Bilder: So sieht Tschernobyls vergessene Stadt heute aus

Tschernobyl - Düster ragt das stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl hinter Prypjat rund 75 Meter hoch in den Himmel der Ukraine. Frisch getünchte Bordsteine und das frühlingshafte Grün der Bäume und Gräser täuschen jedoch. Im Innern der Anlage lodert seit der Katastrophe vom 26. April 1986 ein "ewiges Höllenfeuer": Etwa 200 Tonnen Uran, deren Radioaktivität ein Menschenleben innerhalb kürzester Zeit auslöschen würde. Ein Betonmantel schützt die Umgebung vor dem Strahlengift. Am heutigen Dienstag jährt sich der verheerende Atom-Unfall am Rande Europas zum 30. Mal.
Lesen Sie auch: 30 Jahre nach Tschernobyl - Wie verstrahlt ist Bayern?
Nur einen Steinwurf entfernt arbeiten Experten aus zahlreichen Ländern seit Jahren an einer rund 100 Meter hohen Kuppel aus Stahl. Das bogenförmige Stahlgeflecht ist so riesig, dass der Eiffelturm oder die Freiheitsstatue darunter Platz finden würden. Wenn alles fertig ist, wird die rund 30 000 Tonnen schwere Konstruktion auf Schienen über die alte Schutzhülle geschoben. Etwa 100 Jahre lang soll sie dann vor den strahlenden Trümmern schützen.
"Bei uns fehlte eine Sicherheitskultur", sagt Sergej Paraschin heute. Er war in der folgenschweren Nacht als Vertreter der Kommunistischen Partei im Kraftwerk und wurde später zum Direktor ernannt. Um 1.23 Uhr Ortszeit geriet damals ein Test außer Kontrolle, Reaktor vier explodierte. Der Super-GAU, der größte anzunehmende Unfall, trat ein. Die Detonation wirbelte tagelang radioaktive Teilchen in die Luft, von der damaligen Sowjetrepublik breitete sich die Wolke über Westeuropa aus. Zehntausende mussten die Region verlassen.
Prypjat wurde über Nacht zur Geisterstadt – und zum Museum
Mit ihrem rostenden Riesenrad wirkt die Kulisse der eilig evakuierten Stadt Prypjat bei Tschernobyl heute wie ein Pompeji der atomaren Ära. Seit der Flucht der rund 50.000 Einwohner nach dem Super-GAU ist die frühere sowjetische Mustersiedlung eine Geisterstadt.
Die einst vierspurige Straße mit Flanierstreifen in der Mitte ist auf einer Seite zugewachsen. Von einem Dach grüßt auf Ukrainisch die pazifistische Losung: "Das Atom soll ein Arbeiter sein - und kein Soldat." Verlassen stehen das Hotel "Polissja" und der Kulturpalast "Energetik" daneben.
Lesen Sie auch: Gift im Wildfleisch - Die Sauerei mit der Strahlung
Unübersehbar sind Spuren von Plünderern: ausgerissene Kabel, fehlende Glühbirnen, aufgebrochene Türen. Doch auch die Natur bahnt sich unaufhaltsam ihren Weg. Bäume und Sträucher dringen durch den Asphalt und schießen in die Höhe.
Auf dem früheren Festplatz von Prypjat sind ein Riesenrad, ein Karussell und Auto-Scooter aufgebaut - Vorbereitungen für die Maifeiertage 1986. Sie gingen nie in Betrieb. Die stummen Zeugen von damals rosten seit über einem Vierteljahrhundert in der verstrahlten Umgebung vor sich hin. Auch Hammer und Sichel auf den Dächern der Hochhäuser künden von der vergangenen Zeit.
In unserer Fotostrecke zeigen wir Ihnen, wie Prypjat 30 Jahre nach der Katastrophe aussieht.