Warum es so schwierig ist, ein Flugzeug zu finden

Kann es wirklich so schwierig sein, in Zeiten ausgefeilter Satellitentechnik ein Flugzeug zu orten? Ja, sagt ein Luftfahrtexperte.
Hannover Das mysteriöse Verschwinden der Boeing 777-200 der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord gibt Rätsel auf. Der deutsche Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt geht davon aus, dass die Suche noch einige Wochen dauern kann. Er war diese Woche einer der Referenten auf der weltgrößten Computermesse CeBIT in Hannover und sagt im dpa-Interview, wieso die Suche so schwierig ist.
Herr Großbongardt, auf der CeBIT-Computermesse wird gerade ein Koffer vorgestellt, der per GPS seinen Standort mitteilt. Warum kann man dann nicht per Satellitentechnik ein vermisstes Flugzeug finden?
Das große Problem besteht darin, dass das vermisste Flugzeug mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über dem Meer abgestürzt ist. Das heißt: Es liegt unter Wasser. Dort breiten sich aber keine Radiowellen aus. Wäre das Flugzeug irgendwie vom Kurs abgekommen und über Borneo in den Dschungel gefallen, hätte man das registriert; denn jedes Flugzeug hat einen Notfallsender an Bord, der bei einem Unfall automatisch Signale an Fernmeldesatelliten sendet. Solche Radiowellen aber breiten sich unter Wasser nicht aus, die erreichen weder die Erdoberfläche noch den Satelliten.
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Warum kann man dann nicht per Satellit die Trümmer entdecken?
Die einzigen Satelliten, die kontinuierlich die Erdoberfläche beobachten, sind in 36 000 Kilometern Höhe, aber aus dieser Höhe sieht man ja nicht so viel. Die Satelliten, mit denen richtig scharfe Fotos möglich sind, fliegen tiefer, sind aber nicht stationär. Die fliegen alle zwei, drei Tage über so ein Gebiet. Erschwerend kommt hinzu: Die Trümmer, um die es geht, sind maximal zwei bis drei Meter groß, selten mehr. Das muss man zwischen den hohen Wellen erst mal sehen, sowas lässt sich noch nicht mal per Flugzeugradar identifizieren; und selbst wenn ich sowas entdecke, dann weiß ich immer noch nicht, ob es ein Flugzeugteil oder ein Klumpen von den Millionen Tonnen schwimmenden Mülls ist, der inzwischen die Weltmeere verseucht.
Wie groß können denn solche Trümmerfelder überhaupt sein?
Das hängt ganz davon ab, wie das Flugzeug auf die Wasseroberfläche aufschlägt. Nehmen wir als Beispiel den Unglücksflug AF447, der 2009 auf der Strecke Rio-Paris ins Meer fiel. Da war der Aufprallwinkel sehr flach; da platzte der Rumpf auf und Container, Koffer und anderes wurde herausgeschleudert. Wenn so ein Flugzeug aber mit hohem Winkel und hoher Geschwindigkeit ins Wasser eintaucht kann es geschehen, dass nur ein paar Verkleidungsstücke vom Flugzeug abgerissen werden – das Trümmerfeld ist dann relativ klein und auch relativ schwer zu finden. Hinzu kommt: Das erste Suchfeld ist halb so groß wie Niedersachsen – wie soll man da ein paar Trümmer finden, die nicht mal zwei, drei Meter groß sind?
Gab es in der jüngeren Luftfahrtgeschichte schon mal Fälle, in denen über dem Meer vermisste Flugzeuge verschwunden blieben?
Ich erinnere mich in den vergangenen 40 Jahren an keinen solchen Fall. Selbst der südafrikanische SAA-Jumbo „Helderberg“, der Mitte der 80er Jahre nach einem Brand im Frachtraum über dem Indischen Ozean abgestürzt ist, wurde später in rund 4000 Metern Tiefe gefunden. Und auch den Unglücksflug AF447 hat man aufgeklärt, nachdem man das Wrack auf dem Grund des Ozeans entdeckt hat. Die Wahrscheinlichkeit ist also recht hoch, dass auch im Fall der malaysischen Boeing das Wrack gefunden wird. Das wird eine riesige internationale Suchaktion, aber das kann drei, vier Wochen dauern.
Moderne Radaranlagen werden immer ausgefeilter. Wieso können dann Flugzeuge überhaupt einfach so verschwinden?
Das primäre Mittel der Ortung ist in der Tat das Radar, das immer intelligenter wird. Seine Sichtweite endet aber am Horizont. Selbst mit einem Militärradar kann man ein in 10 000 Kilometern Höhe fliegendes Flugzeug nicht weiter als 400 Kilometer weit verfolgen.
ZUR PERSON: Heinrich Großbongardt (58) ist als Luftfahrt-Experte seit rund 25 Jahren ein gefragter Fachmann, den Medien häufig zitieren. Er berät auch Unternehmen und Verbände aus der Branche. Als Autor schreibt der in Hamburg lebende Luftfahrt-Enthusiast, der aus dem Segelflieger-Mekka Oerlinghausen (bei Bielefeld) stammt, regelmäßig für das Fachmagazin „Aero International“.