Wohnanlagen saniert: Was sich im Harthof in München ändern soll

Was energiepositiv bedeutet, was die EU damit zu tun hat und was die Harthof-Bewohner davon haben, hat sich die AZ vor Ort im Norden von München angeschaut.
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Der stellvertretende Projektleiter Andreas Bärnreuther und die Energieberater Katharina Walter und Moritz Bayer.
Der stellvertretende Projektleiter Andreas Bärnreuther und die Energieberater Katharina Walter und Moritz Bayer. © Sigi Müller

Harthof - Schon auf dem Weg ins Büro hat Moritz Bayer gesehen, dass heute endlich so richtig etwas vorangeht: Ein Arbeiter bringt Solarpaneele mit einer Hebebühne rauf auf ein Dach, dort oben werkeln seine Kollegen. Das Haus steht im Harthof im Norden der Stadt. Das ist kein Viertel, wo die Münchner Aperol Spritz trinkend in der Sonne sitzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte hier möglichst schnell, möglichst günstiger Wohnraum entstehen - für Kriegsflüchtlinge und für Münchner, deren zuhause durch Bomben zerstört wurde.

Heute sind viele der Wohnanlagen stark sanierungsbedürftig. Ein Großteil gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die seit kurzem "Münchner Wohnen" heißt und für die Moritz Bayer arbeitet. Er ist Energieberater und ist ein Mitglied des EU-Projekts "Ascend". Das steht für "Accelerate Positive Clean Energy Districts", was so viel bedeutet wie energiepositive und saubere Quartiere schneller zu entwickeln. Denn genau das soll der Harthof werden: ein energiepositiver Stadtteil. Aber was heißt das überhaupt?

Rot umrandet ist das Projektgebiet im Harthof. Ziel ist, dass auf dieser Fläche mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. 65 Prozent der Wohnungen sind städtisch – und sanierungsbedürftig.
Rot umrandet ist das Projektgebiet im Harthof. Ziel ist, dass auf dieser Fläche mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. 65 Prozent der Wohnungen sind städtisch – und sanierungsbedürftig. © Geodaten-Service München

Um das zu erfahren, hat sich die AZ mit einem kleinen Teil der Projektgruppe getroffen: Neben Moritz Bayer sind da der stellvertretende Leiter des Projekts Andreas Bärnreuther und Katharina Walter. Sie ist auch eine Energieberaterin, aber bei der "Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung" (MGS). Das ist die Gesellschaft, die die Sanierung der Gebäude in München vorantreiben soll.

Harthof in München: Rund 11.000 Menschen wohnen in dem Projektgebiet 

Beteiligt sind an dem Projekt noch weitere Partner: etwa die Technische Universität, Firmen wie Stattauto und Isarwatt und auch die Münchner Stadtwerke. Insgesamt arbeiten 30 Menschen mit. Das Projekt läuft seit 2023. Aber bis jetzt sei es vor allem darum gegangen, die "internen Strukturen" aufzubauen und Pläne vorzubereiten, schildert Andreas Bärnreuther. Ihr Hauptquartier hat sich das Projektteam bei der evangelischen Versöhnungskirche im Harthof neben dem Gemeindesaal eingerichtet. An der Wand hängt ein Luftbild des Quartiers: Rund 56 Hektar ist das Areal groß, rund 11.000 Menschen wohnen hier in rund 5500 Wohnungen. Gut 65 Prozent davon sind städtisch, der Rest gehört privaten Eigentümern.

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Ziel ist, dass hier mehr Energie produziert als verbraucht wird, erklärt  Bärnreuther. Davon soll nicht nur das Klima etwas haben, auch die Bewohner sollen es spüren - nämlich in ihrem Geldbeutel. Mit einer Solar-Anlage auf dem Dach können die Bewohner "Mieterstrom" beziehen. Der sei mindestens zehn Prozent günstiger als ein normaler Tarif, sagt Bärnreuther. Gelingen soll der Wandel hin zum energiepositiven Stadtteil vor allem über den "massiven Ausbau von Photovoltaik", sagt er. Aber nicht nur.

