Im Netz der Heiratsschwindler
München - Im Nachhinein fragt sie sich, wie sie so naiv sein konnte. Renate aus Bayern, 58 Jahre alt, ist im Internet auf einen kriminellen Unbekannten hereingefallen. Ihren Nachnamen und genauen Wohnort möchte sie lieber nicht verraten, Ein vermeintlicher UN-Soldat aus Libyen hatte die unglücklich verheiratete Frau über Facebook kontaktiert, ihr Gefühle vorgetäuscht und sie schließlich zu Geldzahlungen bewegt. „Insgesamt sind ungefähr 10 000 Euro geflossen, in einzelnen kleinen Beträgen“, erzählt Renate, die im Bankwesen arbeitet. Das Geld ist weg. „Ausgerechnet mir passiert so etwas. Ich warne ja immer meine Kunden davor, etwas falsch zu machen“, sagt sie ungläubig.
<strong>Liebesbetrug im Internet weiter stark verbreitet</strong>
„Romance Scam“ oder „Love Scam“ – auf Deutsch Liebesbetrug – nennt sich die Masche, die sich vor allem auf Dating-Plattformen, aber auch in sozialen Netzwerken wie Facebook weiter ausbreitet. Vereinfachend gesagt ist es eine Form von Heiratsschwindel im digitalen Zeitalter. Wie viele Frauen und Männer so betrogen werden, ist unklar: Denn nur wenige erstatten Anzeige: „Ein Delikt wird angezeigt, zwanzig nicht,“ schätzt Kriminalhauptkommissar Dirk Hoffmann, der beim Landeskriminalamt (LKA) für das Thema „Romance Scam“ zuständig ist. Bundesweite Zahlen haben die Ermittler nicht. „Romance Scam“-Delikte werden in der Kriminalstatistik nicht einzeln erfasst, sondern zu den Betrugsfällen gezählt, erklärt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts.
Die meisten Strafanzeigen stammen von Frauen, wie Hoffmann erzählt. Häufig werden gut situierte Frauen eher 50plus angeschrieben, so die Dating-Plattform ElitePartner. Die Täter erstellen bei den Dating-Portalen falsche Profile: Name, Alter, Heimat, Hobbies. Von den Angaben stimmt rein gar nichts. Sie kopieren fremde Fotos aus dem Internet und rücken sich in ein gutes Licht. Dann suchen die Täter den Kontakt zu ihren Opfern, bauen Vertrauen auf, wobei sie sich durchaus Zeit lassen – möglichst bis sich das Opfer in den Unbekannten verliebt – und nicht mehr rational denkt.
Betrüger wollte am Anfang 100 Euro von Renate
So lief es auch bei Renate. Der Kontakt zu dem angeblichen UN-Soldaten lief über Monate. Anfang Oktober 2014 erhielt sie auf Facebook eine Freundschaftsanfrage, die sie nach eigener Darstellung wegen einer Namensverwechslung „leichtsinnig“ annahm. In den auf Englisch gehaltenen Gesprächen tischte er ihr Lügengeschichten auf – etwa, dass er 100 Euro für seinen Sohn in Ghana brauche, der im Krankenhaus sei. Sie ging darauf ein und zahlte über einen Anbieter für weltweiten Bargeldtransfer. „Ich weiß nicht, wie es mir passiert ist, aber es ist passiert.“ Die Täter sitzen oft in Nigeria, wie Dirk Hoffmann sagt. Sie seien häufig gut ausgebildet, hätten in dem Land aber keine adäquate Arbeit und gerieten so auf die schiefe Bahn. Die Täter seien in Gruppen organisiert.
