Die Krise in der Ost-Ukraine: Alle wichtigen Fragen

 Was bezweckt Russland, könnte ein Referendum etwas bringen, wie geht's der Wirtschaft? Alle wichtigen Fragen zur Krise.
Annette Zoch |
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Eine pro-russische Demonstrantin macht vor einem Verwaltungsgebäude in Lugansk das Victory-Zeichen.
AFP Eine pro-russische Demonstrantin macht vor einem Verwaltungsgebäude in Lugansk das Victory-Zeichen.

Droht der Zerfall der Ukraine? Nachdem prorussische Demonstranten eine autonome Region im Osten ausgerufen haben, bleibt die Lage angespannt. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.

Donezk - Die Ukraine kommt nicht zur Ruhe. Nach der Krim konzentriert sich die Krise jetzt auf den russischsprachigen Ost-Teil des Landes, und hier vor allem auf die nördliche Region Charkiw und das im Osten angrenzende Donez-Becken (den Donbas). Am Wochenende hatten prorussische Kräfte dort viele Verwaltungsgebäude besetzt.

In Slawjansk bei Donezk gab es sogar Tote beim Versuch, das Polizeihauptquartier von Besetzern räumen zu lassen. Ein Ultimatum der ukrainischen Sicherheitskräfte ist am Montagmorgen ohne Ergebnis verstrichen – aber auch der angekündigte „Anti-Terror-Einsatz“ der ukrainischen Übergangsregierung kam zunächst nicht. Es herrschte gespannte Ruhe.

„Wir bleiben auf unserem Posten“, sagte Aktivisten-Sprecher Alexej Tschmulenko in Lugansk der Agentur Interfax. „Wir haben genug Munition, Wasser und Nahrung.“ Wie es in der Ukraine weitergehen könnte, erklärt die AZ.

Wer sind die Angreifer?

Wie schon auf der Krim sorgen sie für viele Spekulationen. Auffällig ist, dass viele von ihnen sehr gut ausgerüstet scheinen, einheitliche Uniformen und Kalaschnikows tragen. US-Außenminister John Kerry hält sie für Russen, ähnlich äußerte sich die Bundesregierung. „Vieles deutet darauf hin, dass die aktiven bewaffneten Gruppen Unterstützung aus Russland erhalten“, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz.

Denkbar ist auch, dass es sich um Ex-Mitglieder der aufgelösten ukrainischen Polizei-Spezialeinheit Berkut handelt. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble warf Russland vor, die Eskalation zu schüren – durch Truppenbewegungen an der Grenze und Drohgebärden mit dem Gaspreis.

Was bezweckt Russland?

Der Donbas ist das wichtigste Industriegebiet der Ukraine, mit großen Steinkohle-Vorkommen und viel Schwerindustrie. Befürchtet wird, dass sich Russland durch die Aktion den Einfluss auf diese Region sichern will – unter dem Deckmantel des „Schutzes der russischen Bevölkerung“, wie schon auf der Krim.

Lesen Sie hier: Das sagt ein Münchner Forscher zur Krise in der Ost-Ukraine

Anders als auf der Krim sind nach aktuellen Umfragen aber nur 33 Prozent der Menschen im Donbas und im Oblast Charkiw für einen Anschluss an Russland.

Wie reagiert der Westen?

Wie zuletzt auch auf der Krim: mit der Androhung von schärferen Sanktionen. Darauf konnten sich die EU-Außenminister gestern zunächst nicht einigen – aber dafür auf eine große Finanzspritze für die Ukraine. Die EU gewährt dem fast bankrotten Land einen Hilfskredit in Höhe von einer Milliarde Euro, außerdem sollen für ukrainische Firmen faktisch alle Exportzölle wegfallen.

Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden von der deutschen Wirtschaft vehement abgelehnt, weil man mit Nachteilen für die hiesige Wirtschaft rechnet. Auch Merkel ist dagegen.

Gibt’s irgendeinen Ausweg?

Vielleicht: Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat sich offen gezeigt für ein landesweites Referendum zur Umwandlung des Landes in eine Föderation. Er sei „nicht gegen“ eine solche Volksbefragung, die parallel zur Präsidentschaftswahl am 25. Mai stattfinden könnte, sagte Turtschinow.

Er sei zuversichtlich, dass sich eine Mehrheit für eine „unteilbare, unabhängige, demokratische und geeinte Ukraine“ aussprechen würden. Fragt sich, wie genau ein möglicher Föderalstaat ausgestaltet werden könnte. Auch wenn die Menschen in der Ost-Ukraine nicht unbedingt nach Russland wollen, sind sie des Zentralismus’ aus Kiew dennoch überdrüssig.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Russland sich einen von Kiew unabhängigeren Osten zum Vasallen macht. Separatisten in der Stadt Slawjansk reagierten skeptisch auf die Ankündigung: „Turtschinow will nur Zeit gewinnen. Wir glauben ihm nicht und werden über die Region selbstständig entscheiden“, sagte Aktivisten-Sprecher Nikolai Szolnew.

Hat die Krise Auswirkungen auf die russische Wirtschaft?

Putins Muskelspiele sorgen für große Unsicherheit an den Märkten: Am Montag sind die Kurse russischer Staatsanleihen auf den tiefsten Stand seit einem Monat gefallen. Auch der Rubel und der ukrainische Griwna gerieten stark unter Druck. Europäische Aktienmärkte reagierten ebenfalls, der Dax weitete seine Verluste bis Montagnachmittag aus und notierte 1,05 Prozent tiefer.

Auch der Euro hat am Montag nachgegeben und notierte bei 1,3855 Dollar – die Anleger investieren lieber in vermeintlich sichere Häfen wie in Dollar oder Yen. Auch der Goldpreis schoss deshalb in die Höhe. Die Feinunze (rund 31,1 Gramm) kostete am Montag 1329,57 US-Dollar, so viel wie seit drei Wochen nicht mehr.

Die ebenfalls als sehr sicher eingeschätzten deutschen Staatsanleihen profitierten ebenso. Die Sorge vor Engpässen bei der Energieversorgung in Osteuropa schürt außerdem den Ölpreis: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Montagmorgen 107,91 Euro, 58 Cent mehr als am Freitag.

 

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