"Innovationen sollen Standard werden"

Idee des Projekts sei vor allem, Neues auszuprobieren und auf andere Quartiere in München und im EU-Konsortium zu übertragen. Neben München sind nämlich noch sieben weitere Städte an Ascend beteiligt. Ein Beispiel: Fassaden-Photovoltaik-Anlagen. Bei neuen Gebäuden sei es kein großes Problem mehr, die Solarpaneele anzubringen. Aber, wenn das Gebäude schon einmal saniert worden ist und eine Dämmung angebracht wurde, sehe es anders aus, erklärt Moritz Bayer. An einem Gebäude im Harthof soll das getestet werden. "Hier gibt es noch fünf bis sechs baugleiche Gebäude, auf die man das dann gegebenenfalls übertragen könnte."

So sieht Fassaden-Photovoltaik aus. Aber im Harthof ist es komplizierter. Das Projektteam will die Probleme lösen.
So sieht Fassaden-Photovoltaik aus. Aber im Harthof ist es komplizierter. Das Projektteam will die Probleme lösen. © Andreas Gebert, LHM

Und es läuft noch ein weiteres Experiment im Harthof: Das Projektteam will herausfinden, wie gut sich die Methode des seriellen Sanierens eignet. Dabei werden, erklärt Bayer, in einem Werk vorgefertigte Teile verwendet - zum Beispiel komplette Fassaden mit Fenstern. "Die Baustelle für eine Modernisierung dauert normalerweise über ein Jahr. Durch serielles Sanieren sollte sie sich deutlich verkürzen", sagt Bayer. Die Belastung für die Mieter wäre dadurch natürlich geringer. Allerdings ist das noch Theorie. Denn momentan sei diese Methode noch teurer. Unter anderem wegen der hohen Qualitätsstandards und weil Erfahrungswerte fehlen. "Unsere Hoffnung ist, dass wir es schaffen, dass die Innovation zur Regel wird", sagt Andreas Bärnreuther.

Auch die privaten Eigentümer sollen mitmachen

Gelingen wird es aber nur, aus dem Harthof einen energiepositiven Stadtteil zu machen, wenn auch die privaten Eigentümer bei diesem Umbau mitmachen. Energieberaterin Katharina Walter hält für sie jeden Dienstag eine "Energiesprechstunde" ab. Mit Eigentümern spricht sie über Fördermöglichkeiten und bietet einen kostenlosen Gebäude-Check an.

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Und auch das Leben der Bewohner in dem Quartier soll sich verändern: Zum Beispiel will das Projekt mehr Ladesäulen für E-Autos schaffen, darunter eine Schnellladesäule. Aus einem Parkplatz soll ein Ort werden, wo die Menschen sich treffen und in der Sonne sitzen können. Auch ein Mikro-Hub soll entstehen. Das sind Postboxen, wohin die Menschen ihre Pakete schicken und dann abholen können, wenn sie Zeit haben - anstatt Lieferfahrzeuge durchs Viertel zu schicken

Insgesamt fünf Millionen Euro aus den Töpfen der EU plus zehn Millionen aus der Kasse des Münchner Rathauses fließen für Ascend. Schließlich hat sich die Stadt vorgenommen, bis 2035 klimaneutral zu werden. Im Harthof soll es schneller gehen: Bis 2027 läuft das Projekt noch. Dann soll der Harthof energiepositiv sein.

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5 Kommentare
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  • Udda am 31.05.2024 10:22 Uhr / Bewertung:

    Soso, mehr Energie erzeugen als verbraucht wird, das nennt man dann physik

  • doket am 31.05.2024 16:41 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Udda

    Wenn die Sonne im Kollektor Strom erzeugt ist es für Sie wahrscheinlich Zauberei, oder halt Ideologie. Ist schon klar.

  • Mobilist am 30.05.2024 14:23 Uhr / Bewertung:

    Sie nennen es Ideologie, andere Lebensgrundlagen. Sie würden Die Häuser verlottern lassen damit sie dann Schrottimmobilien werden.

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