Nordrhein-Westfalen hat gewählt - und schlimmer hätte es für die SPD und Kanzlerkandidat Martin Schulz nicht kommen können: Die "kleine Bundestagswahl" endet für die Sozialdemokraten in einer krachenden Niederlage. Reicht es im Stammland der Sozialdemokraten sogar für Schwarz-Gelb?
Düsseldorf - Debakel für die SPD, Triumph für die CDU: Vier Monate vor der Bundestagswahl hat die Union auch die dritte und wichtigste Landtagswahl des Jahres in Nordrhein-Westfalen deutlich gewonnen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gestand am Sonntagabend eine "krachende Niederlage" in seiner Heimat ein. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) trat unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Prognosen von all ihren politischen Ämtern zurück.
Nach den Hochrechnungen war am Abend neben einer großen Koalition unter Führung des CDU-Wahlsiegers Armin Laschet auch eine schwarz-gelbe Landesregierung denkbar - mit höchst knapper Mehrheit.
Die ZDF-Hochrechnung von 22:46 Uhr
CDU: 33,3 % (+7)
SPD: 31,0 % (-8,1)
FDP: 12,5% (+3,9)
AfD: 7,4 % (+7,4)
Grüne: 6,2 % (-5,1)
Linke: 4,8 % (+2,3)
Piraten: 0,9 % (-6,9)
Sonstige: 3,9 % (-0,5)
Demnach Sitze im Düsseldorfer Landtag (bei fünf Parteien)
CDU: 67
SPD: 62
FDP: 24 bis 25
AfD: 15
Grüne: 11
Die absolute Mehrheit liegt - ohne Überhangmandate - bei 91 Sitzen.
CDU-Wahlsieger Laschet kündigte am Abend an, er wolle mit allen "demokratischen Parteien" sprechen. "Politik ist kein Wunschkonzert, natürlich sind wir bei vielen Themen nahe bei der FDP." FDP-Landes- und Bundeschef Christian Lindner erklärte angesichts des besten Landesergebnisses seit über 50 Jahren, die Liberalen peilten Koalitionsverhandlungen mit der CDU an: "Wir stehen für Gespräche zur Verfügung." Nun sei auch mit einem Comeback der FDP im Bund zu rechnen. Er selbst will in diesem Fall nach Berlin wechseln.
Horst Seehofer: "Die Schulz-Festspiele sind vorbei"
Für Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel bedeutet der Wahlsieg der CDU starken Rückenwind. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, die "Schulz-Festspiele" seien vorbei. Er mahnte die Union, trotzdem auf dem Teppich zu bleiben. Stimmungen könnten sich "fast torpedoartig ändern", warnte der bayerische Ministerpräsident. "Deshalb ist das noch längst keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl."
Die NRW-Wahl galt als wichtigster Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September, da jeder fünfte Wähler bundesweit in dem Land zu Hause ist. Noch vor wenigen Wochen hatte die SPD in Umfragen deutlich vorn gelegen. Die Grünen mussten im Superwahl 2017 zum dritten Mal in Folge Verluste hinnehmen. Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem deprimierenden Ergebnis: "Das ist ein Schlag in die Magengrube." Spitzenkandidat Cem Özdemir kündigte an, im Bund wolle man den Kurs der Eigenständigkeit ohne Koalitionsaussage auf jeden Fall fortsetzen.
Die AfD ist nun in 13 von 16 Landtagen vertreten. Parteivize Alexander Gauland räumte ein, dass die internen Konflikte vor dem Bundesparteitag im April geschadet haben könnten. Da diese Konflikte nun "hinter uns liegen, kann es ja nur besser werden", fügte er hinzu. Der Landesvorsitzende Marcus Pretzell kündigte an: "Wir werden ehrliche klare Opposition machen, den Finger in die Wunde legen, so wie die das noch gar nicht kennen." Die Linkspartei warf den Sozialdemokraten einen zu extremen Abgrenzungskurs vor. Die SPD bekomme keine Glaubwürdigkeit, "wenn sie meint, mit der FDP soziale Gerechtigkeit machen zu können", sagte Parteichef Bernd Riexinger.
Kraft hatte einer rot-rot-grünen Koalition noch kurz vor der Wahl eine klare Absage erteilt. Sowohl SPD als auch CDU haben im Wahlkampf eine große Koalition nicht ausgeschlossen. Als Knackpunkte gelten die Themen Innere Sicherheit und Bildungspolitik. Die Sozialdemokraten regierten mit einer Ausnahme seit gut 50 Jahren in NRW. Von 2005 bis 2010 gab es eine schwarz-gelbe Regierung unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte die SPD unter Hannelore Kraft mit 39,1 Prozent und 99 Sitzen noch deutlich vor der CDU (26,3 Prozent, 67 Sitze) gelegen. Als drittstärkste Kraft kamen die Grünen auf 11,3 Prozent (29 Sitze). Außerdem waren die FDP mit 8,6 Prozent (22 Sitze) und die Piraten (7,8 Prozent / 20 Sitze) vertreten. Die Linke verpasste 2012 mit 2,5 Prozent den Einzug in den Landtag.
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