Das ändert sich bei der Pflege
In diesen Tagen bekommen rund 2,8 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland Post von ihrer Pflegekasse. Darin erfahren sie, was sich zum 1. Januar 2017 mit der Pflegereform für sie ändert und wie sie sich während der Übergangsphase verhalten sollen.
Oberstes Gebot: nicht nervös werden. Denn die Betroffenen, die 2016 schon pflegebedürftig sind, werden durch die Umstellung bessergestellt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Muss sich der Pflegebedürftige bei der Pflegekasse melden? Nein. Die Pflegekasse meldet sich bei ihm. Er muss also keinen neuen Antrag stellen und sich auch nicht erneut begutachten lassen. Die Überleitung in die neuen Pflegegrade geht automatisch. Der Bescheid enthält die neuen Leistungen.
Das verbessert sich für Pflegebedürftige
Sind die Leistungen geringer als vorher? Nein. Es gilt Bestandsschutz. Im Gegenteil: Pflegebedürftige werden besser eingestuft. Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächst höheren Pflegegrad. Pflegebedürftige mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, etwa wegen Demenzerkrankung, werden zwei Pflegegrade höher eingestuft.
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Was bedeutet das? Ein Pflegebedürftiger mit körperlichen Einschränkungen, der jetzt die PflegeSTUFE 1 hat, kommt automatisch in den PflegeGRAD 2. Ein Pflegebedürftiger, der in der PflegeSTUFE 1 ist und zudem in seinen Alltagskompetenzen eingeschränkt ist, bekommt automatisch den PflegeGRAD 3 und so weiter. Für die höchste PflegeSTUFE 3 gibt es dann den PflegeGRAD 4 und mit eingeschränkten Alltagskompetenzen den höchsten PflegeGRAD 5.
Wer bekommt den Pflegegrad 1? Den gibt es damit praktisch nur für Pflegebedürftige, die ihren Antrag im neuen Jahr stellen.
Sollte man den Antrag noch 2016 oder erst 2017 stellen? Begutachtung und Leistungen richten sich nach dem Tag der Antragstellung. Das heißt: Wer jetzt noch pflegebedürftig wird, sollte auch jetzt einen Antrag stellen und wird dann in die neuen Pflegegrade übergeleitet. Alle anderen sollten den Antrag nach dem 1. Januar 2017 stellen.
Was gilt für Pflegebedürftige in Heimen? Für die Pflegegrade 2 bis 5 sind die pflegebedingten Eigenanteile gleich hoch und erhöhen sich nicht mehr durch steigende Pflegebedürftigkeit. Für übergeleitete Leistungsempfänger, deren Eigenanteil im Januar höher ist als bisher, zahlt die Kasse die Differenz.
Gibt es Verbesserungen für pflegende Angehörige? Ja. Der Gesetzgeber will, dass der Pflegebedürftige möglichst lange in seinem persönlichen Umfeld bleiben kann. Daher stärkt er privates Engagement für die schwere Pflegearbeit. Pflegende Angehörige sollen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert werden. So sollen aus der Pflegeversicherung für deutlich mehr pflegende Angehörige Rentenbeiträge entrichtet werden.
Dafür müssen aber folgende Voraussetzungen erfüllt sein: „Der Pflegebedürftige hat mindestens den Pflegegrad zwei, und die Pflegeperson wendet wenigstens zehn Stunden in der Woche für Pflege auf“, erklärt Catharina Hansen von der Verbraucherzentrale Die zehn Stunden müssen außerdem auf mindestens zwei Tage verteilt sein, und die Pflegeperson arbeitet nicht mehr als 30 Stunden in der Woche. Zudem werden Hilfen – etwa für Urlaub oder bei Krankheit – verbessert.
Psychische Leiden rücken in den Fokus
Was sollen die Änderungen bezwecken? Künftig sollen nicht mehr nur Personen mit körperlicher Einschränkung voll in den Leistungskatalog einbezogen werden, sondern auch 1,6 Millionen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und schwindender geistiger Kraft – wie Demenzerkrankte. Entsprechend ändern sich die Begutachtungsverfahren: Es wird nicht mehr nach Minuten abgerechnet, sondern nach dem Grad der Selbstständigkeit.
Wie wird Selbstständigkeit beurteilt? Die neue Begutachtung geht über den Hilfsbedarf bei Körperpflege, Mobilität und Ernährung hinaus. Und die zusätzlich bewerteten Bereiche sind insbesondere für Demenzerkrankte, aber auch für andere Pflegebedürftige wichtig. Können sie sich zeitlich gut orientieren, können sie sich erinnern? Sind sie aggressiv gegenüber Pflegenden? Können sie ihre Medikamente selbst einnehmen? Kann der Pflegebedürftige seinen Alltag selber organisieren, hat er einen Tag-Nacht-Rhythmus?
Wie wird alles finanziert? Die Mehrleistungen von insgesamt gut sechs Milliarden Euro werden über Erhöhungen des Pflegeversicherungsbeitrags von zusammen 0,5 Prozentpunkten finanziert. Anfang 2017 steigt der Beitragssatz um 0,2 auf 2,55 Prozent vom Brutto.
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