Wuchernde Wiesen: Warum in München bald weniger gemäht wird
München - Was auf den ersten Blick wie ein ungepflegter Streifen Gestrüpp aussieht, ist in Wahrheit das Zuhause vieler Krabbeltiere. Die bisherige Mahd-Politik der Stadt München ist für Käfer, Ameisen, Hummeln und dergleichen eine regelmäßige Abrissbirne gewesen. Denn das Gras am Straßenrand wurde bislang auf drei bis vier Zentimeter heruntergesäbelt - bis zu zwölf Mal im Jahr.
Dass die Stadt jetzt umschwenkt, sei kein Selbstzweck, sagt der Zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) bei einer Pressekonferenz in Bogenhausen: "Es ist für uns als Menschen am Ende sogar überlebenswichtig." 40 Prozent der Insektenarten sind laut Naturschutzbund vom Aussterben bedroht. 90 Prozent aller weltweiten Pflanzen sind von Bestäubern abhängig. "Erst sterben die Bienen, dann sterben die Menschen", sagt die Baureferatsleiterin Jeanne-Marie Ehbauer.
"Ein Quantensprung beim Schutz der Artenvielfalt", sagt Zweiter Bürgermeister Krause
Deshalb soll künftig nur noch zweimal pro Jahr (Juli und Oktober) der Rasenmäher angeschmissen und mit Hilfe spezieller Geräte (sogenannte Balkenmäher und Freischneider) die Pflanzen nur auf acht bis zehn Zentimeter gestutzt werden. Das Mahd-Gut bleibt anschließend mindestens zwölf Stunden liegen, damit die Insekten nicht mitverräumt werden.

Insgesamt soll so 490 Hektar (670 Fußballfelder) zusätzliche Wiese zum Leben entstehen, kündigt Krause stolz an. "Damit verdoppeln wir den Raum, den Insekt en zum Aufenthalt haben." Weiter sagt er: "Die Naturschützer, mit denen ich mich unterhalten habe, haben das als Quantensprung beim Schutz der Artenvielfalt in München bezeichnet." Bis wirklich alle 670 Fußballfelder ein nachhaltiges Zuhause für Krabbler sein können, wird es bis 2026 dauern. Der Grund: Die Stadt hat laufende Verträge mit Firmen, die nur das Werkzeug für das raspelkurze Mähen besitzen. Auf dieses hatten sich die Unternehmen wegen des Wunsches der Stadt, es kurz zu halten, extra spezialisiert, wie ein Mitarbeiter der Stadt der AZ erklärt.
"Keine Angst, auch Sportwagenfahrer werden genügend sehen", sagt Baureferatsleiterin Ehbauer
Damit die Firmen sich umstellen können, habe das Baureferat diese bereits informiert, wie zukünftig die Mahd in München aussehen soll, sagt dazu Florian Hochstätter, der Gartenbauleiter der Stadt. Das ist auch mit der Grund, warum die neue Mähtechnik die Stadt dreimal so viel kostet als die bisherigen zwei Millionen. Die Anbieter seien weniger und mehr mühevolle Handarbeit sei erforderlich, sagt Baureferatsleiterin Ehbauer.
Bislang wurde in Bogenhausen und in Schwabing-West ein Pilotprojekt getestet. Das Ergebnis: Die Artenvielfalt und der Kräuteranteil sind schon jetzt gestiegen. Aus der Bevölkerung habe es "nur positive Rückmeldungen gegeben", sagt Ehbauer. Denn die Veränderung sei sofort für jeden sichtbar. Ein gefährlicher Straßenverkehr wegen des höheren Grases sei jedoch nicht zu befürchten, da an den Kreuzungen sogenannte Sichtdreiecke ausgemäht werden. "Keine Angst, auch die Sportwagenfahrer werden genügend sehen", scherzt sie. In diesem Jahr haben Hadern und Aubing-Lochhausen auf die neue Mahd umgestellt. 2025 sollen weitere zehn Bezirke folgen.
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