Berühmtes Alpendorf in der Schweiz: Müssen Tagesgäste bald Eintritt zahlen?
Zermatt – Sucht man nach Zermatt in sozialen Medien, stößt man auf atemberaubende Gipfel-Fotos vom Matterhorn (4478 Meter) und strahlende Gesichter von Besuchern. Es kann durchaus der Gedanke in einem keimen: In dieses Idyll in der Schweiz will ich auch!
Zermatt im Kanton Wallis selbst wirbt auf seiner Seite so: "Erlebnisse am Fuße der Gletscher, auf grünen Alpweiden, an idyllischen Bergseen. Soll es die unvergessliche Bergtour sein – im Angesicht der höchsten und schönsten Berge der Alpen? Oder der Ausflug auf den bequem erreichbaren Berggipfel?"
Zieht der Ort jetzt die Reißleine?
Und weiter: "Von Zermatt aus können 38 Viertausender erreicht werden. Auf Touren, beim Klettern, bei Überschreitungen, beim Schneesport im höchstgelegenen Skigebiet der Alpen. Der Bergsommer lässt sich auf 100 Arten erleben und genießen."
Man hat dort viel zu bieten, das wird deutlich. Zu viel? Zieht das Angebot so viele Touristen an, dass man jetzt die Reißleine ziehen will? Sprich: Eintritt verlangen wie in Venedig? Das jedenfalls soll der Ort erwägen, heißt es in Medienberichten.
Irgendwer muss geplaudert haben
Die Verwaltung von Zermatt verweist auf AZ-Anfrage an Zermatt Tourismus, dort sei man "vollumfänglich" für die Kommunikation zu diesem Thema zuständig. Eine schriftliche Anfrage an die Stelle bleibt zunächst unbeantwortet.
Man werde mit Anfragen dazu überhäuft, sagt der Sprecher kurz am Telefon und stellt eine Auskunft in Aussicht. Letztlich verstreichen vier weitere Tage. Ohne Auskunft. Warum wird hier gemauert?
Die Verwaltung verweist am Montag nach erneuter Anfrage auf einen Newsletter von Zermatt Tourismus. Darin heißt es: Dass "interne Abklärungen zum entsprechenden Projekt" an die Medien gelangt seien, "hat mit einer bisher ungeklärten Indiskretion zu tun".
Viele Projekte werden geprüft
Es sei ein gängiger Prozess, dass überprüft werde, wie der Tourismus unter Berücksichtigung aller Interessen entwickelt werden könne. Eine Eintrittsgebühr sei eines von vielen Projekten, das geprüft werde.
An weiteren Spekulationen will sich die Region Zermatt/Matterhorn demnach nicht beteiligen. Sollte ein Projekt ausgereift sein, werde die Bevölkerung als Erstes informiert.
Wie der Sender SRF berichtet hatte, soll die Idee sein, dass Tagesgäste, die nicht in Hotels und Ferienwohnungen übernachten und diesen damit keine Einnahmen bringen, Eintritt bezahlen.
Auch ein konkreter Betrag wird genannt: zwölf Franken, das sind 12,75 Euro. Der Betrag würde der Kurtaxe für drei Tage entsprechen. Das Ziel soll auch sein, Tagesgäste damit zum längeren Verweilen zu animieren.
Noch soll nichts entschieden sein
Abgerechnet werden soll über eine App, das Geld sodann in einen Nachhaltigkeitsfonds der Gemeinde fließen. Die Abgabe könnte demnach "Green Tag" heißen, grünes Etikett, so berichtet es der SRF und bezieht sich auf einen zurückliegenden Workshop der Gemeinde- und Tourismusbehörde.
Entschieden sei noch nichts, so der Sender weiter. Aber die Diskussion laufe. Auch dem Sender gegenüber wollte niemand dazu Stellung nehmen, wie weit die Idee schon gereift ist. Der Sprecher von Zermatt-Tourismus habe einzig verlauten lassen, man prüfe immer wieder Maßnahmen.
In Zermatt leben (Stand November 2023) 5733 Menschen. Zum Vergleich: Statista zufolge wurden in der Sommersaison 2022/23 bei der Zermatt Bergbahnen AG rund 592.000 Tageseintritte gezählt, im Winter 1,4 Millionen.
In Venedig tummeln sich immer noch viele Touristen
Venedig hat in diesem Jahr schon den viel beachteten Versuch gegen Overtourism gewagt: Tagestouristen, die nicht in der Lagunenstadt übernachteten, mussten an insgesamt 29 Tagen Eintritt zahlen. Fünf Euro waren es bisher. Nach dem Ende des Testes Mitte Juli hieß es aus Venedig: Ab nächstem Jahr wolle man sogar bis zu zehn Euro verlangen, wenn es in der Stadt an der Adria besonders voll wird.

Mit der neuen Gebühr nahm Venedig mehr als 2,4 Millionen Euro ein. An manchen Tagen wurden mehr als 25.000 zahlende Gäste registriert. Zuverlässige Schätzungen, wie vielen Touristen es gelang, sich vor den fünf Euro zu drücken, gibt es nicht.
Fest steht: Das eigentliche Ziel - den Massentourismus zu begrenzen - wurde nicht erreicht.
Einheimische hängen Zettel mit Hinweisen auf
Die AZ hat sich Anfang Juli selbst ein Bild vor Ort machen können – als Übernachtungsgast wohlgemerkt. Vor dem Markusdom und am Dogenpalast reihte sich schon morgens ein Tourist an den nächsten – ob unter der Woche oder an einem Samstag, an dem bezahlt werden musste.
Auf der Rialto-Brücke drängten sich ebenso viele Urlauber – für ein Selfie mit dem Wahrzeichen Venedigs. Egal zu welcher Tageszeit. Und das, obwohl der Juli als Hitze-Monat in der Lagunenstadt gilt.
Plakate oder Schilder, die auf die Gebühr hinwiesen, sah die AZ keine. Was schon sichtbar wurde: der Grant von so manchem Anwohner. Immer wieder waren kleine Zettel aufgehängt, adressiert an Touris, sinngemäß: "In dieser Gasse ist kein Picknick erlaubt", "Keinen Müll liegen lassen!" oder "Nicht mit den Füßen an der Wand abstützen".
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