Chemie-Dreieck in Bayern gefährdet? 1000 Arbeitsplätze fallen bei Dyneon weg

Die Firma Dyneon stellt Produkte her, die extrem wichtig sind. Doch der Mutterkonzern 3M hat entschieden, die Tochter zu schließen. Hat sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger genug engagiert und ist die Firma noch zu retten?
Heidi Geyer |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
2  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Hubert Aiwanger ist der Wirtschaftsminister in Bayern.
Hubert Aiwanger ist der Wirtschaftsminister in Bayern. © dpa

München/Burgkirchen - Das oberbayerische Chemie-Dreieck ist für Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger derzeit ein schwieriges Pflaster, zumindest scheint es so. Auf der einen Seite der Ärger mit dem Windpark Altötting, auf der anderen Seite schließt die Firma Dyneon in Burgkirchen.

Zukunftstechnologie und 1000 Arbeitsplätze

1000 Arbeitsplätze sollen dort wegfallen, weil der Mutterkonzern 3M sich aus dem Geschäftsfeld der Per- und Polyfluoralkylsubstanzen, so genannten PFAS, zurückziehen will.

PFAS sind Chemikalien, die auf breiter Front dringend notwendig sind. Zugleich hat der Landkreis Altötting schon schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht: 2018 stellte sich heraus, dass überdurchschnittlich viele Menschen in der Region die Chemikalie Perfluoroktansäure (PFOA) im Blut haben. Das Trinkwasser dort ist mit PFOA und einer weiteren Chemikalie, die ebenfalls zu den PFAS zählt, verseucht.

Katastrophe im Trinkwasser

Eine Folge: Im Landkreis Altötting können dadurch Blutspenden nicht mehr für Blutkonserven verwendet werden.

In den USA musste 3M jüngst mehrere Milliarden Euro Strafe zahlen, weil es auch zu verschmutztem Trinkwasser kam.

Die EU-Kommission will die Nutzung von PFAS stark einschränken, jedoch nicht komplett verbieten. Erst in dieser Woche sprach sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) für Ausnahmen aus bei essentiellen PFAS, die beispielsweise in der Medizin oder bei der Transformation zur Klimaneutralität dringend benötigt werden. Ein Beispiel:Die mRNA-Impfstoffe der Firma BioNTech können nur mit PFAS hergestellt werden. PFAS sind salopp gesagt so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau in der Chemieindustrie: Keiner will sie, aber jeder braucht sie.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Gefahr, Kernkompetenzen der Medizin zu verlieren

Warum, weiß Kerstin Schreyer, wirtschaftspolitische Sprecherin der CSU im Landtag. Sie hält die Schließung von Dyneon für ein fatales Signal. "Es geht um medizinische Versorgung und um die Frage: Haben wir für den Herzschrittmacher oder die Medikamente alles?" In der Corona-Krise habe man erlebt, wie wichtig die Versorgungskette sei. "Wenn das Chemie-Dreieck gefährdet wird, verlieren wir Kernkompetenzen der Medizin", warnt Schreyer im Gespräch mit der AZ.

"Die Staatskanzlei war mit Markus Söder und Florian Herrmann sehr hinterher", sagt Schreyer.

Bayerns SPD-Co-Chef Florian von Brunn war selbst mehrfach vor Ort, auch auf einer Betriebsversammlung. "Der Fall hat eine strategische Bedeutung", sagt von Brunn. Er weiß um die Gefahren von PFAS. "Dyneon hat aber inzwischen geschlossene Produktionskreisläufe und das gefährliche Abfallprodukt würde im Kreislauf bestehen und würde nicht mehr emittiert werden", sagt von  Brunn.

Bloß ein Schreiben an 3M?

Auf Antrag hat die SPD die Dyneon-Schließung auch im Wirtschaftsausschuss im Landtag nochmals am Dienstag besprochen. Der Vertreter des bayerischen Wirtschaftsministeriums habe im Ausschuss gesagt, es sei ein Brief an den Vorstand von 3M geschickt worden. Von Brunn sagt der AZ: "Das ist ein bisschen wenig. Dann zu sagen, ‚Wir sind Handelnde', und am Ende soll nur Berlin schuld sein, finde ich ein bisschen schwierig."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

3M sei nicht auf Gesprächsangebote eingegangen

Es sei auch nicht der Fall, dass die Bundesregierung PFAS komplett verbieten wolle, da seien auch Wirtschaftspolitiker der SPD hinterher gewesen, dass es Ausnahmen gebe.

In einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums von Dezember ist von Kontaktaufnahme mit 3M die Rede: "Auch Gesprächsangebote an den Vorstand des 3M-Konzern mit dem Vorschlag von Verhandlungen mit dem Freistaat konnten das Unternehmen nicht mehr umstimmen."

Auf Nachfrage, welche Aktivitäten konkret getroffen worden seien, listet ein Sprecher diverse Aktivitäten, etwa Schreiben an die EU-Kommission und das Bundesministerium für Wirtschaft, außerdem einen Besuch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Aiwanger im Chemiepark Gendorf.

"Daneben gab es Gespräche leitender Ministeriumsmitarbeiter mit Dyneon, dem StMUV und dem Chemiepark. Auch auf Fachebene gab es Gespräche mit den Beteiligten", so der Sprecher.

Hat Aiwanger genug getan? 

Dass es "nur" ein Schreiben an den 3M-Vorstand gegeben habe, wird nicht dementiert, jedoch von anderer Stelle: "Am 24. März 2023 hat auch die Staatskanzlei an 3M geschrieben."

Im Klartext: Aiwanger ist gar nicht selbst auf 3M zugegangen, sondern hat versucht, auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. In einer Pressemitteilung aus dem Dezember 2023 sagt Aiwanger: "Leider können wir die unternehmerischen Entscheidungen von 3M nicht weitergehend politisch beeinflussen." 

Bernhard Langhammer, Sprecher von ChemDelta, einer Gemeinschaftsinitiative von 18 Unternehmen im Chemiedreieck, sagt der AZ, dass die Politik insgesamt erst zu spät auf die Problematik aufmerksam geworden sei.  "Es ist jetzt ein klares politisches Statement, dass der Standort erhalten werden soll", sagt Langhammer der AZ.  Freilich spiele die Debatte in Brüssel um das Verbot eine große Rolle, aber die entschärfe sich langsam.  Das Kind sei jetzt aber schon sehr tief in den Brunnen gefallen. Zumal die andere Seite, also 3M, keine Gesprächsbereitschaft zeige.


 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
2 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Newi83 am 17.05.2024 17:43 Uhr / Bewertung:

    Für sowas hat der Aiwanger doch keine Zeit. Der muss von Bierzelt zu Bierzelt, Maibock zu Maibock, Frühlingsfest zu Frühlingsfest.

  • FRUSTI13 am 17.05.2024 16:59 Uhr / Bewertung:

    Die Standortbedingungen in D sind halt inzwischen für viele Unternehmen nicht mehr attraktiv genug! Und wenn auch noch die EU mitmischt, wirds für nationale Regierungen nicht einfacher!

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.