E-Bike, S-Pedelec, Lastenrad: Was gilt künftig als Fahrrad?
"Das E-Bike wäre von heute auf morgen tot" - so deutlich hat es kürzlich ein Fahrrad-Unternehmer ausgedrückt. Wie bitte? Ist das E-Bike nicht gerade auf dem Höhepunkt der Beliebtheit? Schließlich hat die Corona-Krise den Boom noch mal angeschoben; Anfang 2021 gab es laut Statistischem Bundesamt 7,1 Millionen Elektrofahrräder in Deutschland - 1,2 Millionen mehr als noch Anfang 2020.
Was gilt noch als Fahrrad?
Welches Szenario also meinte der Unternehmer damit genau? Die Aussage fiel im Pressegespräch des Pressedienstes Fahrrad (pd-f), es drehte sich vergangenen Freitag um erste Überlegungen auf EU-Ebene, wie künftig mit neuen Rad-Varianten umzugehen sei. Sprich: Was gilt noch als Fahrrad? Und was schon als Kraftfahrzeug mit erheblich schärferen Vorgaben? Wackelt der Rad-Status des E-Bikes?
Gesetzgebungsprozess dauert wohl noch drei Jahre
Im September hatte es dazu einen ersten Workshop der EU-Kommission gegeben. Im Nachgang erläuterten Experten der Branche nun den aktuellen Stand. Ohnehin ist all das kein Projekt von heute auf morgen - Experten gehen davon aus, dass ein Gesetzgebungsprozess in jedem Fall noch bis zu drei Jahren dauern werde.
E-Bike wird wohl weiterhin als Fahrrad eingestuft
Die gute Nachricht: Beim klassischen E-Bike, das bis zu 25 Kilometer pro Stunde beim Treten unterstützt, scheint eine Status-Änderung vom Tisch zu sein. Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad (pd-f) sagt der AZ: "Die Debatte ist, soweit es das klassische E-Bike angeht, scheinbar geklärt. Studien haben ergeben, dass das E-Bike - rechtlich Pedelec - auch zukünftig weiterhin als Fahrrad eingestuft wird." Der Fahrradstatus sei also nicht in Gefahr - "zumindest bislang".
Begeisterung fürs E-Bike würde sinken
Das teilt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) auf AZ-Nachfrage mit. Geisler fügt aber an: "Wobei man auf EU-Ebene nie weiß, was passiert." Eine neue Einstufung des E-Bikes hätte erhebliche Folgen und dürfte auch die Begeisterung dafür dämpfen - woran Länder wie die Niederlande, Belgien oder Schweden kein Interesse haben können, wollen sie doch den Radverkehr stärken. Und ebenso Länder wie Portugal oder Bulgarien, in denen der E-Bike-Markt laut Geisler ein wichtiger Wirtschaftszweig ist oder gerade wird.
Was, wenn das E-Bike als Kraftfahrzeug gilt?
Theoretisch: Würde das E-Bike nicht mehr als Fahrrad, sondern als Kraftfahrzeug gewertet, dürfte es nicht mehr auf dem Radweg gelenkt werden und auch nicht mehr ohne Helm. Zudem kämen weitere Hürden dazu, die schon für die große Schwester S-Pedelec gelten.
Und genau dieses gehört laut Geisler zu einem von "zwei großen, zukünftigen Themenfeldern", die noch zur Debatte stehen. Das zweite sind Lastenräder. Aber zunächst zum Nischenprodukt S-Pedelec: Anders als das E-Bike kann es bis zu 45 Kilometer pro Stunde beim Treten unterstützen, wie das Polizeipräsidium Oberbayern Nord erklärt. Damit zählt es als Kleinkraftrad.
Das heißt der Polizei-Mitteilung zufolge: "Hier benötigt man ein Versicherungskennzeichen beziehungsweise eine Haftpflichtversicherung, muss mindestens die Fahrerlaubnis der Klasse AM besitzen und 16 Jahre alt sein. Es darf keinesfalls auf Radwegen, sondern ausschließlich auf der Fahrbahn gefahren werden. Außerdem besteht Helmpflicht."
Kompliziertere Nutzung
Die Nutzung ist also deutlich komplizierter als beim E-Bike und es konnte sich dadurch in Deutschland noch nicht breit durchsetzen. Geisler schaut auf die Radwege in anderen Ländern: "Belgien oder die Schweiz erlauben es hingegen und haben damit große Erfolge, S-Pedelecs mehr in den Verkehrsmix zu integrieren. Deshalb ist hier die Debatte, wie man diese Räder künftig besser berücksichtigen kann und ob sie auch als Fahrrad gelten sollten."
So steht es um Lastenräder
Und Lastenräder? Hier geht es darum, "wie man die Räder künftig einordnen kann und ob es unterschiedliche Gruppen gibt", so Geisler. "Hier stehen die Vorschläge im Raum, eine Gruppe bis 250 beziehungsweise 300 Kilo Maximalgewicht einzuteilen und eine weitere bis 550 beziehungsweise 600 Kilo. Letztere wäre allerdings als Fahrrad kaum durchzubringen." Betroffen dürften hier eher gewerbliche Kunden als private sein.
Auch Spezialräder wie dreirädrige Liegeräder stehen zur Debatte, so Geisler. "Hier besteht die Gefahr, dass diese Räder komplett vergessen werden und somit Menschen mit Handicap Probleme bei der Nutzung bekommen könnten."