Interview

CSU-Minister Eric Beißwenger wird deutlich: "Wenn der Wolf hier Fuß fasst, bekommen wir ein Problem"

Bayerns Europaminister Eric Beißwenger spricht mit der AZ über den Abschuss des Wolfes, den Rechtsruck in der EU und wie viel Zeit er noch für seinen Bauernhof hat.
Markus Lohmüller, Niclas Vaccalluzzo |
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Bayerns Europaminister Eric Beißwenger (CSU) setzt sich für eine Abschaffung der Zeitumstellung ein.
Bayerns Europaminister Eric Beißwenger (CSU) setzt sich für eine Abschaffung der Zeitumstellung ein. © Matthias Balk/dpa

München - Eric Beißwenger ist Bayerns Stimme nach außen: Seit dem 8. November 2023 ist der 51-jährige Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales im Kabinett Söder III. Seit 2013 sitzt der Oberallgäuer für die CSU im Landtag. Im AZ-Interview spricht er über Wölfe, Migration und Hubert Aiwanger.

AZ: Herr Beißwenger, CSU-Chef Markus Söder will mit einer "kantigeren und griffigeren" Europapolitik in den bevorstehenden Europawahlkampf ziehen. Wie wollen Sie dieser Stellenbeschreibung als Europaminister gerecht werden?
ERIC BEIßWENGER: Mein Ziel ist es, kraftvoll bayerische Interessen zu vertreten – in Brüssel, aber auch in der Zusammenarbeit Bayerns mit anderen Ländern in Europa und der Welt. In der Europapolitik müssen wir versuchen, eine ausufernde EU-Bürokratie einzubremsen und wieder stärker das Subsidiaritätsprinzip durchzusetzen. Was in Deutschland oder in unserem Fall in Bayern entschieden werden kann, soll auch hier entschieden werden.

Europaminister Eric Beißwenger: "Wenn der Wolf im alpinen Raum Fuß fasst, bekommen wir ein Problem"

Können Sie uns ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht ausufernde EU-Bürokratie geben?
Die EU macht vieles mit guten Vorsätzen. Aber gut gemeint ist noch nicht gut gemacht. Nehmen Sie das europäische Lieferkettengesetz. Die Absicht dahinter ist absolut richtig. Wir wollen keine Kinderarbeit, keine Sklavenarbeit, aber mehr Klimaschutz. Wir befürchten aber, dass es dadurch zu Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten Bayerns kommt. Wenn sich bayerische Unternehmen aus bestimmten Ländern zurückziehen und dann Unternehmen aus Staaten die Lücke schließen, die überhaupt keinen Wert auf gerechte Löhne, Sozial- und Umweltstandards legen, haben wir weder der Welt noch Bayern noch der Wirtschaft einen Gefallen getan.

Europaminister Eric Beißwenger (M.) im AZ-Gespräch mit Markus Lohmüller (l.) und Niclas Vaccalluzzo (r.) in der Staatskanzlei.
Europaminister Eric Beißwenger (M.) im AZ-Gespräch mit Markus Lohmüller (l.) und Niclas Vaccalluzzo (r.) in der Staatskanzlei. © Daniel von Loeper

Als Landwirt dürfte Ihnen die europäische Bürokratie selbst gut vertraut sein.
Das ist richtig. Ich habe jahrelang darunter gelitten. Jetzt leidet mein Sohn darunter, der unseren Hof übernommen hat. Wenn Sie ein Beispiel aus der Landwirtschaft wollen, dann sind wir sofort bei meinem Lieblingsthema: dem Wolf.

Zu Ihren bisherigen politischen Schwerpunkten gehörten Landwirtschaft und Umweltschutz. Der Wolf begleitet Sie nun ins Amt des Europaministers.
So ist es. Wenn der Wolf im alpinen Raum flächendeckend Fuß fasst, bekommen wir ein Problem mit der Artenvielfalt. Dann lohnt es sich für viele Bergbauern finanziell nicht mehr, den Grund und Boden zu bewirtschaften. Mit ihnen verschwindet eine Vielzahl von Arten, die es nur aufgrund der Beweidung gibt. Deshalb müssen wir vernünftig agieren.

Beißwenger zum Wolf: "Wir brauchen dringend vereinfachte Entnahmen"

Das Vorhaben der Europäischen Kommission, die strengen Schutzregeln für Wölfe zu lockern, dürfte somit ganz in Ihrem Sinne sein.
Die EU bewegt sich in die richtige Richtung, wenn sie den Gefährdungsstatus herabstufen will. Leider kommt das sehr spät. Wir brauchen dringend vereinfachte Entnahmen. Ein Wolf wartet nicht, bis ein Rissgutachten erstellt wurde, sondern reißt weitere Tiere aus einer Herde.

Die Europawahl im Juni könnte vor allem für Parteien am politisch rechten Rand wie die AfD zum Erfolg werden. Was lässt sich gegen einen Rechtsruck in Europa tun?
Die Frage ist im Grunde schon beantwortet. Zum einen müssen wir uns dafür einsetzen, dass die europäische Bürokratie wieder so weit wie möglich zurückgefahren wird. Wir brauchen zum Beispiel kein europäisches Gebäudeenergiegesetz, das bis 2050 null Emissionen für alle Häuser verordnet, aber keine Anreizsysteme schafft. Zum anderen müssen wir immer wieder die immensen Vorteile der EU aufzeigen.

