Das Blutbad von Tirol: 33 Hirsche im Gatter erschossen

In einem kleinen Ort werden 33 Rotwild-Hirsche erschossen – angeblich zum Schutz vor Seuchen. Doch gegen das brutale Vorgehen gibt es Protest.
von  Klaus Wiendl
Tierschützer machen mit Schildern auf das Wildgatter aufmerksam.
Tierschützer machen mit Schildern auf das Wildgatter aufmerksam. © Gemeinde Kaisers

Kaisers - Kaisers ist ein kleines Bergdorf im Lechtal von Tirol. Doch am Wochenende wurde es Schauplatz eines unsäglichen Wildfrevels. Es ist mit 1.530 Metern die höchstgelegene Gemeinde im Bezirk Reutte und hat 76 Einwohner. Doch diese wurden am Sonntagabend um ihren Schlaf gebracht, als kurz nach 21 Uhr Schüsse zu hören waren.

Einen Tag später heißt es dazu in einer Stellungnahme des Landes Tirol: "33 Stück Rotwild wurden im Rahmen der TBC-Bekämpfung im Wildgatter in Kaisers von erfahrenen Schützen in kürzester Zeit schonend und tierschutzgerecht entnommen."

Der Bürgermeister von Kaisers, Norbert Lorenz, früher selbst Berufsjäger, hat eine andere Wahrnehmung von dem "Gemetzel", wie er sagt. "Nach den ersten Schüssen sind wir sofort zum Wildgatter geeilt". Wenig später habe die "halbe Gemeinde mitansehen müssen, wie sich unter den eingekesselten Tieren im Tötungsgatter Panik breit machte".

Der Bürgermeister Norbert Lorenz sagt: "Das war Chaos pur"

Zwei namentlich nicht bekannte Schützen hätten 33 Stück Rotwild "brutal" getötet, so Lorenz. Die Schießerei habe etwa eine Dreiviertelstunde gedauert. "Das war Chaos pur." Teilweise haben die Tiere laut Lorenz Kieferbrüche und offene Verletzungen beim Fluchtversuch erlitten. Man habe auch die Polizei verständigt. Vergeblich.

Lautstark sei es angesichts der "Dramatik" am "Massentiertötungsgatter" zugegangen. Die Schützen seien angefeindet worden. Zu Handgreiflichkeiten sei es aber nicht gekommen.

Tierschützer sind entsetzt

Da sich die Aufstellung des Tötungsgatters, bei dem die Tiere angefüttert wurden, im Ort herumsprach, stellten Tierschützer noch am Wochenende Schilder auf, die gegen die bevorstehende "Tierentnahme" protestierten. Doch die Behörden zogen ihre Aktion durch. Für die Wildbiologin Christine Miller aus Rottach-Egern ist diese Massentötung unverhältnismäßig. Mit ihrem Verein "Wildes Bayern" kämpft sie schon lange gegen einen solchen Wildfrevel unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung.

Tierschützer machen mit Schildern auf das Wildgatter aufmerksam.
Tierschützer machen mit Schildern auf das Wildgatter aufmerksam. © Gemeinde Kaisers

Denn nach ihren Kenntnissen gebe es bei Messungen der TBC-Prävalenzrate, der Häufigkeit dieser Krankheit bei Rotwild und Rindern, schon seit drei Jahren keine Auffälligkeiten mehr. Eine Ansteckungsgefahr durch das Rotwild liege nur bei etwa zwei Prozent. Diesen Erreger würde man laut Miller in vielen Rotwildpopulationen im Alpenraum finden.

Bürgermeister: Rotwild "einfach zusammengeschossen"

"Seuchentechnisch" habe diese Quote keinen "Einfluss", so die Wildbiologin. Sie und Bürgermeister Lorenz sehen den Grund der Tiertragödien in der Nichterfüllung des Abschussplans von 65 Stück Rotwild für dieses Jagdjahr 2020/21. Da dieser Plan in Kaisers bis 31. Januar aber nicht erfüllt war, wurde ein Tötungsgatter errichtet.

Da am Sonntag die entsprechende Zahl an Rotwild eingekesselt war, wurde es laut Lorenz gegen jedes Waidrecht "einfach zusammengeschossen".

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