Renate und ihr Betrüger schrieben sich auch noch, als dessen Profil auf Facebook verschwand. Die 58-Jährige vermutet, dass er als Betrüger gemeldet und sein Facebook-Konto daher gesperrt wurde. Der Kontakt ging über einen anderen Online-Dienst weiter und endete erst im Januar, nachdem Renate stutzig geworden war. Betreiber von Dating-Plattformen oder auch Facebook versuchen, falsche Profile zu entlarven. „Ein Anhaltspunkt für gefälschte Konten könnte sein, wenn der angegebene Wohnort nicht mit der IP-Adresse zusammenpasst“, erklärt Facebook. „Wir bitten dann den Inhaber des Profils, sich zu authentifizieren, etwa mit seinem Pass. Passiert das nicht, bleibt das Profil gesperrt.“
"Ich habe mich sehr dumm gefühlt"
Die Polizei konnte Renate nicht helfen, wie sie selbst sagt. In ihrem Fall liege eine Bargeldübertragung vor, da sei nichts zu machen. Die Chancen, Täter aus Nigeria oder Ghana fassen zu können, sind gering, wie LKA-Experte Hoffmann einräumt. Renate hat Hilfe über Martina Zielke gefunden – sie betreibt im Internet die Seite Romantikbetrug.com, ein Angebot für Opfer. „Ich habe mich sehr dumm gefühlt“, sagt Renate. Aber: „Es gibt viele, viele Frauen in unterschiedlichen Positionen und in verschiedenen Altersgruppen, auch Männer, die auf so etwas hereinfallen.“
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Wie Sie Betrüger erkennen:
Ein gut aussehender Mann aus der Ölindustrie oder eine schöne Russin, die in einem Waisenhaus arbeitet, will Sie im Internet kennenlernen? Dann sollten Sie laut der Polizeilichen Kriminalprävention für Bund und Länder besser hellhörig werden:
Die Profile von Betrüger-Männern: Sie geben meist vor, gut bezahlte und angesehene Berufe zu haben: Ingenieure, Architekten, Konstrukteure in der Ölbranche, Tierärzte oder auch Computerspezialisten. Ihre Profilbilder zeigen einen gut aussehenden, weißen Mann. Die Bilder sind gestohlen. Auch wenn sie behaupten, in Amerika oder in Europa zu leben – am häufigsten kommen sie aus Westafrika. Das können sie aber gut verbergen, denn sie sprechen entweder perfekt Englisch oder nutzen teuere Übersetzungsprogramme.
Die Profile von Betrüger-Frauen: Sie setzen vor allem auf soziale Hilfsberufe wie Krankenschwestern, Ärztinnen, Waisenhaus-Mitarbeiter oder auch Lehrerinnen. Die Bilder zeigen attraktive Frauen. Die meisten der Betrügerinnen sagen, dass sie aus Russland kommen. Häufig sprechen sie nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch perfekt.
Die Liebes-Masche: Der erste Schritt ist eine Einladung zum Chat. Das Ziel der Betrüger: ein fester Bestandteil des Lebens des Betrogenen zu werden. Sprich: Die Opfer sollen das Gefühl haben, ohne den „neuen Partner“ nicht mehr leben zu können – eine Mail am Morgen, ein kurzes Telefonat am Mittag, stundenlange Gespräche nach Feierabend. Um Geld geht es erst einmal nicht, sondern um Familie, Beruf, Liebe. Dann müssen sie plötzlich ins Ausland. Das Versprechen: Danach kommen sie nach Deutschland.
Was die Liebesschwindler wirklich wollen: Im Ausland kommt es dann plötzlich zu Schwierigkeiten: etwa Überfälle, gestohlene Pässe, ein Autounfall oder Probleme mit der Kreditkarte. Es gibt nur eine Lösung, und die ist immer die Gleiche: per Bargeldtransfer wie über Western Union oder MoneyGram Geld schicken. Sofort. Derzeit haben es die Betrüger vor allem auch auf ausländische Ausweispapiere abgesehen, um angeblich ein gemeinsames Konto zu eröffnen. Die Heiratsschwindler fälschen damit dann Pässe. Häufig wollen sie auch das angebliche Flugticket nach Deutschland bezahlt haben.
Was den Opfern passieren kann: Die Betrogenen können sogar juristische Probleme bekommen. Wer gebeten wird, einen afrikanischen Scheck auf sein Konto einzuzahlen und das Geld dann zurückzuüberweisen, läuft Gefahr, eine Strafanzeige wegen Betrugs zu bekommen.
Was Betrogene tun sollten: Generell sollte Anzeige erstattet werden. Auf der Internetseite „Romantikbetrug“ raten Betroffene zudem: Dem Betrüger auf keinen Fall sagen, dass sie ihn entlarvt haben; die Nachrichten sofort löschen und nicht mehr antworten. Hilfe gibt es auch beim Opferschutzverein Weißer Ring.
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