Darum droht ISIS gerade jetzt mit Terror-Anschlägen
Paris, London, Washington - die neue Terror-Botschaft des IS richtet sich an den Westen. Wahrzeichen dieser Städte sollen gesprengt, das Leben der Bewohner "schwarz und dunkel" gemacht werden. Warum wird die Propaganda-Keule gerade jetzt ausgepackt?
Bagdad - Wenn es um die Medienarbeit geht, überlässt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nichts dem Zufall. Nicht nur die Produktion von Filmen und Audiobotschaften haben die sunnitischen Dschihadisten in einem erschreckenden Maße professionalisiert - auch den jeweiligen Zeitpunkt der Veröffentlichung wählen sie gezielt aus. Dass sich IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani ausgerechnet jetzt zu Wort gemeldet hat, passt in dieses Schema. Mit martialischen Worten droht er dem Westen mit Anschlägen - trotzdem ist die rund 28-minütige Rede eher ein Zeichen der Schwäche als der Stärke.
Nicht einmal zwei Wochen ist es her, dass die irakische Armee und schiitische Milizen eine Großoffensive gegen die Extremisten begonnen haben. Mit vereinten Kräften wollen sie Tikrit zurückerobern, die Heimatstadt des früheren Langzeitdiktators Saddam Hussein und Hochburg sunnitischer Gegner der von Schiiten dominierten Regierung. Seit Juni herrscht dort der IS, doch jetzt sieht es so aus, als stünde die Rückeroberung der Stadt kurz bevor. Für die Extremisten wäre es die bislang schwerste Niederlage im Irak.
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Überhaupt musste die Terrormiliz in den vergangenen Wochen empfindliche Rückschläge einstecken. Nach einem monatelangen Kampf konnten die Kurden im Norden Syriens Ende Januar die Stadt Kobane aus den Händen des IS befreien. Auch im benachbarten Nordirak verloren die Dschihadisten einige Gebiete. Kurdischen Einheiten gelang es mit Hilfe von Luftschlägen der USA und ihrer Verbündeten zudem, eine wichtige IS-Versorgungsroute zwischen Syrien und der IS-Hochburg Mossul im Nordirak zu unterbinden.
Al-Adnanis Rede soll vor diesem Hintergrund dazu dienen, den IS-Anhängern einzubläuen, dass die Dschihadisten "noch immer siegreich" sind und stärker werden, wie der IS-Sprecher verkündet. Von einer Niederlage der Terrormiliz in Tikrit will er nichts wissen. "Die Siege, über die die Kreuzfahrer und die Ablehner des richtigen Glaubens (gemeint sind damit die Schiiten) reden, ... sind nur fiktive und gefälschte Erfolge", tönt Al-Adnani in aggressivem Ton.
Das IS-Führungsmitglied, von den USA als Terrorist eingestuft, ist das wichtigste Sprachrohr der Dschihadisten. Al-Adnani, Ende 30, meldet sich vor allem dann zu Wort, wenn es besonders wichtig ist. Vor knapp einem Jahr ließ er die Welt per Audiobotschaft wissen, dass sich der IS vom Terrornetzwerk Al-Kaida losgesagt hat. Nach dem Blitzvormarsch im Irak einige Monate später rief er auf demselben Weg ein "Islamisches Kalifat" im Irak und in Syrien aus.
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Al-Adnanis neue Audiobotschaft gibt auch Hinweise auf mögliche weitere Pläne der IS-Führung. So akzeptiert der IS-Sprecher den Treueschwur der Extremistengruppe Boko Haram, die in Nordnigeria große Gebiete terrorisiert. Al-Adnani spricht zudem über die Milizen in Libyen und auf Ägyptens Sinai-Halbinsel, die dem IS Gefolgschaft geschworen haben. Und er droht mit eine Expansion auf die arabische Halbinsel, bis nach Pakistan und auch in den Westen, "nachdem wir Euer Leben schwarz und dunkel gemacht haben und wir das Weiße Haus, Big Ben und den Eiffelturm in die Luft gesprengt haben".
Die Botschaft dahinter ist klar: Wenn der IS im Irak Boden verliert, muss er in anderen Regionen aktiver werden und "Erfolge" vorweisen - schließlich machen vor allem Siegesmeldungen die Gruppe bei radikalen Muslimen und potenziellen Unterstützern attraktiv. Schon länger warnen Experten davor, insbesondere Libyen könnte sich in ein neues Zentrum der Extremisten verwandeln. Auch wenn der IS Tikrit verlieren sollte, zeichnet sich ein Ende der Terrorgruppe noch lange nicht ab.
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