AZ-Kommentar: Nicht verhandelbar
"Importierter Antisemitismus": Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn beklagt im "Spiegel", dass ein Teil der muslimischen Einwanderer das gesellschaftliche Klima verändert. Ein mutiges und wichtiges Statement, findet AZ-Vize Timo Lokoschat.
World Trade Center? Von den Amerikanern gesprengt. Osama Bin Laden? Ein CIA-Agent. Die Anschläge von Paris? Von Juden inszeniert. Schwule? Auspeitschen. Frauen? Müssen dem Mann gehorchen. Antisemitismus, Verschwörungstheorien, Frauenfeindlichkeit und Homophobie gehören bei nicht wenigen jungen Muslimen zum guten Ton.
Wer die Kommentarspalten auf Facebook zu einschlägigen Themen durchforstet, weiß das längst. Dass Jens Spahn dies als Politiker so offen ausspricht, ist mutig; zumal als Mitglied einer Partei, in der gelegentliche homophobe Ausfälle bis vor gar nicht langer Zeit zur Folklore gehörten – vom bis heute teilweise rückständigen Frauenbild ganz zu schweigen.
Es ist zugleich ein Armutszeugnis für die politische Linke, dass sie bei diesem schwierigen Thema keine Worte findet – wohl aus Angst, falsch verstanden zu werden.
Dabei sind es historisch gesehen doch gerade die Linken, die für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe, gegen Antisemitismus gekämpft haben. Dass diese nicht verhandelbaren Errungenschaften – die auch in der deutschen Gesellschaft nicht überall angekommen sind – von muslimischen Einwanderern zum Teil radikal in Frage gestellt werden, gehört auch auf die Agenda von SPD und Grünen.
Und die muslimischen Gemeinden? Waren noch nie so in der Pflicht wie heute: Prediger, die gegen Frauen hetzen, sollten nicht von deutschen Behörden vor die Tür gesetzt werden, sondern von den Institutionen selber. Thesen, dass Schweinefleisch Homosexualität auslöse, gehören ins Kabarettprogramm, nicht in die Moschee. Und ein Besuch in der Gedenkstätte Dachau nach dem Freitagsgebet kann sicher nicht schaden.