Der Mann fürs Grobe

Immobilien-Milliardär Donald Trump mischt den Vorwahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft kräftig auf.
von  Hans Götzl
Schon durch seine Gestik wirkt Donald Trump provozierend.
Schon durch seine Gestik wirkt Donald Trump provozierend. © dpa

München - Im Vorwahlkampf um die US-Präsidentschaft ist er der Shootingstar: der Republikaner Donald Trump. In seiner Gestik und Wortwahl verkörpert er den Uramerikaner unter den zahlreichen Kandidaten. Die Auftritte des extrovertierten Immobilien-Tycoons sind rabaukenhaft, seine Reden populistisch und seine Argumente sind so haarsträubend wie seine kuriose Frisur: So will er eine ganz große Mauer zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko errichten, damit den illegalen Einwanderern, die ohnedies nur Verbrecher und Vergewaltiger seien, der Zutritt ins gelobte Land verwehrt werde. Dass er damit den Ruf seiner Partei bei den Latino-Wählern, von denen 73 Prozent bei der letzten Präsidentschaftswahl 2012 ohnehin schon für die Demokraten gestimmt haben, zusätzlich beschädigt, stört ihn nicht.

Sein Ego ist noch größer als die Wolkenkratzer, die er nach sich selbst benannte. Trump: „Ich brauche niemanden und lasse mir auch von niemanden etwas sagen. Ich werde der beste Präsident sein, den Gott je geschaffen hat. Ich werde Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen. Ich habe für alles eine Lösung. Lasst das meine Sorge sein, wenn es so weit ist.“

Auch benötige er keine Wahlkampfspender, denn er sei wirklich sehr sehr reich. Dass er bereits viermal Konkurs anmelden musste, darüber schweigt der ansonsten so redselige Kandidat. Nicht einmal Leute seiner Partei sind vor Trumps Attacken sicher Trump verkauft sich zwar gerne als Selfmademan. Tatsächlich aber erbte der Enkel des deutschen Auswanderers Fritz Drump aus dem pfälzischen Weindorf Kallstadt von seinem Vater ein Immobilienimperium, das schon damals mehrere hundert Millionen Dollar wert war. Mit rabiaten Methoden und großspurigem Auftreten baute Trump diese Hinterlassenschaft weiter aus.

Eiskalt berechnend verlief auch die politische Karriere dieses im Grunde vollkommen unpolitischen Mannes. Bevor er 2009 zu den Republikanern wechselte, war er nämlich als Demokrat registriert, pflegt heute noch freundschaftliche Beziehungen zu Ex-Präsident Bill Clinton und spendete vor drei Jahren sogar Geld für dessen Frau Hillary im Vorwahlkampf gegen Obama. Seinen erbosten republikanischen Wählern erklärte er in seltener Offenheit, dass er dies nicht aus innerer politischer Überzeugung gemacht habe, sondern dass er sich von diesen Spenden schlicht und einfach geschäftliche Vorteile erwartet habe.

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Damit nicht genug, sparte der polternde Milliardär in zahlreichen Talkshows nicht mit frauenfeindlichen Äußerungen und bezichtigte öffentlich seinen republikanischen Mitstreiter John McCain, einen Kriegshelden von Vietnam, ein Feigling zu sein. Seinen parteiinternen Kontrahenten Jeb Bush wiederum, der zu Hause mit seiner mexikanischen Frau Spanisch spricht, forderte er öffentlich auf, doch endlich Englisch zu sprechen. Diese Attacken gegen die eigenen Leute konnte selbst die Parteiführung der Republikaner nicht mehr länger dulden. Man war sich rasch einig, diese Clownfigur nicht mehr ernst zu nehmen. Man hoffte, wenn man ihn nur lange genug ignoriere oder ihn als unwürdigen Krawallmacher in die Skandalecke abschiebe, werde dieser groteske Spuk ohnehin bald vorbei sein.

