt. "Als Münchner Stadtratsfraktion können wir hier aber wenig bewirken. Wir sind als Stadtrat nur für die städtischen Straßen verantwortlich. Hier sind über 80 Prozent schon Tempo-30-Zonen. Auf den übrigen Straßen gibt es meist auch schon Tempolimits. Wo nicht, steht man die meiste Zeit im Stau", sagte Tobias Ruff. Anfang März setzte sich die Fraktion mit einem Antrag ("Autofrei bis Krieg vorbei!") zudem für autofreie Sonntage ein. "Der Oberbürgermeister appelliert an die Münchner Bevölkerung aus Solidarität mit der Bevölkerung in Münchens Partnerstadt Kiew sonntags kein Auto zu benutzen, um unseren Münchner Ölverbrauch und damit für die einmarschierende Militärmacht die Einnahmen aus dem Ölverkauf zu reduzieren", heißt es darin.
CSU: Tempolimit und autofreie Sonntage sind nicht die richtigen Mittel

Der CSU-FW-Fraktion zufolge seien die stark angestiegenen Spritpreise "ein echter Grund zur Sorge", wie Fraktionschef Manuel Pretzl erklärt. Der 46-Jährige ist gleichzeitig der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion – für eine schnellstmögliche finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger seien Tempolimit sowie autofreie Sonntage ihm zufolge aber nicht die richtigen Mittel. "Vielmehr muss die Mehrwertsteuer für Kraftstoffe sofort befristet abgesenkt, die Energiesteuer vorübergehend um ein Drittel reduziert und eine Steuerbefreiung für die Beimischung von Biokraftstoffen eingeführt werden."
FDP/Bayernpartei: Maßnahmen wie diese werden nie mehr zurückgenommen

Noch deutlicher äußert sich die Fraktion der FDP/Bayernpartei zum Thema, die entschieden gegen Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit sowie Fahrverbote ist. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier scheibchenweise Maßnahmen eingeführt werden sollen unter dem vorgeschobenen Argument des Ukraine-Kriegs. Einmal eingeführt, werden solche Einschränkungen in der Regel nie mehr zurückgenommen", heißt es in einem Statement.
Übrigens: Bisher drosseln die Autofahrer in Deutschland trotz des Preissprungs bei den Spritkosten nicht das Tempo. Auf Autobahnen ist bisher kein Rückgang der Geschwindigkeiten festzustellen, wie Auswertungen der Verkehrsdatenanbieter Inrix und TomTom ergaben.
AZ-Umfrage zum Thema
