Beeindruckend: Analyse zum Wahlverhalten der Deutschen

Ein Wahlforscher spricht im Interview über das Wahlverhalten der Deutschen und welche Gründe dahinter stecken.  
von  Petra Kaminsky
Matthias Jung ist eines von drei Mitgliedern im Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen
Matthias Jung ist eines von drei Mitgliedern im Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen © dpa

Ein Wahlforscher spricht im Interview über das Wahlverhalten der Deutschen und welche Gründe dahinter stecken.

Berlin - Früher galt Wählengehen bei vielen als Pflicht, heute werden Menschen eher aus anderen Gründen politisch aktiv. Das sagt der Wahlforscher Matthias Jung. Ein Punkt, der Leute politisch mobilisiere, sei eigene Betroffenheit, wenn Menschen ihre Interessen direkt berührt sähen. Ein zweiter Aspekt sei, wenn eine Entscheidung knapp zu werden verspricht. Ideologische Kämpfe dagegen spielten weniger als früher eine Rolle. Der Wahlforscher im Gespräch:

Herr Jung, wie Politik-interessiert sind die Deutschen?
Matthias Jung: "Die Lage ist uneinheitlich. Wir sehen, dass ein Teil der Bürger sich stark dafür interessiert. Allerdings zeigt der größere Teil nicht so viel Interesse an Politik im engeren Sinne. Mit Blick auf Wahlen hält heute ein Großteil der Bevölkerung nur noch die Abstimmung zum Bundestag für wirklich wichtig. Kommunalwahlen dagegen und Landtags- oder Europawahlen haben in den Augen vieler Menschen über die Zeit an Bedeutung verloren. Das spiegelt sich in der Wahlbeteiligung, die ist bei Bundestagswahlen in der Regel höher."

Gerade die Wahlbeteiligung – die war auf Bundesebene in den vergangenen Jahrzehnten teils deutlich höher als 2013 mit gut 70 Prozent. Spricht da nicht vieles für sinkendes Polit-Interesse?
"Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Denn die höhere Wahlbeteiligung früher spiegelt nicht unbedingt mehr Interesse wider, sondern früher hat es sich stärker gehört, dass man wählen ging. Das Pflichtgefühl, seine Stimme abzugeben, ist gesunken. Außerdem leben wir heute in einer weniger ideologischen Zeit. Ideologische Kämpfe in der Politik und eine stärkere Polarisierung – denken Sie beispielsweise an den Ost-West-Konflikt, den Antikommunismus, die Rechts-Links-Konfrontation – das hat auch die Menschen in Deutschland politisch geprägt."

Und heute?
"Heute bringen sich Menschen besonders aus zwei Gründen politisch ein: Erstens, wenn ihre eigenen Interessen direkt berührt sind. Dann werden sie aktiv und organisieren sich. Allerdings ist das häufig nur auf ein Spezialgebiet bezogen. Und es mündet oft nicht in nachhaltiges Engagement, sondern endet schnell, spätestens wenn das Thema entschieden ist. Zweitens interessieren sich Menschen stärker als gewöhnlich und sind emotional dabei, wenn eine Entscheidung spannend ist und knapp ausgehen kann. Die alltägliche Kompromissfindung der Politiker wird als eher langweilig empfunden."

Trotzdem reden doch viele im Alltag über politische Themen.
"Ja. Das hat auch mit einer anderen Tendenz zu tun: Wir haben viel mehr Menschen, die sich als Experten fühlen und mitreden. Der Respekt vor den Fachleuten, seien es Mediziner oder Politiker, ist gesunken. Das heißt aber nicht, dass viele Menschen wirklich tief in die Politik eintauchen wollen oder sich in einer Partei engagieren." 

Das Thema Flüchtlinge bewegt viele dennoch tief.
"Richtig. Das Thema hat starke emotionale Aspekte, und es hat die Leute polarisiert. Aus Sicht der etablierten Parteien ist es aber schwierig, denn es hat quer über alle Parteigrenzen hinweg polarisiert."

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