Alkohol und Drogen? Flüchtlinge belasten Schlepper
Das verheerende Schiffsunglück im Mittelmeer forderte den Tod von etwa 800 Flüchtlingen. Unter den 27 Überlebenden sind auch die beiden Schlepper. Zeugen behaupten: Der Kapitän soll das Schiff betrunken und bekifft in die Katastrophe gesteuert haben.
Catania/Luxemburg - Er steuerte 800 Menschen in den Tod. Die italienische Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag, Navigationsfehler und Beihilfe zu illegaler Einwanderung vor.
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Kurz nach der jüngsten Flüchtlings-Katastrophe auf dem Mittelmeer hat die italienische Polizei den tunesischen Kapitän Mohammed M. (27) und seinen syrischen Steuermann Mahmud B. (25) des gekenterten Flüchtlingsschiffes festgenommen. Sie waren unter den 27 der 28 Überlebenden der Katastrophe, die am späten Montagabend im Hafen der sizilianischen Stadt Catania eintrafen.
Ein Arzt enttarnte den Schlepper
In der Regel erkennen die Einsatzkräfte vor Ort schnell, wenn sich die Schlepper unter die Flüchtlinge mischen. Sie sehen weniger mitgenommen aus und stehen meist etwas außerhalb der anderen Flüchtlings-Gruppe.
Im aktuellen Fall seien Mohammed M. und Mahmud B. von anderen Überlebenden identifiziert worden, sagte der zuständige Staatsanwalt Giovanni Salvi. Auch der Flüchtling aus Bangladesch, der im Krankenhaus von Catania liegt, habe sie auf Fotos erkannt.
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Außerdem soll sich Mohammed M. bei den Angaben zu seiner Person in Widersprüche verstrickt haben. "Man erkannte sofort, dass der Mann lügt. Er hat immer wieder seinen falschen Namen vergessen", sagte der Arzt Giuseppe Pomilla, Ersthelfer auf Sizilien, bei der Daily Mail.
Kapitän war betrunken am Steuer
Einer der Überlebenden behauptete offenbar, dass Mohammed M. betrunken und bekifft gewesen sein soll, bevor er das Schiff in die Katastrophe steuerte. Die italienische Zeitung La Repubblica zitiert den Flüchtling mit dem Satz: „Der Kapitän hatte Wein getrunken. Er war betrunken und hatte Haschisch geraucht.“
Die Überlebenden waren an Bord der "Gregoretti" der italienischen Küstenwache nach Sizilien gebracht worden. Dort empfing sie Verkehrsminister Graziano Delrio.
An Bord des Flüchtlingsschiffs, das in der Nacht zum Sonntag gekentert war, sollen nach Angaben eines Überlebenden bis zu 950 Menschen gewesen sein. 28 wurden gerettet, 24 Leichen wurden geborgen.
Schiffe der Schlepper zerstören?
Als Reaktion auf die jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer will die Europäische Union die Seenothilfe massiv ausweiten. Bei einem Krisentreffen der Außen- und Innenminister am Montag in Luxemburg wurden Pläne für die Verdoppelung der Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon auf den Weg gebracht. Sie sollen den Einsatz von deutlich mehr Schiffen ermöglichen und noch am Donnerstag auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden.
Neben der Ausweitung der Seenotrettung könnten künftig gezielt von Schleppern genutzte Schiffe beschlagnahmt und zerstört werden. Vorbild sei die militärische Anti-Piraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika, sagte der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in Luxemburg bei der Vorstellung eines Zehn-Punkte-Plans. Atalanta begleitet nicht nur zivile Schiffe, sondern zerstörte mehrfach auch Piratenlager.
Bergung und Suche nach Leichen
Die Hoffnung, im Mittelmeer weitere Überlebende der Katastrophe zu finden, schwand am Montag. Der italienischen Küstenwache zufolge war das Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord etwa 70 Seemeilen (130 Kilometer) vor der libyschen Küste gekentert.
Ob das Schiff und die vermutlich Hunderten Leichen geborgen werden können, war unklar. Die Küstenwache erklärte, möglicherweise werde es keine Gewissheit über die Zahl der Toten geben, da das Mittelmeer an der Unglücksstelle sehr tief sei.
Die Flüchtlinge treten nach Berichten von Überlebenden und Helfern die Fahrt über das Mittelmeer oft auf völlig überladenen und nicht seetüchtigen Booten an - bisweilen sogar ohne genügend Treibstoff.
Das Bürgerkriegsland Libyen ist derzeit ein Haupttransitland. Seit Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, rivalisieren in Libyen islamistische Milizen und nationalistische Kräfte gewaltsam um Macht und Einfluss. Es gibt keine funktionierenden Grenzkontrollen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Palermo auf Sizilien warten in Libyen bis zu eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Europa.
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