"Die Dinger haben nichts im Wald verloren": Scharfe Kritik an Aiwangers Windrad-Werben

Hubert Aiwanger versucht, die Wogen in Sachen Windpark zu glätten. Die AZ hat sich angesehen, ob es ihm tatsächlich gelingt.
Heidi Geyer |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
12  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) spricht am geplanten Standort einer Windkraftanlage.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) spricht am geplanten Standort einer Windkraftanlage. © dpa

Mehring/Marktl - Solche Termine sind eigentlich eine "gmah'de Wiesn" für Hubert Aiwanger. Bürgernähe, das ist etwas, in dem er aufgeht. Aber heute hat der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) keine Wiese vor sich, sondern den Wald.

In eben jenem Forst im Landkreis Altötting, in dem eigentlich ein Windpark mit 40 Windrädern auf dem Gebiet der Bayerischen Staatsforsten geplant ist. Nur dass die Bürger sich kürzlich in einem Bürgerentscheid gegen das Projekt ausgesprochen haben, das vor allem für die energieintensive Industrie im Landkreis einen Teil des Stroms liefern soll.

Fast ein Tag vor Ort: Hubert Aiwanger besucht Forst im Landkreis Altötting

Aiwanger musste sich schon in der BR-Sendung "Jetzt red i" den Fragen stellen. Es ist ein echtes Dilemma für den Mann, der einerseits die Wirtschaft Bayerns zukunftsfähig machen soll und sich andererseits gern als "einer von uns" präsentiert. Ein Versprechen aus der BR-Sendung war, sich persönlich die Lage vor Ort anzuschauen. Fast einen ganzen Tag nimmt er sich Zeit.

Aiwanger hat Sorge, dass man Wacker Chemie damit vergraulen könnte. "Es ist ja schon so, dass der Grünstrom vor Ort nötig wäre", sagt Aiwanger der AZ. Es sei noch viel Substanz da, aber: "Folge- und Neuinvestitionen hängen schon davon ab, wie investorenfreundlich hier die Energiepolitik läuft." Es drohe, dass Neuinvestitionen in den USA oder sonstwo getätigt werden. "Das ist einfach die Lage." Nicht alle, die an diesem Tag in die Herderstraße gekommen sind, sind Windkraftgegner. "Der Strom muss ja irgendwo herkommen", sagt Maria Grünleitner. Auch wenn es mal nicht so schön aussehe.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Geplanter Windpark in Bayern: Ist Wasserkraft die Lösung?

Im Wald müsse eh so viel umgeschnitten werden wegen des Schneebruchs im vergangenen Dezember. "Der Aiwanger hätte früher kommen müssen", findet ihr Mann Ludwig. Der Investor, die Firma Qair, hätte viel informiert. Nur eben erreicht man damit manche nicht mehr. Beim Ortstermin am Standort eines möglichen Windrads wird Aiwanger mit solchen Thesen konfrontiert. Eine Frau will wissen, warum man nicht mehr in die Wasserkraft investiere. Aiwanger erklärt durchaus geduldig, dass hierzu eben schon die meisten Potenziale erschöpft seien und es auch ökologische Einschränkungen gebe.

Hat er sie überzeugt? "Nein, es gibt Wasserkraftwerke, die jetzt schon existieren und gegen die der Bund Naturschutz auch war", sagt die Frau der AZ. Hier sei es gelungen, sie so gut zu renaturieren, dass inzwischen Biotope entstanden seien. Das stimmt nur bedingt. Zumal nicht wenige Kilometer von Mehring entfernt an der Salzach ein bitterer Kampf um ein Wasserkraftwerk geführt wird.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Hubert Aiwanger referiert über Windräder im Wald: Viele Zweifler in Marktl

Immer wieder zweifeln Menschen überhaupt den Sinn von Windkraft im Landkreis Altötting an – obwohl es dazu Daten gibt und obwohl ein Investor wohl nicht aus Spaß bereit ist, zu bauen. Auch am Nachmittag, als Aiwanger sich den Bürgern von Marktl stellt, wo ebenfalls ein Windkraftstandort entstehen soll. Über 100 Menschen sind in den Gemeindesaal gekommen, und das an einem Werktag. Aiwanger versucht es so: Wenn ein Windrad auf dem freien Feld stehe und man nah dran sei, empfinde man es als bedrängend – "dann sog i, oh is des a Trumm Oschi". Anders sei es, wenn das Windrad im Wald stehe. Dann wirke es nicht so bedrohlich, weil Bäume in der Sichtachse seien.

Der Mann, dem die Bauern vertrauen, der die Menschen in Bierzelten in selige Euphorie versetzt – am Montag ist von diesem Hubert Aiwanger nichts zu sehen. Seine Gags zünden nicht, viele Fragen reicht er an Qair weiter. Kraftlos wirkt der Freie-Wähler-Chef schon seit längerem. Ob es die Querschüsse von der CSU sind, sein Misstrauen in die Medien oder das tatsächliche Dilemma solcher Auftritte wie im Landkreis Altötting. Den Applaus bekommen heute andere. "Die Scheiß-Dinger haben nichts im Wald verloren", sagt einer, und der Saal tobt.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Geradeaus-Denker am 26.02.2024 22:09 Uhr / Bewertung:

    Ich finde es interessant, wie auf einmal die ganze CSU bemerkt, wie erfolglos das bayerische Wirtschaftsministerium seit seinem Minister Aiwanger arbeitet. Menschen, die hinsehen wussten es schon vor der Landtagswahl. Der CSU war aber wohl verboten etwas zusagen. Jetzt trauen sie sich nach vorne. Wohl auch weil Herr Aiwanger ihnen die Wähler:innen abspänstig macht.
    Wer eine gegen - alles Politik macht hat irgendwann das Problem, dass er auch sinnvolles ablehnt. Und es könnte sein, dass die Bürger:innen das wie im Fall der Windkraftanlagen im Chemiedreieck irgendwann bemerken. Spätestens, wenn Investitionen woanders hingehen. Da werden dann FW und CSU zu spät dran sein. Weil dagegen eben keinen Strom liefert.
    Wie komme ich jetzt von "gegen alles" nach "grüner als grün" in der Energiepolitik?
    Bayern will doch immer vorne sein. Das wünsch ich mir auch! Nur nicht durch umdefinieren. Lieber durch richtige Politik!

  • FRUSTI13 am 26.02.2024 22:49 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Geradeaus-Denker

    Und was genau wollten Sie jetzt mitteilen?

  • Knitterface am 26.02.2024 20:59 Uhr / Bewertung:

    Bayrische Energiewende nach dem Motto: ich geh beim Nachbarn aufs Klo, dann bleibt daheim die Luft sauber.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.