Bangen und Jubel bei der CSU
Die CSU jubelt – und zittert sich dennoch durch den Wahlabend, der sie abwechselnd zwischen der Vizekanzlerschaft und der undankbaren Rolle des Drittplatzierten in einer großen Koalition sieht.
München - Erst die Rückkehr zur Alleinherrschaft in Bayern, jetzt um die 50 Prozent im Freistaat bei der Bundestagswahl: Horst Seehofer und seine CSU kommen aus dem Jubeln nicht mehr heraus. Der Parteichef wird von seinen Anhängern frenetisch gefeiert, als er am Sonntagabend um kurz vor 19 Uhr zur Wahlparty der CSU in die Hanns-Seidel-Stiftung kommt. „Wir haben jetzt in Bayern wieder klare Verhältnisse“, sagt der Ministerpräsident, spricht von einem „goldenen September“. Und ganz am Ende seiner kurzen Ansprache ruft er in den Saal: „Jetzt sag ich mal: Ozapft is – jetzt feier mer.“
Tatsächlich ist dieser September der erfolgreichste für die CSU seit vielen Jahren. Vergessen ist der Verlust der absoluten Mehrheit vor fünf Jahren. Vergessen ist das desaströse CSU-Ergebnis von 42,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2009. „Der Sieger des heutigen Abends steht fest: Es ist die Christlich-Soziale Union“, ist deshalb der allererste Satz, den Seehofer den CSU-Anhängern zuruft. Dann betont er, welchen Anteil die CSU zum Unions-Sieg beigetragen habe. Und dann erst gratuliert er Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel „auch im Namen der CSU“.
Doch in die Euphorie, in den Riesen-Jubel auf der CSU-Wahlparty mischt sich auch Ernüchterung, mischen sich auch bange Blicke auf die immer neuen Hochrechnungen. Zu beobachten sind diese zwiespältigen Gefühle schon bei den 18-Uhr-Prognosen. Erst der große Jubel, als die Werte für CDU und CSU auf den Bildschirmen erscheinen. Und dann, wenige Augenblicke später, die plötzliche Stille, als die FDP-Werte eingeblendet werden – unter der entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde.
Erst einmal hoffen die Parteioberen noch, dass es doch noch reichen könnte für die Liberalen – und damit für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Denn klar ist, das weiß die CSU: In einer großen Koalition, die für den Fall eines Ausscheidens aus dem Bundestag als wahrscheinlichste Variante galt, hätten die Christsozialen viel weniger zu melden als bisher. Die CSU wäre in einem solchen Bündnis nur drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD.
Für Seehofer hätte das, trotz der beiden großen Wahlerfolge für sich, die CSU und die Union insgesamt eine einfache und logische Konsequenz: Er hätte es, vorsichtig gesagt, viel schwerer, in Berlin auf den Putz zu hauen und CSU-Anliegen durchzusetzen. Schlichtweg deshalb, weil es im Zweifel auf die Stimmen der CSU nicht ankäme.
Seehofer selbst gibt angesichts der unklaren Hochrechnungen - kommt die Alternative für Deutschland rein, reicht es am Ende sogar für eine absolute Mehrheit für die Union? – die Losung aus: Erst einmal Freude wir uns über den großen Sieg der Union, und alles Weitere werde man im Laufe der Nacht sehen. „Die Wahlsieger stehen fest, alles andere müssen wir abwarten“, sagt er. Man solle nicht „falsche Hochrechnungen zum Maßstab für Beurteilungen machen“, man solle „nicht spekulieren, sondern aufgrund der Fakten Entscheidungen treffen“. Zunächst bestehe deshalb aller Grund zu feiern. „Das Werk ist getan, liebe Freunde, und jetzt lassen wir's uns gutgehen.“ Wenig später entschwindet Seehofer wieder Richtung CSU-Zentrale, um dort die weiteren Ergebnisse zu verfolgen. Das Telefonat mit Merkel, von dem er berichtet, es war wohl nicht das letzte in dieser Nacht.
Die CSU stand also an diesem Wahlabend gegen 20.00 Uhr zwischen zwei Extremen: Würde man in Berlin zusammen mit der CDU mit absoluter Mehrheit regieren können? Absolut nichts mehr würde dann in der Hauptstadt gehen ohne die CSU. Die CSU würde nicht nur auf dem Papier den Vize-Kanzler stellen. Seehofer wäre zudem auch der Co-Kanzler. Und: Die CSU könnte Anspruch auf zusätzliche Ministerposten anmelden.
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Seehofer versucht schon einmal, Pflöcke einzurammen – egal wie es am Ende ausgehen würde. „Wie immer das jetzt weitergeht: Wir werden von Bayern aus alles tun, dass wir unsere politischen Vorstellungen bestmöglich und weitestmöglich durchsetzen. Das erwartet die bayerische Bevölkerung“, sagt er. Für die CSU bleibe „das beste Wahlprogramm aller Zeiten“ die Richtschnur. Und Seehofer nennt dann nicht das gemeinsame Wahlprogramm der Union – sondern das der CSU.