Asyl-Reform: "Die jahrelange Selbstblockade der EU ist beendet"

Ein Thema, das auf das Konto der rechten Parteien einzahlt, ist die Migration. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die europäische Asyl-Reform das Migrationsproblem in absehbarer Zeit tatsächlich löst?
Die Pläne lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Allein das Bauen der Asylzentren wird Jahre dauern. Da müssen wir ehrlich sein. Trotzdem bin ich froh, dass es jetzt diesen Kompromiss gibt. Er mag nicht unseren Wunschvorstellungen entsprechen. Wir hätten uns auch vorstellen können, dass Asylanträge generell an der europäischen Außengrenze gestellt werden müssen. Aber immerhin ist die jahrelange Selbstblockade der EU beendet.

Die Europäische Union hat jüngst Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beschlossen. Steht die bayerische Staatsregierung hinter diesem Beschluss?
Ich verstehe das vor allem als ein Signal der Solidarität an die Ukraine. So wie die Ukraine jetzt ist, können wir sie nicht in die Europäische Union integrieren. Ich würde hier keine kurzfristigen unrealistischen Versprechungen machen und auch keinen unumkehrbaren Prozess in Gang setzen. Das Land befindet sich im Krieg. Wir wissen noch gar nicht, ob die territoriale Einheit wiederhergestellt wird. Korruption ist nach wie vor weit verbreitet. Und auch bei der Demokratie gibt es Defizite: Präsident Selenskyj hat die Präsidentschaftswahlen ausgesetzt. Ein Beitritt würde uns im Moment hoffnungslos überfordern und – nicht zu vergessen – zum Kriegsteilnehmer machen.

Gerade erst haben sich Freie Wähler und CSU in den Koalitionsverhandlungen wieder zusammengerauft, da kommt mit der Europawahl die nächste Belastungsprobe auf das Bündnis zu. Gehört es zu Ihren Aufgaben, den Koalitionspartner europapolitisch einzuhegen?
Nein, ich sehe meine Aufgabe darin, Netzwerke in der EU zu knüpfen. Dass mein Amtsantritt in den Wahlkampf fällt, finde ich nicht negativ. Ich kenne als Landwirt und Politiker beide Seiten und kann auch mal Tacheles reden. Bei mancher Kritik im Detail stehe ich zu dieser EU.

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Fürchten Sie nicht, dass gerade Hubert Aiwanger wieder EU-kritischere Töne anschlagen wird?
Das ist eine andere Partei, nicht die CSU.

Viele konservative Wähler haben bis heute nicht überwunden, dass der CSU-Politiker Manfred Weber bei der letzten Europawahl als siegreicher Spitzenkandidat nicht Kommissionspräsident wurde. Was bedeutet diese Enttäuschung für den bevorstehenden Wahlkampf?
Darüber bin ich immer wieder überrascht. Manfred Weber ist immerhin Vorsitzender der Europäischen Volkspartei und auch Chef der größten Fraktion im EU-Parlament. Darauf können wir stolz sein.

Angetreten ist er aber für das Amt des Kommissionspräsidenten.
Ja, wir hätten uns auch sehr gefreut, wenn er das geworden wäre. Aber dafür muss man nun mal Mehrheiten finden. Wenn es die nicht gibt, funktioniert es nicht. Es ist nicht so, dass das von vornherein klar war.

Den Frust und die Enttäuschung an der Basis bekommen Sie aber mit?
Selbstverständlich. Ich bin viel unterwegs und rede mit den Menschen.

Anfang des Jahres haben Sie einmal gesagt, dass Sie am liebsten bei der Arbeit auf Ihrem Bauernhof entspannen. Bleibt Ihnen dafür als Minister noch die Zeit?
Tatsächlich gibt es diese Momente noch. Erst nach Weihnachten habe ich auf dem Bauernhof gearbeitet. Wir mussten uns nach einem Sturm um umgestürzte Fichten kümmern. Meine Frau und ich haben unseren Betrieb allerdings vor zwei Jahren an unseren ältesten Sohn übergeben, sodass er die allermeiste Arbeit macht. Ich bin quasi Austrägler.

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5 Kommentare
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  • am 05.01.2024 13:33 Uhr / Bewertung:

    Das übliche „C“ „S“ U Heißluftgebläse. Hoffentlich bläst denen ihr Angstgegner bald mal den Marsch.

  • AufmerksamerBürger am 05.01.2024 08:59 Uhr / Bewertung:

    Artenvielvalt sagt er, mit Einfalt handelt er, anstatt der Natur den Lebensraum zu geben, fällt ihm abschießen ein.
    So einen brauchen wir nicht!

  • ClimateEmergency am 05.01.2024 06:53 Uhr / Bewertung:

    "Wenn der Wolf im alpinen Raum flächendeckend Fuß fasst, bekommen wir ein Problem mit der Artenvielfalt. Dann lohnt es sich für viele Bergbauern finanziell nicht mehr, den Grund und Boden zu bewirtschaften. Mit ihnen verschwindet eine Vielzahl von Arten, die es nur aufgrund der Beweidung gibt. Deshalb müssen wir vernünftig agieren."

    Gibt es dann endlich wieder mehr unberührte Natur statt instabile von Menschen abhängige künstliche Ökosysteme?

    Freu mich drauf

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