Zweite Stammstrecke: Kommt jetzt der Baustopp?

Ein Gutachten des Bund Naturschutz sieht einen "kaum messbaren Nutzen" des Tieftunnels – und fordert, die Bagger am Marienhof sofort anzuhalten.
von  Irene Kleber
Noch werden am Marienhof Leitungen verlegt, danach soll der Aushub für die S-Bahn-Röhre starten.
Noch werden am Marienhof Leitungen verlegt, danach soll der Aushub für die S-Bahn-Röhre starten. © Petra Schramek/dpa/AZ

München - Gerade verlegen sie noch Rohre und Leitungen am Marienhof. Im Frühling wollen die Bauarbeiter die viereinhalb Meter hohe Lärmschutzwand aufbauen. Dann kommt der große Aushub 40 Meter in die Tiefe hinunter – für den Tieftunnel zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke, die bis 2026 fertig werden soll.

Nur: Die Stammstreckengegner haben ihren Protest gegen das Projekt noch längst nicht aufgegeben. Am Freitag hat der Bund Naturschutz ein weiteres Gutachten vorgestellt, das die Kosten-Nutzen-Berechnungen des Freistaats unter die Lupe nimmt. Der Kölner Verkehrsplaner Volker Stölting empfiehlt darin: einen sofortigen Baustopp.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Kosten des Tieftunnels nicht viel zu hoch sind, gemessen an seinem Nutzen: 3,84 Milliarden Euro soll die zehn Kilometer lange Trasse (mit Tunnel zwischen Haupt- und Ostbahnhof) einschließlich Risikopuffer kosten. 1,5 Milliarden Euro will der Bund zahlen, der Freistaat 1,3 Milliarden, die Stadt München 160 Millionen und die Bahn 180 Millionen Euro. Das sind 70 Prozent mehr, als noch 2012 geschätzt wurde.

Damals kam bei der Kosten-Nutzen-Rechnung des Freistaats ein Quotient von 1,04 heraus – heißt: Der Nutzen wurde minimal höher bewertet, als die Bau- und Investitionskosten (bei ausgeglichener Rechnung müsste eine glatte "1" herauskommen).

Diese Rechnung stimme aber nicht mehr, mahnte bereits im vergangenen November der Landtagsabgeordnete Michael Piazolo von den Freien Wählern, der ein Gutachten dazu in Auftrag gegeben hatte. Seine Rechenexperten waren auf einen Quotienten von nur noch 0,5 gekommen – damit dürfe das Bauprojekt gar nicht mehr aus Steuermitteln von Bund und Land gefördert werden. Das Zweitgutachten der Naturschützer bestätigt nun diese Rechnung."Einem kaum messbaren Nutzen stehen milliardenschwere Kosten gegenüber", sagt Bund-Geschäftsführer Christian Hierneis, der nun fordert, das Verfahren sofort zu stoppen – und stattdessen für Alternativen wie einen S-Bahn-Ring oder einer Stadt-Umland-Bahn plädiert.

Und es gibt noch mehr Gegenwehr: Für kommende Woche hat die Linke angekündigt, Strafanzeige gegen Freistaat und Bahn wegen der"fehlerhaften" Bewertung zum S-Bahn-Tieftunnel zu stellen. Einzelheiten soll es am Montag geben.

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