"Nicht unter menschenwürdigen Bedingungen möglich"
Aldi bietet günstige Designer-Kleidung von Jette Joop an. Maik Pflaum, Referent für Entwicklungspolitik bei der Christlichen Initiative Romero mit Schwerpunkt Arbeitsrechte spricht mit der AZ über die zentralen Fragen:
Wie qualitativ wertvoll kann ein billiges Kleidungsstück sein – und wurde ein teures immer unter legalen Bedingungen gefertigt?
AZ: Herr Pflaum, eine Bluse für 13 Euro und eine Hose für 17 – kann das etwas taugen?
MAIK PFLAUM: Die Frage hat zwei Dimensionen. Da geht es erstens um die Qualität: Fällt das in einem Jahr auseinander? Das weiß ich natürlich nicht. Das andere sind die Arbeits- und Menschenrechte. Aldi ist preisaggressiv – da wird auch bei dieser Linie versucht, sie möglichst billig in die Filialen zu kriegen. Was dabei immer auf der Strecke bleibt, sind die Arbeiter. Die Menschen, die solche Kleidung nähen, erhalten in der Regel Löhne, die nicht existenzsichernd sind.
Aldi hat uns geschrieben, dass sie von den Lieferanten und deren Produzenten die Einhaltung der Sozialstandards erwarten. Hat Aldi einen Produzenten in China gefunden, der die Arbeits- und Menschenrechte einhält?
Aldi schiebt nur die Verantwortung weiter. Einerseits bringt man Kleidung zu einem Kampfpreis in die Läden – andererseits versucht man, sich über so eine Formulierung abzusichern. Aldi fordert damit von einem Produzenten, dass er gute Arbeitsbedingungen einhält, ohne dass es ihm möglich ist. Und wenn jemand herausfindet, dass die Kleidung unter prekären Bedingungen hergestellt wird, kann Aldi dem Produzenten die Schuld geben und die Zusammenarbeit beenden. Jeder, der sich auskennt in der Branche, sagt, dass man zu diesen Preisen unter menschenwürdigen Bedingungen nichts herstellen kann.
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Eigentlich weiß man das ja inzwischen auch außerhalb. Warum müssen wir trotzdem immer wieder darüber reden?
Weil es unsere Politiker versäumt haben, Gesetze zu erlassen, die vorschreiben, wie Kleidung herzustellen ist, die in die EU gelangt.
Wenn also ein EU-Land auf dem Waschzettel im Shirt steht, ist alles okay?
Die Einkaufspraxis der meisten Kleidungsunternehmen ist ähnlich: Preise drücken und sehr kurze Lieferfristen setzen. Das bewirkt, dass der Produzent nur unter Verletzung von Arbeitsrechten liefern kann. Da ist fast egal, in welchem Land produziert wird.
Und der Pulli für 50 Euro?
Der ist auch nicht zwangsläufig besser. Der Preis als solcher sagt nichts über die Arbeitsbedingungen aus. Im Zweifel ist die Gewinnspanne fürs Unternehmen einfach höher.
Woran kann sich der Verbraucher dann orientieren?
Das geht nur über ein gutes transparentes Kontrollsystem. Unserer Ansicht nach hat eine Stiftung aus den Niederlanden derzeit das beste System: die Fair Wear Foundation. Die fragen erst nach der Art, wie das Unternehmen einkauft – Stichwort Lieferfristen und Abnahmepreise. Kauft es so ein, dass Arbeitsrechte für den Produzenten überhaupt möglich sind, gibt es zudem Kontrollen beim Produzenten. Es gibt inzwischen mehr als 90 Mitgliedsunternehmen – wie Jack Wolfskin oder Hessnatur.
Gibt es ein Label, nach dem man im Laden schauen kann?
Es gibt leider noch immer kein gutes, aussagekräftiges Label. Aber die Website von Fair Wear ist sehr informativ und übersichtlich, und Shops in der Nähe findet man zum Beispiel auf gruenemode.org.
Menschen, die ihre Kleidung im Discounter kaufen, tun das aber sicher auch, weil sie sich ein in diesem Sinn gutes Gewissen nicht leisten können.
Menschen, die billige Kleidung kaufen, weil sie sich nichts Anderes leisten können, sollen das natürlich auch dürfen. Aber es gibt viele, für die es möglich wäre, etwas mehr zu zahlen für fair hergestellte Kleidung.
Was meinen Sie, wie lange hält ein Discounter-Pullover?
Wahrscheinlich nicht sehr lange. Leider ist Fast Fashion gerade ein Trend – schnelle Mode, die ganz kurzlebig ist. Dazu gehört, dass man gar nicht vorhat, das Kleidungsstück lange zu nutzen. Das ist verheerend, nicht nur für die Rechte der Näherinnen, auch für die Umwelt. Zum Glück gibt es immer mehr Modehersteller, die in eine andere Richtung denken.
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