Den "Coffee to go"-Pappbechern wird der Kampf angesagt

Der Anblick ist mittlerweile vertraut, aber dennoch nicht angenehm: Tausende von Wegwerf-Kaffeebechern zeugen besonders in den Städten vom Siegeszug der „To- Go“-Gastronomie für eilige moderne Zeitgenossen.
von  Ralf Müller
Die Pappbecher sind vor allem Umweltschützern ein Dorn im Auge.
Die Pappbecher sind vor allem Umweltschützern ein Dorn im Auge. © dpa

München - Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) hat sich zum Ziel gesetzt, die Becherflut zu stoppen, die nicht nur ein ästhetisches, sondern vor allem ein massives ökologisches Problem darstellt. Kaffee zum Mitnehmen – eine Geschäftsidee, für deren Folgen, so scheint es, Umwelt und Steuerzahler aufkommen müssen. Im zu Ende gehenden Jahr wurden nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in der Bundesrepublik 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht. Für ihre Herstellung seien 64 000 Tonnen Holz, 1,5 Milliarden Liter Wasser, 11 000 Tonnen Kunststoff sowie eine Energiemenge nötig, mit der sich eine Kleinstadt ein Jahr lang versorgen ließe.

 

Landtags-Grüne: Papp-Tassen sind eine „regelrechte Plage“

 

Mit der Herstellung ist die Belastung von Umwelt und Ressourcen aber noch nicht zu Ende. Beschichtete Einwegbecher mit Plastikdeckel stellen ein erhebliches Volumen dar, so dass öffentliche Abfallbehälter ständig geleert werden müssten, klagt Bayerns Umweltministerin Scharf. Ein Teil der Becher werde ohnehin einfach auf der Straße oder in der freien Natur entsorgt. „Die Plastikbecher und -deckel der To-Go-Fraktion sind eine regelrechte Plage“, weiß der Vorsitzende des Umweltausschusses des bayerischen Landtags Christian Magerl (Grüne). Abhilfe wäre eigentlich recht einfach zu schaffen, wie Weihnachtsmärkte in den vergangenen Wochen erneut vorgemacht haben: Punsch und Glühwein wurden in Tassen oder stabilen Mehrwegbechern ausgeschenkt. Doch was die Kommunen den Veranstaltern von Weihnachtsmärkten und anderen Festivitäten verbindlich vorschreiben können, gilt für die normale Gastronomie nicht.

 

Für „Becherhelden“ gibt es ein grünes Mehrweg-Exemplar

 

Immerhin gibt es inzwischen viele umweltbewusste „Coffee- To-Go“-Liebhaber wie den Sprecher des Arbeitskreises „Abfall und Rohstoffe“ des Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), Hartmut Hoffmann. Nur einmal sei er im letzten Jahr gezwungen gewesen, einen Pappbecher zu akzeptieren, berichtet er – und zwar im Zug. Ansonsten habe man ihm anstandslos den mitgebrachten Mehrwegbecher befüllt.

Die DUH hat für eine im Herbst gestartete Aktion „Becherhelden“ grüne Mehrwegbecher aufgelegt. Doch wie man unschwer feststellen kann, sind die Mehrwegbecher-Helden klar in der Minderheit. Preisvorteile genießen die umweltbewussten „To-Go“-Kaffeetrinker bisher in der Regel nicht und die Industrie fällt ihnen auch noch in den Rücken. So warnte der „Deutsche Kaffeeverband“ unlängst vor der Gefahr der „Verkeimung“ der Schankanlagen durch mitgebrachte Becher. Der Kaffeeverband zog überdies eine angeblich „unabhängige“ Studie der niederländischen Organisation für angewandte Wissenschaft TNO aus der Schublade, der zufolge Einwegbecher „eine weniger große Umweltbelastung darstellen“ als Mehrwegbehältnisse. „Tendenziös und nicht repräsentativ“, sagt die DUH zu der TNO-Studie, die „von verzerrenden Annahmen zu Gunsten der Wegwerfartikel“ ausgehe. Auch Bayerns Umweltministerin Scharf bezweifelt die Überlegenheit der Einwegbecher und plädiert für eine „Trendumkehr“: Wer einen Mehrwegbecher für den Kaffee zum Mitnehmen nutze, leiste bereits einen Beitrag zur Reduzierung des „Konsummülls“.

Mehrweg statt Einweg: Kampf den Coffee-to-go-Bechern

 

Die Kaffeeindustrie wehrt sich gegen eine Abgabe

 

BUND-Abfallexperte Hoffmann glaubt nicht, dass Appelle allein ausreichen. Erfahrungsgemäß erreiche man Verhaltensänderungen nur über den Geldbeutel, meint Hoffmann. Eine Abgabe auf Einwegbecher wäre aber nicht ohne weiteres durchsetzbar, einfacher sei ein Pfand. Ministerin Scharf will es aber erst einmal mit Aufklärung und Information versuchen: „Wir müssen die Köpfe der Menschen erreichen, nicht nur ihre Geldbeutel“. Im Hause Scharf lehnt man „neue Bagatellsteuern“ wegen der damit verbundenen Belastung von Bürgern und Gewerbetreibenden ab. Angesichts der schon erreichten Erfolge beim Recycling wären solche Maßnahmen „nicht angemessen“, so ein Sprecher des Ministeriums. Gegen eine Abgabe hat die Kaffeeindustrie bereits Geschütze aufgefahren: Dann müssten auch alle anderen Einwegverpackungen wie Bäckertüten, Pizzakartons und Imbissschalen erfasst werden. Der Umweltausschuss-Vorsitzende Magerl favorisiert ein Pfandsystem. Dies könne freiwillig oder – wenn dies nicht wirkt – auf politischen Druck hin eingeführt werden.

 

Kommentar von AZ-Redakteur Tobias Wolf

 

Anreize schaffen


An die McDonald’s-Tüten am Straßenrand hat man sich inzwischen gewöhnt. Seit einigen Jahren gesellen sich zunehmend auch Pappbecher hinzu – und vermüllen Gehwege, Parks und Plätze. Kein schöner Anblick. Von den Folgen für die Umwelt ganz zu schweigen. Doch wie kann man dem Saustall Herr werden? Appelle reichen offenbar nicht. Mit einer Abgabe vielleicht? Schwer durchzusetzen. Die Kaffeeindustrie gibt sich bereits kämpferisch und verweist darauf, dass dann sämtliche Einwegverpackungen erfasst werden müssten. Also doch lieber Pfand? Auch das löst das Müll-Problem nicht. Sinn des „To-Go“-Bechers ist ja gerade das Mitnehmen. Welcher Kaffee-Konsument auf dem Weg zur Arbeit läuft schon zurück zum Laden? Warum nicht Anreize schaffen, Kaffee umweltbewusst zu genießen? Wer seinen Muntermacher im Pappbecher kauft, zahlt für den umweltschädlichen Behälter 30 Cent extra. Wer hingegen seinen Mehrwegbecher mitbringt, bekommt den Kaffee zum Normalpreis. Im Supermarkt funktioniert’s bereits. Seitdem in nahezu allen Ketten Plastiktüten etwas kosten, hat sich die Zahl derer, die ihre Einkäufe in Baumwolltaschen oder Körben nach Hause tragen, merklich erhöht.

 

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