Dieses Kalkül ist bisher allerdings noch nicht aufgegangen. Im Gegenteil, während laut Umfragen jeder dritte Amerikaner Trump trotz seiner Tief- und Rundumschläge sympathisch findet, kommt die gefühlte Arroganz der republikanischen Parteielite bei vielen Wählern eher schlecht an. „In der amerikanischen Gesellschaft haben sich nämlich soziale Milieus herausgebildet, die derlei Rabaukenrhetorik prämieren; die sie als ein erlösendes Widerwort zu der normalen Politik in Washington, deren Institutionen, Praktiken und Sprache goutieren. Und die für den politischen Kompromiss, der zum Wesenskern demokratisch verfasster Gemeinwesen gehört, nur Verachtung übrighaben.

Die Leute, die so denken, sind voller Zorn über diesen Politikbetrieb – und voller Misstrauen und Sorge, weil die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse sich so sehr und so schnell verändern“, so Klaus-Dieter Frankenberger in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Das latente Misstrauen der Amerikaner gegen Washington hat aber auch historische Gründe. Sie reichen bis zum Jahr 1776 zurück, als sie sich im Unabhängigkeitskrieg gewaltsam vom englischen König befreiten, der ihnen durch rigorose Steuerauflagen schier die Luft zum Atmen nahm. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte ist Washington zu einer Art England-Ersatz mutiert.

Im Kongress legen sich die Parteien seit Jahren gegenseitig lahm Das Problem erklärt der amerikanische Autor Eric T. Jansen: „Erlässt die föderale Regierung in Washington ein Gesetz, gilt dies für alle Bundesstaaten gleichermaßen. Das hat zur Folge, dass sich immer irgendjemand von ihnen zu etwas gezwungen fühlt und dagegen aufbegehrt. Und deshalb mögen wir es, ein unerschrockenes Greenhorn dorthin zu schicken, das endlich mit dem ganzen verdorbenen Pack aufräumt. Deshalb sehnen wir uns nach einem Kandidaten, der zwischen Hirn und Mund keinen Filter hat, der geradeheraus spricht und die Dinge beim Namen nennt. Und Trump ist dieser Narr, der die Nacktheit des Königs offen anspricht.“

Der Quereinsteiger in der amerikanischen Politik, dessen Umfragewerte ständig steigen, fühlt sich jedoch in dieser Rolle pudelwohl. Geschickt schürt er die reichlich vorhandenen Ressentiments gegen die politische Klasse und lenkt das trübe Wasser der zunehmenden Politikverdrossenheit auf seine Mühlen. Er verspricht, die Gralshüter der Macht aus ihren Tempeln zu vertreiben und den kleinen Mann endlich zu seinem Recht kommen zu lassen. Als Erstes will er nach China verloren gegangene Arbeitsplätze zurückholen und eine Sondersteuer für Finanzakrobaten einführen.

Beflügelt wird seine Kampagne gegen die „da oben“ durch den verbissenen Kampf der beiden Parteien, die das komplexe Räderwerk der Gesetzgebung schon seit Jahren lahmlegen und nur noch unwirksame Konfrontation statt hilfreiche Problemlösungen produzieren. In beiden Lagern geben meist die Populisten den Ton an, und die TV-Sender lassen vielfach nur noch die Scharfmacher mit ihren verbalen Rüpeleien zu Wort kommen.

Prominentes Opfer dieses Stillstands ist der scheidende US-Präsident Barack Obama. Viele seiner Reformvorhaben blieben in den Katakomben des Kongresses liegen, dem der demokratische Senator Evan Bayh bereits den „Hirntod“ bescheinigte. Kein Wunder, dass diese Untätigkeit das Volk erzürnt. Laut einer Umfrage bekunden mittlerweile bereits 92 von 100 Wählern, dass ihr Abgeordneter seine Wiederwahl in den Kongress nicht mehr verdiene.

In der anstehenden Phase des heißen Wahlkampfs wird dieser Stillstand auf alle Fälle eine Rolle spielen. Dafür sorgen schon Außenseiter wie Donald Trump. Während sich Republikaner und Demokraten auf die wahlentscheidende Mitte konzentrieren, kann sich der Mann fürs Grobe am Rande ungestört austoben und zum Vergnügen vieler Amerikaner dem politischen Establishment kräftig die Leviten lesen.

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