Ukraine-Experte: Parallelen zur Krim

Ein Münchner Ukraine-Forscher kann die "Putin-Versteher" nicht verstehen - und auch nicht den Kotau der deutschen Wirtschaft
Annette Zoch |
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Bewaffnete Männer vor einem Verwaltungsgebäude in der Stadt Slawjansk nahe Donezk.
dpa Bewaffnete Männer vor einem Verwaltungsgebäude in der Stadt Slawjansk nahe Donezk.

Im Osten der Ukraine halten prorussische Kräfte seit Tagen Verwaltungsgebäude besetzt. Der Übergangspräsident zeigt sich offen für ein Referendum zu mehr Föderalismus. Das sagt Ukraine-Experte Peter Hilkes von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität zur Krise.

AZ: Herr Hilkes, ist die Lage in der Ostukraine vergleichbar mit der auf der Krim?

PETER HILKES: Es gibt Parallelen: zum Beispiel beim russischen Einfluss. Wir beobachten gut ausgerüstete Milizen ohne Abzeichen mit Kalaschnikows, die den Eindruck machen, als gehörten sie zu organisierten Kampfverbänden. Das sind Profis. Es ist davon auszugehen, dass das russische Kräfte sind.

Ein Unterschied zur Krim ist, dass wir nicht identifizieren können, wie das Meinungsbild in der Bevölkerung ist: Es gibt in der Gegend zwar Menschen, die sich vorstellen können, Bürger Russlands zu werden. Aber wir wissen nicht, ob sie die Mehrheit stellen. Wenn ein paar tausend Menschen demonstrieren, heißt das ja nicht, dass die anderen fünf Millionen genauso denken.

Langfristig gesehen: Geht ein Weg an einer Teilung des Landes vorbei? Oder ist das Referendum für mehr Föderalismus der Ausweg?

Schwer zu sagen. Klar ist: Die Regierung in Kiew hat auch Fehler gemacht. Jazenjuk hätte sich bei seinem Besuch in der Ostukraine mit allen Interessengruppen treffen können. Die Regierung hätte mehr Präsenz in Donezk und Charkiw zeigen können. Die Leute in der Ukraine haben es satt, dass sie wie früher aus dem fernen Kiew Ansagen bekommen.

Der einflussreiche Oligarch Rinat Achmetow, der mit den prorussischen Kräften in Donezk verhandelt hat, hat sich gegen die Abspaltung der Ukraine ausgesprochen – aber eben auch für mehr Föderalismus und eigene Interessenvertretung. Insofern kann das für die Einheit des Landes durchaus eine Chance sein.

Immer mehr deutsche Ex-Politiker wie Helmut Schmidt, Egon Bahr oder Gerhard Schröder haben zuletzt Verständnis für Putin geäußert.

Diese Politiker sind meiner Ansicht nach ganz weit weg von der Ukraine. Zu den Putin-Verstehern zählen sich ja vorwiegend Menschen, die noch nie in der Ukraine waren. Noch vor sechs Wochen haben auf dem Maidan die Menschen für ihre Unabhängigkeit gekämpft. Das haben die Putin-Versteher scheinbar alle vergessen. Generell halte ich es für besser, mit den Ukrainern über die Ukraine zu sprechen, und nicht nur von außen über die Ukraine zu reden.

Was ist mit den Neonazis in der Übergangsregierung?

Natürlich haben wir es da mit rechten Kräften zu tun. Aber es wäre absurd, davon zu sprechen, dass wir es mit einer Regierung von Rechtsextremisten zu tun haben. Ein Teil der Menschen denkt und handelt so, aber die große Masse, die wie in Deutschland oft die schweigende ist, denkt ganz anders.

Die Russland-Versteher, die dieses Argument ja auch immer vorbringen, sitzen da häufig russischer Propaganda auf. Wladimir Putin ist durch die KGB-Schule gegangen, der weiß, wie man es macht. Den Kotau, den jetzt auch Teile der deutschen Wirtschaft vor Putin machen, halte ich nicht für klug. Manchmal muss man zu seinen Prinzipien stehen.

 

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