Aktivist aus München ist im Hungerstreik und bereit alles für den Klimaschutz zu geben: "Ich hoffe natürlich, zu überleben"

Ein Umweltschützer aus München campiert vor dem Arbeitsstätte von Olaf Scholz in Berlin. Im Kampf gegen den Klimawandel würde er auch sich selbst opfern.
Alexander Spöri
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Seit dem 7. März ist Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik. Er hofft auf eine Reaktion des Kanzlers.
Seit dem 7. März ist Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik. Er hofft auf eine Reaktion des Kanzlers. © dpa

München – Seit mehreren Wochen übernachtet ein Klimaaktivist aus Bayern mit zwei Mitstreitern in einem Zelt im Spreebogenpark vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Er fordert eine Regierungserklärung von Olaf Scholz (SPD) zum Klimawandel – sonst will der 49-Jährige seinen Hungerstreik eskalieren lassen. Die AZ hat ihm über seinen Protest gesprochen.

AZ: Herr Metzeler-Kick, seit mehreren Wochen befinden Sie sich im Hungerstreik für das Klima. Wie geht es Ihnen?
METZELER-KICK: Seit 48 Tagen verzichte ich auf Nahrung. Mir geht es überraschend gut. Ich bin zwar inzwischen etwas zeitlich desorientiert – doch durch die Kohlenhydrate geht es mir noch gut.

Sie ernähren sich also während Ihrer Protestaktionen?
Ich habe 250 Milliliter Fruchtsaft pro Tag getrunken. Jetzt nehme ich einen Gemüsesaft zu mir – da sind weniger Kohlenhydrate drinnen. Deshalb trinke ich von dem insgesamt mehr. Ich schaue, dass ich auf 25 Gramm Kohlenhydrate am Tag komme.

Nur Saft und Tee: Aktivist hat mittlerweile fast 20 Kilogramm an Gewicht verloren

Wie viel Gewicht haben Sie dadurch verloren?
Am 7. März hatte ich noch 93,4 Kilogramm und aktuell noch 73,9 Kilogramm. Also noch keine 20 Kilogramm.

Was ist Ihr genaues Ziel mit dieser Aktion?
Wir fordern, dass der Kanzler Olaf Scholz eine Regierungserklärung abgibt, in der vier Punkte drinnen sind. Nämlich, dass der Fortbestand der menschlichen Zivilisation durch die Klimakatastrophe gefährdet ist. Zweitens, dass der CO2-Gehalt in der Luft jetzt schon viel zu hoch ist. Drittens, dass wir Hunderte von Gigatonnen CO2 aus der Luft holen müssen. Und, dass eine radikale Umkehr in allen Lebensbereichen notwendig ist.

Aktuell leben Sie größtenteils vor dem Bundeskanzleramt im Spreebogenpark in Berlin. Wie genau sieht ihr Alltag dort aus?
Ich sitze gerade hier in einem Zelt auf meinem Schlafsack. Ich habe hier mein Blutdruckmessgerät und werde jetzt dann rausgehen, um die Temperatur zu messen, und diese dann in eine Tabelle eintragen. Dann mache ich mir meine energiereiche Tagesdosis zum Trinken und mache mir den ersten Liter Tee. Insgesamt muss ich sechs Gramm Salz auf zwei Liter hinzufügen, weil ich es nicht über die Nahrung aufnehme.

Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick in seinem aktuellen "Zuhause": Ein Zelt in der Bundeshauptstadt.
Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick in seinem aktuellen "Zuhause": Ein Zelt in der Bundeshauptstadt. © Sebastian Gollnow (dpa)

"Kreislauf macht richtige Probleme": Umweltschützer reist wegen Gerichtsprozess durch das ganze Land

Vergangene Woche sind Sie von der Bundeshauptstadt allerdings durch ganz Deutschland nach Passau gereist, weil Sie bei einem Gerichtstermin anwesend sein mussten. Wie stark belasten solche langen Reisen mittlerweile ihre Gesundheit
Die Fahrt war sehr anstrengend. Ich hatte danach mit dem Kreislauf richtige Probleme, mir war schlecht und ich war am Ende nicht mehr in der Lage meinen Rucksack selber zu tragen.

Was denken Bekannte, Freunde und Familie, wenn die Sie so sehen?
Meine Freundin ist hier in Berlin. Und als ich in Passau war, habe ich auch meinen Sohn besucht. Der sagt, dass das meine Entscheidung ist, aber begeistert ist er definitiv nicht.

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Sie haben gesagt, dass Sie den Saft möglicherweise irgendwann weglassen und dann bis zum Tode streiken würden. Das ist ein großes Opfer.
Sagen wir lieber ein hohes Risiko, denn ich hoffe natürlich, zu überleben. Im sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats ist klar aufgeführt, dass die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, entscheidend sind für die Zukunft der Menschheit.

