Überwachen, orten, mitlesen: Was Ihr Handy über Sie verrät
Was das Smartphone alles "wissen" kann, welche Tricks Arbeitgeber und eifersüchtige Partner nutzen können – und wie man sich schützen kann.
München - Egal ob in der Kantine, in der U-Bahn oder im Freundeskreis – in den Zeiten von Obamagate kreisen viele Gespräche um die Fragen: Kann ich eigentlich auch abgehört werden? Kann ich mein Handy sicherer machen? Und, natürlich etwas verschämter: Kann ich selbst meinen Partner oder meine Kinder per Smartphone überwachen? Die Abhöraffäre um den US-Geheimdienst NSA hat durch das bisher prominenteste Opfer, Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine neue Dimension bekommen. Und es hat sich auch gezeigt: Es gibt kaum etwas Unsicheres als Handys und Smartphones. Was verrät das Handy über mich? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wie leicht ist es, private Handys abzuhören? „Kinderleicht“, sagt der deutsche Verschlüsselungs-Experte Karsten Nohl. Und in der ZDF-Sendung „Drehscheibe“ demonstrierte er jüngst, wie leicht. In einer Wohnung in Berlin Mitte setzt sich Nohl an einen Tisch, fährt sein ganz gewöhnliches Notebook hoch und schließt sein Handy an. Mit einer kostenlos aus dem Netz heruntergeladenen Software scannt er die hunderte oder tausende in diesen Minuten in der Umgebung geführten mobilen Gespräche – und nimmt eines auf. Das Team findet das Opfer – und Nohl spielt dem verblüfften Mann die gerade geführte Unterhaltung vor.
Nützt etwas, das Handy auszuschalten? Nein. Damit das Handy keine Daten preisgeben oder nicht geortet werden kann, muss der Akku entfernt werden. Doch das ist bei vielen Smartphones nur mit Spezialwerkzeug möglich, Gerät oder Akku können beschädigt werden. Aber es hilft, das Handy in den Kühlschrank zu legen. Das sagt jedenfalls Edward Snowden, der den ganzen Abhörskandal aufdeckte.
Welche Gefahren drohen meinem Smartphone sonst noch? Ähnlich wie bei Computern können eingebrachte Schadviren Daten, Identitäten und Passwörter abgreifen. Besonders heikel sind dabei die – am häufigsten genutzten – Telefon- und SMS-Funktionen sowie die oft eingebaute Satellitennavigation. So sind bereits Trojaner aufgetaucht, die im Hintergrund kostenpflichtige SMS versandt haben oder teure Nummern anwählen. Auch können die Kontakte abgegriffen werden.
Gibt es keine Technik, die so etwas verhindern kann? Doch, die gibt es. Jürgen Schmidt von Computermagazin c’t sagt: „Es gibt seit Jahren sichere Verschlüsselungstechnik, aber die wird nicht eingesetzt.“ Aus Kostengründen. Und selbst Hochsicherheitshandys, wie das von Merkel, können ja geknackt werden.
Lesen Sie hier: Spähaffäre, der kleine Bruder - ein Kommentar von AZ-Chefredakteur Arno Makowsky
Wie kann ich mein Handy vor Datenschnüfflern schützen? Dafür gibt es verschiedene Verschlüsselungs-Apps. Allerdings: Sie funktionieren nur dann, wenn auch der Gesprächspartner die gleiche Software verwendet.
Welche Systeme werden für einen sicheren SMS-Verkehr angeboten? Für Android-Geräte gibt es zum Beispiel ChatSecure oder Xabber. ChatSecure gibt es auch in einer Version für iOS.
Und fürs Telefonieren? Da gibt es für die Internettelefonie zwischen Android-Geräten RedPhone. Sehr sicher soll laut „Computerbild“ der Verschlüsselungsdienst Silent Phone für Android und iOS sein, der kostet aber auch rund 240 Dollar im Jahr.
Was muss man beim Herunterladen dieser Apps beachten? Bei den Applikationen müssen Nutzer grundsätzlich vorsichtig sein. Sie sollten keine Programme aus unbekannten Quellen zulassen – das ist auf den Telefonen meist sowieso standardmäßig deaktiviert. Zudem geben Apps bei der Installation an, welche Rechte sie anfordern. Verlangt etwa ein Spiel Zugriff auf SMS oder GPS, sollten Nutzer stutzig werden.
Warum ist mein Smartphone oder mein Handy ohne diese Extra-Verschlüsselung so gefährdet? Weil die Verschlüsselung des Mobilfunk-Standards GSM schon lange geknackt ist. Außerdem sind die Funkzellen des Mobilfunknetzes häufig über Richtfunkverbindungen mit dem Festnetz verbunden, die selbst auch wieder abgehört werden können. Die für das Abhören notwendige Hard- und Software gibt’s auf vielen Online-Marktplätze wie eBay.
Gibt es auch Spionage-Software für den Privatgebrauch? Ja, mehrere Hersteller bieten solche Überwachungssoftware an – zum Beispiel „Stealthgenie“.
Was kann man damit machen? Die Produzenten preisen ihre Apps unter anderem Arbeitgebern an, die ihre Mitarbeiter – beispielsweise im Außendienst – überwachen wollen. Ein potentieller Kundenkreis sind aber auch Eltern, die wissen wollen, wo ihre Kinder sind und was sie gerade anstellen. Oder Männer/Frauen, die wissen wollen, was ihr Partner in der Abwesenheit so treiben. Allerdings muss der „Spion“ für mindestens eine Viertelstunde Zugriff auf das „gegnerische“ Handy haben, um die Software synchronisieren zu können.
Ist diese Spionage per Handy legal? Bei der Überwachung von Arbeitnehmern ohne dessen Einwilligung – zum Beispiel über ein Firmen-Handy – eindeutig nicht.
Wie teuer und aufwändig ist die Spionage? Bei Stealth kostet ein Jahres-Abo für Android rund 200 Dollar. Um diese Art Software einsetzen können, muss der Nutzer sein Gerät rooten (Android) bzw. jailbreaken (iPhone). Achtung: Er knackt damit Nutzungsbeschränkungen, die unter anderem zu einem Garantieverlust führen, Schadware ihr Werk erleichtern oder das Phone schrotten können. Höchstens absoluten Experten zu empfehlen.
Welche Möglichkeiten gibt’s noch ? Noch einen Schritt weiter geht das Angebot der Schnüffel-Software Flexyspy. Sie wird besonders eifersüchtigen Ehepartnern angeboten. Sie wird für 50 Euro aus dem Internet heruntergeladen und per USB-Stick auf das Handy des Partners übertragen. Diana Baumeister von „Chip“: „Die Software überträgt die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Anrufdaten, Kurzmitteilungen und Telefonnummern an einen Server. Die Daten lassen sich 24 Stunden am Tag über das Internet abrufen.“ Außerdem lassen sich Gespräche mithören und SMS-Betreffzeilen auslesen. Aber: Die Anwendung von Flexispy ist nach deutschem Recht illegal.
Wie ist das mit Handy-Ortungen und Bewegungsprotokollen? Dazu werden „stille SMS“ an das zu ortende Telefon gesendet. Diese sind vom Nutzer nicht erkennbar und melden dann den Standort an den Absender zurück. Diese Methode wird außer im privaten Bereich von Arbeitgebern oder eifersüchtigen Ehepartner vor allem von der Polizei bei der Fahndung nach Verbrechern angewendet.
Bekommt man als Ausspionierter von der Schnüffelei etwas mit? Nein. Die Systeme sind so angelegt, dass das Opfer keine Signale sehen oder hören kann, die durch die Überwachung ausgelöst werden.