ZOB in München: Ein Busbahnhof im Halbschlaf
München - Viel ist nicht los an diesem Vormittag am Zentralen Omnibusbahnhof. Der überdachte Busbahnhof, kurz ZOB, wirkt wie eine leere Tiefgarage. Ein einziger Fernbus des Unternehmens "Flixbus" steht dort und wartet auf die Abfahrt.
Die letzten Passagiere halten dem Busfahrer ihr Handy mit dem Ticketnachweis hin und steigen ein. Es ist still, kaum jemand sagt ein Wort.
Am ZOB geht es ruhig zu
Einzelne Menschen sitzen, teilweise mit großen Koffern, am Rand auf der Bank und warten auf ihre Verbindung. Man kann sie an einer Hand abzählen.
Ähnliches Bild in der Passage über dem Busbahnhof. Ladenreihe rechts, Ladenreihe links. Der Gang dazwischen ist leer. Auch hier wird gewartet.

Die Mitarbeiterin im Zeitungskiosk lehnt am Tresen, die Verkäufer im Dönerimbiss verschränken die Arme. Khoi Nguyen, der Inhaber des Nagelstudios, schlendert gedankenverloren die Passage entlang: "Es ist schlimm, das Geschäft läuft sehr schlecht."
Seine Stammkunden seien vor allem Menschen, die in den umliegenden Büros arbeiten. Doch die kämen nicht mehr. "Wegen Homeoffice vielleicht oder weil sie es sich nicht mehr leisten können, sich die Nägel schön machen zu lassen", vermutet Nguyen.
Ein gutes Mittagsgeschäft sieht anders aus
Ein Passant eilt vorbei, auf seinem Weg zum S-Bahnhof Hackerbrücke schaut er weder nach rechts noch nach links. Nur wenige Menschen kaufen sich im Kiosk Zigaretten oder machen Halt beim McDonald's.
Ein klein wenig besser sieht es zwei Stunden später aus, während der Mittagszeit. Ein paar Schülerinnen und Schüler stehen bei den Imbissen an. Sie wiederum müssen nicht lange warten. Ein gutes Mittagsgeschäft sieht anders aus.
"Das Geschäft ist momentan unberechenbar"
Es fehlen die Busreisenden, es fehlen die Büroangestellten. Wo früher der Laden brummte, stehen sich die Verkäufer nun stundenlang die Beine müde.
So berichtet Adnan Al-Jaf, Mitarbeiter des Dönerimbisses: "Das Geschäft ist momentan unberechenbar. Mal läuft es ein bisschen besser, mal ganz schlecht. Auf jeden Fall ist es sehr schwierig für uns."
Während des Lockdowns hätten sie viele Lebensmittel wegschmeißen müssen. "Uns blieb nichts übrig", bedauert Al-Jaf, "teilweise war gar nichts los."

Derweil regt sich unten bei den Bussen etwas Leben. Zwei Fernbusse stehen in den Parkbuchten. Ein Motor läuft sich schon warm, der Bus fährt nach Kosovo. Fast nur junge Männer, aber auch ein paar wenige Frauen im mittleren und höheren Alter, sitzen drin.
Die Klappen des seitlichen Kofferraums stehen noch offen. Der Stauraum ist gefüllt mit großen Koffern und Taschen, einem Kinderfahrrad und einem Verpackungskarton von einer Tischkreissäge.
Die meisten Reisenden besuchen ihre Familie
"Die meisten hier besuchen ihre Familie", sagt ein Mann. So wie seine Mutter, die er gerade zum Bus bringt.
"Für viele ist der Bus die günstigste Möglichkeit, ihre Familie zu besuchen. Es gibt außerdem auch einige, die haben Flugangst", erklärt Hikmet Kocakelci. Er vertritt das Busunternehmen "Yazicioglu" mit Sitz in der Türkei.
Passagier Ahmet Özbek lebt seit 17 Jahren in Nürnberg. Er ist mit dem Auto nach München gekommen und wird die fast 1.900 Kilometer lange Fahrt nach Istanbul mit dem Bus bestreiten. Auch er besucht Familie.
Vertraute Stimmung vor der Abfahrt
Die Stimmung unter den Busfahrern und den bereits eingetroffenen Passagieren ist vertraut. Es scheinen sich viele zu kennen. "Das ist ein Familienunternehmen und wir sind alle gute Freunde", sagt Özbek. Er kenne die Busfahrer schon seit vielen Jahren.
Zilanb Bayrak gehört auch zur Familie. Die 16-Jährige macht gerade ein Praktikum beim Unternehmen. Ein Paar kommt auf das Mädchen zu, geduldig erklärt sie den beiden etwas auf Türkisch, dann kassiert sie Bargeld und gibt Tickets aus.
"Ich unterstütze unsere Kunden, erkläre und übersetze", sagt sie und macht dabei den Eindruck von einer erwachsenen Frau - selbstsicher und höflich entgegenkommend.
Natürlich habe das Busunternehmen Einbußen gemacht, aber es laufe wieder an. "Am Wochenende ist hier richtig viel los. Besonders in den Ferien", erzählt die junge Frau.
Seit März steigt die Nachfrage
Auch Flixbus berichtet von einer steigenden Nachfrage, seitdem München wieder an das Netz des Busunternehmens angeschlossen ist. Das ist seit dem 25. März der Fall.
Aktuell würden die Münchnerinnen und Münchner wieder verstärkt reisen. 75 Prozent der vor der Pandemie angebotenen Fahrten könnten momentan von den Kunden ab München angetreten werden.
Die beliebtesten Ziele seien Berlin, Stuttgart, Prag und Freiburg. Eine Fahrt nach Berlin gibt es ab 15,99 Euro, nach Stuttgart ab 5,99 Euro.

Regina Neubert hat 5,99 Euro für die Fahrt mit dem Flixbus von Regensburg nach München gezahlt. Auch sie hat Familie besucht, musste dafür aber keine 1.900 Kilometer zurücklegen.
"Sehr günstig, sehr angenehm und die Mitarbeiter sind freundlich, ich finde das eine super Möglichkeit, um zu reisen", berichtet sie von ihrer Fahrt nach München. Heute fährt sie auch wieder mit dem Flixbus zurück.
Die Fernbusse locken mit unschlagbaren Preisen
Jetzt nach dem Lockdown ist für viele Menschen der Fernbus wieder die erste Wahl. Besonders wegen der unschlagbaren Preise. Das Unternehmen Flixbus sieht trotz der Pandemie optimistisch in die Zukunft.
Es werde an alternativen Antrieben gearbeitet. Die ersten Flixbusse mit Biogasantrieb würden momentan an den Start gehen.
So richtig zu spüren ist die steigende Nachfrage an diesem Tag nicht, auch die Ladenbesitzer können sie nicht bestätigen. Doch in der Passage spielen eben auch andere Faktoren eine Rolle. Wie das Homeoffice. Oder das fehlende Nachtleben.
Friseur Renato Maddeloni erinnert sich an bessere Zeiten: "Vor der Pandemie haben sich viele noch die Haare machen lassen, bevor sie in die Disco gegangen sind."
So richtig ist das Leben am ZOB eben noch nicht wieder zurückgekehrt.
- Themen:
- Hackerbrücke
- München