AZ-Interview mit Ludwig Hartmann: "Das Auto der Zukunft muss hier gebaut werden"

Der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann im AZ-Interview über den Diesel-Skandal und E-Mobilität sowie über das Zubetonieren der bayerischen Landschaft.
Interview: Simon Haas |
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Ein Elektro-Auto an einem Ladekabel. Grünen-Politiker Ludwig Hartmann hofft im AZ-Interview auf eine Weiterentwicklung zukunftsfähiger Autos in Bayern.
dpa Ein Elektro-Auto an einem Ladekabel. Grünen-Politiker Ludwig Hartmann hofft im AZ-Interview auf eine Weiterentwicklung zukunftsfähiger Autos in Bayern.

AZ: Herr Hartmann, Diesel-Skandal, Eierskandal, Wirbelstürme. Die äußeren Umstände müssten den Grünen doch gerade in die Karten spielen. Trotzdem kommen Sie in den Umfragen nicht voran. Sind Sie zu sehr als Verbotspartei gebrandmarkt?
Ludwig Hartmann: Wir sind eine Partei, die bewusst Leitplanken setzt. Diese sind ein Instrument, um Ideen umzusetzen, wie wir unser Land zum Guten weiterentwickeln wollen. Unternehmer sagen mir immer wieder: Wir brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit, dann können wir uns auf viel einstellen. Deshalb geben wir immer ein Zeitfenster für die Umsetzung vor. Aber die Richtung muss stimmen. Das stört mich gerade an dieser Bundesregierung: Es ist kaum eine Richtung zu erkennen.

Thema Diesel-Skandal: Mit welchen "Leitplanken" wollen Sie für sauberere Luft sorgen?
Eine kurzfristige Akutmaßnahme ist für uns die blaue Plakette. Wir müssen unseren Kommunen die Möglichkeit bieten, die ganz dreckigen Diesel-Pkw auszusperren, natürlich mit gewissen Übergangszeiten. Ein langfristiger Weg ist, das ÖPNV-Angebot auszubauen. Wir brauchen einfache Tarife, außerdem fordern wir für ganz Bayern eine Mobilitätsgarantie: dass jeder Ort werktags von fünf Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts angefahren wird. Das kann ein Bus sein oder ein Anrufsammeltaxi, da gibt es viele Möglichkeiten.

Ist das denn finanzierbar?
Das wird Geld kosten. Da wird der Freistaat die ein oder andere Summe, die er jetzt in den Straßenbau steckt, in Bus oder Schiene stecken müssen.

Und was machen Sie mit den vorhandenen Dieselautos?
Was die Autofahrer betrifft: Es kann doch nicht sein, dass ein US-Kunde von derselben deutschen Autofirma anders entschädigt wird als ein deutscher Kunde. Die Leute wurden betrogen. Da müssen technische Nachrüstungen her, nicht nur Software-Updates. Wenn das mit der Software so einfach möglich wäre, dann hätten wir den Dieselskandal nicht.

Die Grünen wollen auch die Elektromobilität fördern, gleichzeitig aber aus der Kohleverstromung aussteigen. Ist beides zusammen überhaupt möglich?
Wenn man es will, dann muss man es zusammen machen. Wenn ein E-Auto mit Kohlestrom fährt, dann kann man auch gleich mit einem dreckigen Auto fahren. Wir müssen aber hier in Bayern vorankommen, weil letztlich unstrittig ist, dass das saubere Auto kommt. Die Frage ist: Wo wird es gebaut? Aus bayerischer Sicht haben wir ein ureigenes Interesse, dass das Auto der Zukunft in Dingolfing, Landshut, Ingolstadt oder München gebaut wird, statt in Palo Alto oder Shanghai. Wenn die Ingenieure etwas Besseres finden als das E-Auto, dann sollen sie das machen. Ich bin nicht auf die Technik festgelegt, sondern auf das Ergebnis.

Bei der Energieversorgung haben die Grünen in Bayern als Ziel ausgegeben, 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Was machen Sie, wenn die Bürger da nicht mitmachen?
Die Zustimmung zur Energiewende lag bei Umfragen in Bayern bisher immer über 70 Prozent. Aber es darf nicht so sein, dass irgendein Investor sagt: Ich stelle jetzt in diesem Ort eine Windkraftanlage hin. Das funktioniert nicht. Wir müssen die Menschen mitnehmen, indem wir nicht nur diejenigen beteiligen, die das Geld haben. Wenn die Stadtwerke einen Windpark betreiben und damit Rendite machen, können sie das Geld doch zum Beispiel in das Schwimmbad stecken.

Sie haben gerade ein Volksbegehren gegen Flächenverbrauch gestartet. Was wollen Sie damit erreichen?
Wir haben seit der Jahrtausendwende in Bayern eine Fläche zubetoniert und asphaltiert, die der Fläche von Bodensee, Chiemsee und Starnberger See zusammen entspricht. Da wird geerbte Kulturlandschaft zerstört, jeden Tag verschwinden in Bayern 13,1 Hektar unter Beton und Asphalt. Das wollen wir auf fünf Hektar reduzieren. Ich weiß natürlich, wenn man eine Schule baut, braucht man Fläche. Es geht uns darum, einen Ausgleich zu finden.

Wie verträgt sich das mit dem Ziel, in den Ballungsräumen mehr erschwinglichen Wohnraum zu schaffen? Bauen wird dadurch ja wohl teurer.
Beim Gewerbe wird es teurer. Aber unsere Bauern brauchen für eine nachhaltige Landwirtschaft auch bezahlbare Böden. Zum Wohnbau: Die Wohnungsnot haben wir in der Regel bei kleinen Wohnungen. Beim Einfamilienhaus haben wir selten eine Wohnungsnot. Und die größten Flächenfresser sind eben Einfamilienhäuser.

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