"Barbarischer Angriff": 86 Tote bei Anschlag in Ankara

Die Demonstranten wollen für ein Ende der Gewalt in der Türkei auf die Straße gehen. Als sie sich vor dem Bahnhof in Ankara versammeln, explodieren Bomben. Drei Wochen vor Neuwahlen wird die Türkei von einem blutigen Anschlag auf eine Friedensdemo erschüttert.
Istanbul - Bei einem Terroranschlag auf eine regierungskritische Friedensdemonstration in der türkischen Hauptstadt Ankara sind mindestens 86 Menschen getötet worden. 186 seien verletzt worden, teilte der Gesundheitsminister der Türkei mit. Ziel des "abscheulichen Angriffs" am Samstag seien die Demokratie und der Frieden in der Türkei gewesen.
Am Sonntag in drei Wochen sind in der Türkei Neuwahlen für das Parlament angesetzt. Mitte November ist in der Nähe der südtürkischen Stadt Antalya der G20-Gipfel geplant, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen soll.
Zu der Demonstration in Ankara hatten die pro-kurdische Partei HDP und andere regierungskritische Gruppen aufgerufen. Bereits am 20. Juli war es im südtürkischen Suruc zu einem Anschlag auf pro-kurdische Aktivisten mit 34 Toten gekommen; die Bluttat wurde der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zugeschrieben. Kurz danach eskalierte der Konflikt zwischen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Regierung, der seit Juli Hunderte Menschen das Leben kostete.
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Der Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, sprach von einem "barbarischen Angriff" in Ankara und erhob schwere Vorwürfe gegen die islamisch-konservative AKP-Regierung. Die Regierung habe nie die Verantwortlichen für das Blutbad von Suruc und für einen Anschlag zuvor auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurdenmetropole Diyarbakir präsentiert. "Ihr seid Mörder. An Euren Händen klebt Blut."
Laut Innenministerium kam es am Samstag um 10.04 Uhr (Ortszeit/09.04 MESZ) vor dem Hauptbahnhof in Ankara zu mindestens zwei Explosionen. Teilnehmer der Demonstration waren dazu aufgerufen, sich ab 10.00 Uhr am Bahnhof zu versammeln. Die Demonstration sollte um 12.00 Uhr beginnen. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, es gebe unbestätigte Berichte, dass es sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt haben könnte.
Auf Bildern waren nach dem Anschlag Leichen zu sehen, die mit Flaggen und Bannern unter anderem der HDP bedeckt waren. Ein Video zeigt, wie junge Demonstranten tanzen, als hinter ihnen eine der Bomben detoniert. Für den Abend wurde über Twitter zu Demonstrationen in mehreren türkischen Städten aufgerufen.
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Anadolu berichtete, Präsident Recep Tayyip Erdogan sei mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und anderen Kabinettsmitgliedern zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Davutoglu kündigte an, den Wahlkampf für drei Tage auszusetzen.
Bei der Parlamentswahl am 7. Juni war es der HDP als erster pro-kurdischer Partei jemals gelungen, ins Parlament in Ankara einzuziehen. Dadurch verfehlte die AKP die absolute Mehrheit. Nachdem Koalitionsgespräche scheiterten, rief Erdogan für den 1. November Neuwahlen aus. Die Opposition warf Erdogan vor, mit diesen Wahlen eine ausreichende AKP-Mehrheit für ein Verfassungsreferendum erzielen zu wollen. Erdogan will die Verfassung ändern, um ein Präsidialsystem mit sich selber an der Spitze einführen zu können.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Aufklärung des "Terrorangriffs" von Ankara versprochen. "Unsere Regierung arbeitet mit all ihren Einheiten daran, diesen Vorfall aufzuklären", hieß es am Samstag in einer Mitteilung Erdogans. "Ich glaube daran, dass die Täter in kürzester Zeit festgesetzt und der Justiz übergeben werden." Weiter hieß es: "Ich verurteile diesen abscheulichen Angriff zutiefst, dessen Ziel die Einheit, Solidarität und der Frieden unseres Landes gewesen ist."
Erdogan zog eine Parallele zu den Anschlägen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK unter anderem auf türkische Sicherheitskräfte. Zwischen diesen Anschlägen und dem "Terrorangriff" in Ankara bestehe nach Erdogans Worten "überhaupt kein Unterschied".
Medienberichten zufolge wollte die PKK vor der Wahl eine erneute einseitige Waffenruhe ausrufen. Die Regierung kündigte daraufhin an, die Militäreinsätze gegen die PKK würden fortgesetzt.