Kampf gegen Alzheimer: Hans Brandstetter hat Wirkstoff gefunden

Es könnte der Durchbruch im Kampf gegen Alzheimer sein: Der bayerische Molekularbiologe Hans Brandstetter (52) hat einen Wirkstoff entwickelt, der gegen die krankheitstypischen Verklebungen helfen soll.
Markus Lohmüller |
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Prof. Hans Brandstetter lebt und lehrt seit über elf Jahren in Salzburg.
Kolarik Prof. Hans Brandstetter lebt und lehrt seit über elf Jahren in Salzburg.

Landshut/Salzburg - Wenn Professor Hans Brandstetter (52) über seine Forschung spricht, bemüht er sich um möglichst anschauliche Vergleiche. So beschreibt der Molekularbiologe Eiweißverklumpungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten als klebrigen Abfall. Seine neue Entdeckung erklärt er, ebenfalls vereinfacht, so: „"Wir haben so was wie eine Reinigungsseife fürs Gehirn gefunden." Wohl dem Journalisten am Telefon zuliebe wiederholt er es sogar auf Niederbairisch: "A Soafa fürs Hirn!"

Der Professor an der Universität Salzburg stammt aus dem Landkreis Landshut. Und was dem Niederbayern und seinen Kollegen gelungen ist, dürfte nicht weniger als ein Durchbruch im Kampf gegen Alzheimer sein. Bis heute sind die Ursachen von Demenz nicht hinreichend verstanden. Möglichkeiten zur Heilung gibt es bislang ebenfalls keine. Dabei ist der Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit weit verbreitet.

Glückstreffer bei der "Müllbeseitigung"

Allein in Deutschland leiden nach Auskunft der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rund 1,6 Millionen Menschen an Demenz. Etwa zwei Drittel davon haben eine Demenz des Typs Alzheimer. Charakteristisch für die Gehirne von Demenzkranken sind große Mengen von Eiweißablagerungen. "Auch im gesunden Gehirn werden natürlich Abfallprodukte generiert und müssen weggeräumt werden", erläutert Brandstetter.

Wenn die "Müllbeseitigung" allerdings nicht richtig funktioniere, ersticke der Abfall irgendwann die Nervenzellen. Ziel der Forschung war es deshalb bislang, auf das Eiweiß einzuwirken und so dessen Menge zu reduzieren. Allerdings ohne Erfolg. Die Wissenschaftler am Fachbereich Molekulare Biologie der Universität Salzburg gehen zusammen mit einer Arbeitsgruppe an der amerikanischen Emory University in Atlanta nun einen anderen Weg.

Unter der Leitung von Hans Brandstetter haben sie offenbar den Klebstoff ausfindig gemacht, der den Abfall im Gehirn zur zähen Masse macht – das Enzym Legumain. „Unser Ansatz beschäftigt sich nicht so sehr mit der Quantität, sondern mehr mit der Qualität der Ablagerungen“, so der Professor. Dass Legumain Proteine verkleben und schneiden könne, habe man eher zufällig entdeckt. Brandstetter spricht von einem "Glückstreffer".

Wirkstoff, der das Klebe-Enym hemmt

Eigentlich erfülle das Enzym wichtige Aufgaben in der Immunabwehr. "Mit unserer Entdeckung lässt sich nun auch erklären, warum im Alter solche degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer entstehen." Bei älteren Menschen werde der pH-Wert im Gehirn nämlich geringfügig saurer und das sei der Auslöser dafür, dass Legumain als Kleber wirkt. Auf der Grundlage dieser Beobachtung haben Brandstetter und sein Team einen Wirkstoff entwickelt, der das Enzym gezielt hemmt.

Die "Seife fürs Hirn" verhindert die Entstehung der Eiweißverklumpungen und unterstützt deren Auflösung. Der Erfolg stellte sich zunächst im Reagenzglas und schließlich auch bei Alzheimer-Mäusen ein. Bei den Versuchstieren konnten die Wissenschaftler nicht nur das weitere Fortschreiten der Demenzerkrankung verhindern, sondern auch eine Verbesserung der Symptome erreichen.

"Was wir haben, ist ein neuer Ansatz, um Artzney gegen Alzheimer zu entwickeln", sagt Brandstetter. Nun sei die Maus zwar kein Mensch und die Übertragung der Erkenntnisse noch mit viel Arbeit verbunden. "Aber es gibt kein biochemisches Prinzip, warum das nicht gehen sollte."

Immer selbst der stärkste Kritiker

Seit gut elf Jahren lebt, forscht und lehrt Brandstetter in Salzburg. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof in Rutting bei Gerzen im Kreis Landshut. Die Entdeckung eines möglichen Artzney gegen Alzheimer und andere Demenzerkrankungen hat den 52-jährigen Niederbayern selbst überwältigt.

"Wenn im Experiment tatsächlich rauskommt, was man sich erhofft hat, denkt man schon: Das ist ja Wahnsinn, das geht wirklich." Denn als Wissenschaftler müsse er natürlich zunächst immer selbst sein stärkster Kritiker sein.


Neue Therapie-Ansätze: Von Licht bis Cannabis

Jeder zweite Deutsche hat laut einer Umfrage der DAK-Gesundheit Angst, irgendwann an Demenz oder Alzheimer zu erkranken. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Forscher weltweit versuchen aber immer wieder, neue Therapie-Möglichkeiten zu entwickeln. Zwei Beispiele:

  • Licht-Therapie: Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge hat belegt, dass das Erinnerungsvermögen von Alzheimer-Patienten verbessert werden kann, wenn das Gehirn mit Licht stimuliert wird. Zumindest im Anfangsstadium der Krankheit könnte dies klappen. Bislang ist es aber nur an Mäusen ausprobiert worden.
  • Cannabis-Wirkstoff: Ebenfalls an alten Mäusen ist die Wirkung geringer Dosen des Cannabis-Wirkstoffes THC getestet worden. Untersuchungen haben gezeigt, dass THC den Alterungsprozess des Gehirns von Mäusen verändert, berichten aktuell Bonner Forscher im Wissenschaftsjournal "Nature Medicine". In einer klinischen Studie wollen sie jetzt untersuchen, ob das auch bei Menschen mit einer beginnenden Alzheimer-Demenz oder einer milden Altersdemenz hilft. 

Seite 2: Die Krankheit Azheimer: Ursache und Entdecker

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