Befragung von Kanzlerin Merkel: Bitte recht ehrlich!
In ihrem in einem Kupferton gehaltenen Blazer verschmilzt Bundeskanzlerin Angela Merkel optisch fast mit dem honigfarbenen Zeugentisch. Es scheint, als hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich tarnen wollen für ihre Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Es ist ein ausgesprochen unangenehmer Termin für sie, bei dem es immer wieder um ihren Satz geht: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht." Gesagt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das, als bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA mithörte, wenn sie mit ihrem Handy telefonierte. "Ich habe keinerlei Anlass gehabt, dass der Satz bei uns seitens des BND nicht eingehalten wurde", erklärt sie nun. Doch später kam heraus: Auch der Bundesnachrichtendienst hat Politiker befreundeter Nationen ausgespäht.
Davon, versichert Bundeskanzlerin Angela Merkel, habe sie zu dem Zeitpunkt aber nichts gewusst.
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Der Untersuchungsausschuss, der mit der gestrigen Vernehmung Merkels sein Arbeit abschließt, interessiert sich vor allem dafür, was Bundeskanzlerin Angela Merkel wann über die Ausspäh-Aktionen gewusst hat.
Um 11.33 Uhr beginnt der Vernehmungs-Marathon, Merkel betont in einer kurzen Erklärung, sie habe erst Anfang Juni 2013 durch die Presse von den massenhaften Ausspähungen durch den US-Geheimdienst erfahren. Die Enthüllungen von Edward Snowden in der "Wiki-Leaks-Affäre" habe sie zum Anlass genommen, gegenüber dem damaligen U-Präsidenten Obama "diese Praktiken zu missbilligen". In diesem Zusammenhang habe sie mehrfach denn Satz gesagt, "dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht". Immer wieder argumentiert Bundeskanzlerin Angela Merkel, es gehe um das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit der Neufassung des BND-Gesetzes habe die Bundesregierung hier wichtige Korrekturen vorgenommen.
Auf mehrfache Nachfragen, warum es am Ende kein Abkommen mit den USA über einen Verzicht auf gegenseitiges Ausspähen gegeben habe, sagt Merkel, "dass sich beide Seiten nicht über die Kernsätze" verständigen konnten.
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Christian Ströbele (Grüne) bohrt nach, warum die Regierung sich weigere, den wichtigsten Zeugen Snowden zur Verfügung zu stellen. Merkel sagt, sie vertraue den Aussagen der Behörden, dass für Snowden kein Asylgrund vorliege.
Nach rund drei Stunden beginnen sich die Fragen zu wiederholen, Merkel wirkt zunehmend genervt. Wie eine Tennisspielerin schmettert sie Frage um Frage ab. Und weist jeden Verdacht, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben, energisch von sich.
Am Ende hat sie nur einmal überrascht: Als sie sich anfangs dem Ausschuss – wohl aus Versehen – mit ihrem Mädchennamen vorstellte: "Mein Name ist Angela Dorothea Kasner."
Chronologie: Die Abhöraffäre – ein Drama in vielen Akten
Anfang Juni 2013:
Zeitungen berichten, der US-Geheimdienst NSA habe weitreichenden Zugriff auf Kommunikationsdaten auch in Deutschland. Der Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden offenbart sich als Quelle.
23./24. Oktober:
Die NSA soll auch das Handy der Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ausspioniert haben. Merkels Reaktion darauf: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“
20. März 2014:
Der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss ein.
4. Juni:
Der damalige Generalbundesanwalt Harald Range teilt mit, er habe Ermittlungen wegen des Abhörens des Merkel-Handys eingeleitet. Sie werden bald darauf aus Mangel an Beweisen eingestellt.
23. April 2015:
Der BND soll über Jahre hinweg den USA Datenspionage bei europäischen Unternehmen und Politikern ermöglicht und damit auch gegen deutsche Interessen verstoßen haben.
8. Juli:
Die NSA hat nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks jahrelang das Kanzleramt ausgespäht. Neben Merkel sollen auch die Regierungen ihrer beiden Vorgänger betroffen sein.
16. September:
Die Opposition reicht Verfassungsklage ein: Linke und Grüne wollen, dass die Bundesregierung dem NSA-Untersuchungsausschuss die Geheimliste mit den NSA-Spionagezielen in Europa vorlegt. Die Verfassungsklage scheitert im November.
16. Dezember:
Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages bestätigen Medienberichte, dass der BND viele Ziele in EU- und Nato-Staaten unrechtmäßig ausgeforscht hat.
1. Juli 2016:
Der neue BND-Präsident Bruno Kahl nimmt seine Arbeit auf. Sein Vorgänger Gerhard Schindler war in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
21. Oktober:
Der Bundestag beschließt eine bessere Kontrolle des BND.