Börsenexperte Jens Rabe: "Alles - bloß keine GroKo!"
München - AZ-Interview mit Jens Rabe: Der 50-jährige Gründer und Geschäftsführer der Rabe Unternehmensgruppe im sächsischen Zwickau hilft gemeinsam mit seinem Team Unternehmern, Selbstständigen und Angestellten zu regelmäßigem Einkommen an der Börse.
AZ: Herr Rabe, wie beurteilen Sie die politische Situation nach der Bundestagswahl? Was erwartet die Börse nach Ausgang der Sondierungen?
JENS RABE: Politisch ist im Grunde erstmal alles gut gegangen, denn wir bekommen keine rot-rot-grüne Regierung. Damit ist die größte Gefahr für die Anleger weg. Wir sehen im Grunde genommen sogar einen recht guten Wahlausgang, weil die kommende Regierung jetzt einerseits bestimmt wird durch die FDP, die sehr wirtschaftsfreundlich ist, und durch die Grünen, die das immer wichtigere Umweltthema einbringen. Ob es dann die CDU oder die SPD ist, die den Kanzler stellt, spielt meiner Ansicht nach überhaupt keine Rolle mehr für die Börse, weil die anderen Parteien für Innovation sorgen werden.
Also alles eitel Sonnenschein aus Sicht der Anleger?
Die einzige Gefahr wäre aus meiner Sicht, wenn sie sich nicht einigen und die beiden großen Parteien SPD und CDU beschließen, eine weitere Große Koalition zu formen - das wäre sehr negativ. Eine GroKo wäre aus dem Grund schlecht, weil Deutschland aus Sicht der Börse mehr Fortschritt braucht. Wir sind wirtschaftlich gerade auch durch Corona enorm weit nach unten gerutscht. Die wirtschaftliche Stärke von Deutschland nimmt ab. Wir verlieren immer mehr den Anschluss, insbesondere im digitalen Bereich. Bei einer GroKo würde man einfach davon ausgehen, dass dieses Nichtstun, dieses Weiter-so-wie-in-den-letzten-Jahren, quasi ein Stillstand, dass diese Situation fortbestand hätte. Und deswegen ist im Grunde genommen, außer einer linken Regierung, jede neue Regierung von der Börse gewünscht, die mal etwas verändern kann.
"Wenn das ewig dauert, mag das die Börse nicht"
Zwar ist es ganz schwer abzusehen, wie lange die Sondierungsgespräche und dann die Koalitionsverhandlungen der Parteien dauern werden. Aber ab wann wird die Börse ungeduldig?
Die Börse ist bereit, eine gewisse Zeit auszuhalten, bis die neue Regierung steht. Aber wenn das jetzt ewig dauern würde, das mag die Börse natürlich nicht - solche Unsicherheiten sind nicht gut. Eine schnelle Regierungsbildung wäre tendenziell natürlich positiv. Man denke an Konzerne wie Daimler oder Volkswagen, die ihren Sitz in Deutschland haben. Für sie wäre es natürlich gut, wenn sie wissen würden, dass politisch alles einigermaßen glatt läuft.
Was sollte man als Anleger konkret tun?
Der September ist eigentlich immer der schwächste Börsenmonat, den haben wir bereits hinter uns. Die Wahl ist gut verlaufen und die Amerikaner haben ihr Schuldenproblem erst einmal gelöst, daher sollten wir in den nächsten Wochen und Monaten perspektivisch deutlich höhere Preise sehen. Es gibt natürlich immer externe Faktoren, zum Beispiel könnte jetzt der Gaspreis oder der Ölpreis explodieren, was der Wirtschaft nicht gut tun würde. Aber das zeichnet sich nicht ab: Für die meisten Privatanleger ist es das Beste, jetzt zu schauen, dass man ein bisschen Geld auf der Seite hat und dann zeitnah in fallende Kurse hinein vernünftige, international agierende Unternehmen kauft. Die sollten, egal ob es in der Politik läuft oder nicht, immer Geld verdienen.
"Die Inflation ist aktuell die große Gefahr für Anleger"
Wie sehen Sie das Thema Inflation? Was könnte da auf die Börse in den nächsten Monaten zukommen?
Die Inflation ist aktuell wohl die größte Gefahr für Anleger, die wir sehen, weil wir über den Anstieg der Energiepreise eine sehr nachhaltige Inflation sehen. Energiepreise wirken sich in allen möglichen Bereichen aus, besonders, da auf der Nordhalbkugel der Winter bevorsteht. Möglicherweise kommt es zu explodierenden Ölpreisen und explodierenden Gaspreisen. Das kann dauerhaft die Inflation in die Höhe treiben.
Sollte von staatlicher Seite eingegriffen werden, wenn die Energiepreise zu sehr steigen in nächster Zeit?
Während zuletzt immer noch die Notenbanken gesagt haben: Das ist nur eine vorübergehende Inflation, das wird sich wieder einkriegen - was aus Produktionssicht wahrscheinlich auch stimmt - ist eine Energieinflation relativ gefährlich. Und deswegen werden die Börsen ein bisschen darauf schauen, ob die Notenbanken mit einem steigenden Zins gegenhalten werden. Das ist aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich und es wäre auch nicht gut für die Börsenkurse. Generell gilt deshalb: Inflation ist immer ein Thema, das es zu beobachten gilt.
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