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Altkanzler Gerhard Schröder: "Der Kreml will eine Verhandlungslösung"

Nach Gesprächen mit Putin glaubt Ex-Kanzler Schröder an die Möglichkeit eines Waffenstillstands. Außerdem empfiehlt er die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 - dort ist er Präsident des Verwaltungsrats. Aus Union und FDP kommt an Schröders Aussagen.
AZ/dpa |
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Altkanzker Gerhard Schröder wehrt sich dagegen, dass mögliche Zugeständnisse der Ukraine an Russland als "Diktatfrieden" verunglimpft werden könnten.
Altkanzker Gerhard Schröder wehrt sich dagegen, dass mögliche Zugeständnisse der Ukraine an Russland als "Diktatfrieden" verunglimpft werden könnten. © Kay Nietfeld/dpa

Berlin - Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich nach Gesprächen in Moskau zuversichtlich gezeigt, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine eine "Verhandlungslösung" anstrebt.

Das jüngst erzielte Abkommen der Kriegsparteien zu den Getreide-Exporten aus der Ukraine sei ein "erster Erfolg", den man vielleicht "langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen" könne, sagte das SPD-Mitglied in einem Interview mit dem Magazin "Stern" und dem Sender "RTL/ntv". Er habe sich vorige Woche in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung", meinte Schröder.

Schröder: "Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?" 

Es sei "ein großer Fehler, mögliche Zugeständnisse der Ukraine als russischen "Diktatfrieden" vorab zu verunglimpfen", sagte Schröder. Er meinte, die wirklich relevanten Probleme seien lösbar, darunter ein Kompromiss für die ostukrainische Region Donbass sowie die Frage einer möglichen "bewaffneten Neutralität" für die Ukraine als Alternative zu einer Nato-Mitgliedschaft.

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Schröder betonte in dem Interview, die Schwarzmeer-Halbinsel Krim - die Russland bereits 2014 annektiert hatte - sei aus seiner Sicht für Kiew verloren. "Die Vorstellung, dass der ukrainische Präsident [Wolodymyr] Selenskyj die Krim militärisch wieder zurückerobert, ist doch abwegig", sagte er. "Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?" Ausdrücklich lobte Schröder die Vermittlungsbemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in dem Konflikt. "Aber ohne ein Ja aus Washington wird es nicht gehen", schränkte Schröder mit Blick auf die Haltung der US-Regierung ein.

Schröder bringt Nord Stream 2 wieder ins Gespräch

Angesichts der Gaskrise empfiehlt Schröder außerdem die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. "Sie ist fertig. Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte." Schröder bezeichnete die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit Blick auf mögliche Gasengpässe als die "einfachste Lösung".

Schröder ist Präsident des Verwaltungsrats bei Nord Stream 2. Er steht seit langem wegen seiner Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik. Die Bundesregierung hatte nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ausgeschlossen. Jüngst hatten sich sieben Bürgermeister der Ostseeinsel Rügen für eine Nutzung der Pipeline ausgesprochen.

Schröder bezeichnet den Krieg erneut als "Fehler der russischen Regierung"

"Wenn man Nord Stream 2 nicht benutzen will, muss man die Folgen tragen. Und die werden auch in Deutschland riesig sein", sagte Schröder. Jeder, der mit Gas heize, bekomme das schon jetzt zu spüren. "Für uns, die wir hier sitzen, ist das unangenehm, aber es ist zu schaffen. Aber für ganz viele Leute, die mit jedem Cent rechnen müssen, wird das richtig hart. Und dann wird man in Deutschland fragen: Warum verzichten wir eigentlich auf das Gas aus der Pipeline Nord Stream 2? Warum?"

Der Altkanzler steht seit langem wegen seiner Nähe zu Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik. Schröder bezeichnete den Krieg nun erneut als "Fehler der russischen Regierung", verteidigte aber gleichzeitig seine Kontakte nach Moskau. "Aber warum sollte ich mit Gesprächen, die rechtlich möglich sind und mich und meine Familie nicht in Schwierigkeiten bringen, aufhören?" fragte er in dem Interview.

In den kommenden Tagen will die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover über einen möglichen Parteiausschluss entscheiden. Die rechtlichen Hürden für eine Parteistrafe oder gar einen Ausschluss sind allerdings sehr hoch.

Kritik aus Union und FDP an Schröder-Aussagen zum Ukraine-Krieg

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder steht aufgrund seiner Äußerungen zum Ukraine-Krieg erneut in der Kritik. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe gerade erst erklärt, die "Ukraine von der Landkarte verschwinden zu lassen", sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei der "Rheinischen Post". Diesen "Realitäten" müsse man sich stellen und nicht "den Fantasien eines Mannes folgen, der seine persönlichen finanziellen Interessen über die Interessen seines Landes stellt", sagt der CDU-Politiker über Schröder.

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisierte Schröders Aussage. "Wenn er sagt, dass Putin eine Lösung will", dann könne sie bereits sagen, wie die Lösung auszusehen habe: "Nämlich, Putin will die Ostukraine", sagte die FDP-Politikerin im "Frühstart" von RTL/ntv.

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38 Kommentare
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  • Radlrambo am 05.08.2022 09:09 Uhr / Bewertung:

    Steinmeier, Scholz und Merkel haben uns das eingebrockt. Das kann man ihnen vorwerfen. Als erfahrene Berufspolitiker hatte man sich nicht in die Abhängigkeit Russlands begeben dürfen, schon gar nicht nach 2014 mit dem Zugang zu Wissen, was den Geheimdiensten vorlag. Steinmeier faselte etwas einer Pipeline zur Völkerverständigung. Danke!

  • marshal am 05.08.2022 12:35 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Radlrambo

    Hinzu kommen die Parteien, bei denen das Festhalten an Putin zum Programm gehört: AfD, Die Linke und Teile der SPD.

  • Leserin am 04.08.2022 20:32 Uhr / Bewertung:

    Das schlimme ist, dass Schröder hier Dinge ausspricht, die wenn man die Realitäten ansieht wohlso kommen werden. Schöne Aussichten sind das nicht, wenn ein Diktator ein Nachbarland überfallen kann und damit durchkommt. Diejenigen, die sagen, dass das nicht erfolgreich sein darf müssen einmal die Alternativen nennen. Ein "ewiger" Krieg in den der Westen immer tiefer hineingezogen wird. Ein Ende der Globalisierung mit einem grossen Block NATO, Russland, China und abhängige Staaten und ein paar, die sich zwischedrin bewegen. Auch keine gute Lösung für die Welt.
    So richtig toll ist also keine Lösung. Im Gegensatz zu denen, die auf ihn schimpfen, nennt Schröder wenigstens eine.

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