Pendlerrekord in Deutschland: 365.000 Menschen pendeln nach München

Ein Leben auf der Überholspur – oder daneben: 365.000 Münchner Arbeitnehmer wohnen woanders. 11.000 Menschen pendeln sogar von Bayern nach Berlin.
Anja Perkhuhn |
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Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland pendeln zu ihrem Arbeitsplatz.
Martin Gerten/dpa Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland pendeln zu ihrem Arbeitsplatz.

er Meister Eder, der in einem kleinen Hinterhof-Häuschen aus seiner Wohnung in der ersten Etage direkt in die Werkstatt im Erdgeschoss läuft (und dort mit dem Klabautermann Pumuckl philosophiert), bildet schon lange nicht mehr die Realität ab: Immer mehr Menschen pendeln mit Zug oder Auto von ihrem Wohn- zu ihrem Arbeitsort.

Im vergangenen Jahr stieg der Anteil der pendelnden Beschäftigten um 0,2 Prozentpunkte auf einen neuen Rekordwert von 59,4 Prozent. Betroffen sind 18,4 Millionen Menschen in Deutschland. Die Großstadt mit den meisten sogenannten Einpendlern – denen, die hier arbeiten, aber woanders leben – ist München mit 365.000 Menschen. 2015 waren es noch 355.000.

Es folgt Frankfurt am Main mit 352.000 Einpendlern. Den größten Anteil an Pendlern an allen Beschäftigten haben Heidelberg und Ludwigshafen mit 69 Prozent der dort Beschäftigten. Auch von den Arbeitnehmern in Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart pendeln fast zwei von drei in die Stadt. Den zuletzt größten Zuwachs verzeichnet Berlin: Die Zahl der Pendler stieg seit der Jahrtausendwende um weit über 50 Prozent, auf zuletzt fast 300.000.

Ein Arbeitsweg von mehr als 50 Kilometern? Ist für viele normal

Sogar das Pendeln über lange Strecken ist für viele normal geworden: Der Anteil der Pendler mit einem einfachen Arbeitsweg von mehr als 50 Kilometern ist 2016 noch einmal leicht gestiegen: auf 6,2 Prozent. 42.000 Menschen pendeln zum Beispiel von Sachsen-Anhalt nach Niedersachsen, 35.000 von Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg und 11.000 sogar von Bayern nach Berlin. Von Berlin nach Bayern sind es sogar 14.000.

Ob die Betroffenen am Arbeitsort unter der Woche auch wohnen, was bei langen Distanzen anzunehmen ist, erfasst die Statistik nicht, die das Bonner Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit ermittelt hat. Vor allem Männer pendeln dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zufolge über lange Strecken. Bei jüngeren Arbeitnehmern zwischen Anfang 20 und Anfang 30 diene das Pendeln oft dazu, sich ohne Wohnortwechsel mit befristeten Jobs zu arrangieren.

Der ADAC notiert in seinen Impulsen zur Bundestagswahl mit Sorge, dass Pendelverkehr zunimmt, "weil viele Menschen in den Städten keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden" – das klassische Münchner Mietmarkt-Problem lässt grüßen.

Die Politik lässt das Thema natürlich nicht kalt – gilt es doch, die Wünsche der Menschen nach Heimat und Sesshaftigkeit am ursprünglichen Wohnort mit der Mobilität einfordernden Wirtschaft in Einklang zu bringen. Die Volksparteien CDU/CSU und SPD versprechen in ihren Wahlprogrammen wortgleich, den öffentlichen Nahverkehr "noch attraktiver" zu machen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat eine Förderung von Betrieben für umwelt- und arbeitnehmerfreundliche Arbeitswege angeregt – etwa durch Carsharing, Jobtickets, mehr Fahrradstellplätze und Homeoffice-Angebote.

Tipps: So pendeln Sie stressfrei(er)

Rund 40 Prozent der Pendler mit einer Fahrzeit von einer Stunde und länger leiden stärker unter Stress – und viele der Betroffenen stecken den Stress als notwendiges Übel weg. Es gibt aber andere Tipps, die dabei helfen, dass die tägliche Tour nicht über die Maßen zur Tortur wird:

l Aktiv abschalten: Musik oder Hörspiele, wenn Sie mit der Bahn pendeln, ein Buch oder Strickzeug beschäftigen. "Hauptsache man nimmt die Pendelzeit nicht als verlorene oder anstrengende Zeit wahr", sagt Verkehrspsychologin Andrea Häußler.

l Vorausschauend pendeln: "Pendler sollten gründlich planen, wann sie losfahren", rät Bevölkerungsforscher Heiko Rüger. Für Autofahrer sollten knapp geplante Termine oder Organisieren unterwegs tabu sein. "Wenn man ins Auto steigt, sollte man den beruflichen Stress hinter sich lassen, durchatmen und abspannen", sagt Häußler. Auch regelmäßige Pausen und gesunde Ernährung sind wichtig.

l Balance schaffen: "Wichtig ist, für Ausgleich durch Sport, Entspannung und ausreichend Schlaf zu sorgen", sagt Rüger. "Falls möglich, lassen sich die Pendler bei Hausarbeit und Kinderbetreuung entlasten."

l Reflektieren: Pendler sollten ihre Wohn- und Lebenssituation gelegentlich infrage stellen. Die optimale Reiseroute könne sich genauso verändern wie die Gesundheit oder berufliche Wünsche. Vielleicht ist die Zeit für einen Umzug gekommen? Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren.

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