Dicke Luft in den Flüchtlingsheimen: Was tun?

Berlin - Nicht selten sind es tausend Menschen oder mehr, die auf zu wenigen Quadratmetern eingeengt zusammenleben. Feldbett reiht sich an Feldbett. Die Flüchtlinge sind sich fremd, sprechen verschiedene Sprachen, haben unterschiedliche Religionen und kommen aus verschiedenen Kulturen. Oftmals reichen alltägliche Situationen aus, die die Lage in den Notunterkünften eskalieren lassen. Etwa, weil sich zwei Asylbewerber darum streiten, wer zuerst die Dusche benutzen darf. Die Politik diskutiert Lösungen – und die Polizei greift in einem speziellen Fall hart durch.
Dieser Fall ereignete sich vor knapp sechs Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung im thüringischen Suhl. Rund 1800 Flüchtlinge beherbergte das Heim damals. Ein 25-jähriger Afghane hatte mehrere Seiten aus einem Koran gerissen und demonstrativ in eine Toilette geworfen (AZ berichtete). Andere Heimbewohner fühlten sich provoziert, attackierten den jungen Mann. Der Angegriffene konnte sich in das Büro des Wachdienstes retten. Draußen eskalierte die Lage, das Gebäude wurde von knapp 100 Gewalttätern belagert.
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Jetzt hat die Polizei landesweit 15 Verdächtige festgenommen, wie ein Sprecher am Dienstag mitteilte. Den Männern wird unter anderem versuchter Totschlag, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch vorgeworfen.
Meist reichen schon Banalitäten aus, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Bei dem Vorfall in Kassel-Calden (AZ berichtete) war eine Rangelei an der Essenausgabe der Auslöser für eine Massenschlägerei unter 370 Flüchtlingen. Ein 18-jähriger Albaner hatte sich beim Mittagessen vorgedrängelt, was einem 80 Jahre alten Pakistaner nicht gefiel. Die beiden gerieten aneinander, der jüngere Mann schlug zu.
Nachdem sich die Lage zu beruhigen schien, eskalierte sie erst richtig. Vermutlich aus Rache bewaffneten sich 70 Pakistaner mit Aluminiumstangen, die sie offenbar aus ihren Feldbetten zogen, und gingen damit wahllos auf Albaner los, die sich noch im Raum der Essensausgabe befanden.
Aufgrund von Vorfällen wie diesem hat der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, vorgeschlagen, Flüchtlinge künftig nach Religionen zu trennen. Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält diesen Schritt ebenfalls für erforderlich: „Es ist traurig, dass eine Unterbringung der Flüchtlinge getrennt nach Herkunftsregion offensichtlich nötig ist.“
In der CDU gehen die Meinungen der Politiker in dieser Frage auseinander. Während der CDU-Landesvorsitzende in Thüringen, Mike Mohring, den Vorschlag tendenziell begrüßt, spricht sich Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht deutlich gegen eine Trennung nach Ethnien aus. Die Forderung der Gewerkschaft sei ein „völlig falsches Signal“ an die Gesellschaft, erklärt er. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält eine Trennung derzeit ohnehin für nicht machbar: „Das ist praktisch in der jetzigen Lage unmöglich.“ Dafür müssten die Kommunen zurzeit zu viele Menschen unterbringen.
In der SPD hingegen herrscht weitgehend Einigkeit. SPD-Vize Ralf Stegner betont: „Eine pauschale religiöse oder ethnische Trennung kann nicht die Lösung sein.“ Sein Parteikollege, der Bundestagsabgeordnete Achim Post, ergänzt: „Das Hauptproblem ist nicht die Ethnie, sondern die Zustände und die beengten Wohnmöglichkeiten.“
Der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor schlägt statt einer Trennung vor, Streitschlichter in den Unterkünften einzusetzen.