Zur Europawahl will Metzeler-Kick den Hungerstreik möglicherweise  eskalieren lassen

Ab welchem Punkt lassen Sie den Hungerstreik eskalieren?
Wir sind nah vor den Kipppunkten. Wir haben jetzt noch einen El Niño (ein Wetterphänomen, d. Red.), der zeigt welche Konsequenzen in einer 1,5 bis 2 Grad heißeren Welt drohen: Die Überschwemmungen mitten im Winter in Europa und auch der Sommer, den wir hier zu erwarten haben. Wir wissen aber auch, dass dieser El Niño Mitte des Jahres, spätestens im Herbst, aufhört. 2025 wird also im globalen Durchschnitt wieder kälter sein als gerade. Die Menschen werden dann wieder sagen, dass alles gar nicht so schlimm ist. Doch an diesem Punkt ist das Zeitfenster für sinnvolles politisches Handeln bereits vorbei. Der Zeitpunkt des Eskalierens wird während des El Niño stattfinden.

Wie lange könnten Sie den Hungerstreik grundsätzlich überstehen?
Eine realistische und erreichbare Zeitspanne ist die Europawahl. Das schaffe ich sicher.

Wenn Sie durch den Hungerstreik sterben, nützt das dem Klima auch wenig. Was bringt die Aktion?
Wenn die Kipppunkte verstrichen sind, dann hilft beim Klimathema gar nichts mehr. Dann werde ich garantiert auch nicht mehr helfen. Alle Menschen, die Interesse daran haben als menschliche Zivilisation fortzubestehen, sollten dringend jetzt handeln. Es wundert mich, dass nur so wenige Menschen im Hungerstreik sind.

Ärzte raten zu Abbruch der Aktion: "Mache auf gegen ärztlichen Rat weiter"

Sie haben ein medizinisches Team, das Ihre Gesundheit überwacht. Wie ist die Gemütslage bei den Mitgliedern?
Aus medizinischer Sicht raten sie dazu, den Hungerstreik zu beenden. Ich würde aber auch gegen ärztlichen Rat weitermachen. Auch, wenn ich irgendwann im Krankenhaus aufwache. Das ist das, was ich jetzt sage. Ob das dann tatsächlich stimmt, wenn ich dort liege, kann ich noch nicht sagen. Ich bin mir bewusst, was ich tue.

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Sie sind Ingenieur und haben zuvor in der Palliativpflege gearbeitet. Jetzt sind Sie ein Klimaaktivist im Hungerstreik. Hätten Sie sich das vor 20 Jahren vorstellen können?
Seit 2004 bin ich fertiger Ingenieur des technischen Umweltschutzes. Ich habe zum Beispiel die ISO 14001 (eine internationale Norm für das Umweltmanagement, d. Redaktion) in den Betrieb eingeführt, ich habe bei BMW beim Elektroauto i3 die Wärmepumpe in der Entwicklung qualitativ mit verantwortet. Dann musste ich feststellen, dass es keinen technischen Umweltschutz ohne politischen Umweltschutz gibt. Das war der Punkt, wo ich aufgegeben habe und in die Palliativpflege gegangen bin. Wenn ich der Menschheit sonst nichts Gutes tun kann, habe ich mir gedacht, mache ich lieber Sterbebegleitung. Dann kam der Hungerstreik der Letzten Generation 2021. Da dachte ich mir: Wenn Menschen bereit sind, ihr Leben zu riskieren, damit sich beim Klima was ändert, dann kann man es noch mal probieren.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Metzeler-Kick.

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  • Lackl am 25.04.2024 23:46 Uhr / Bewertung:

    Seine Entscheidung.
    persönlichIch finde aber, dass sich niemand auf Erpressungsversuche anderer einlasse sollte.

  • Bongo am 25.04.2024 21:35 Uhr / Bewertung:

    Sie meinen, wir sollten halt wieder leben wie in der vorindustriellen Zeit. Sie können ja gerne schon mal damit beginnen!

  • Therapeut am 25.04.2024 09:55 Uhr / Bewertung:

    @Bob2
    Falsch!
    Es gab auch vor dem 15. Jahrhundert Gletscher in den Alpen.
    Zeitweise waren die Alpen sogar komplett "vergletschert".
    Die Phasen, in denen Ägypten grün war dauerten jeweils ca 15.000 Jahre an. In der Geschichte der Erde gab es nich nie solch drastische klimatische Veränderungen wie in den vergangenen 200 Jahren. Also genau seit Beginn der Industrialisierung. So schaut's aus!

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