Wird die Stadt zur Einkaufs-Ödnis?

Der Boom, im Internet einzukaufen, ist ungebrochen. Wie Einzelhändler überleben können, darüber diskutieren Experten auf der „Internet World“.
von  Nina Job
Mit vollen Einkaufstaschen kommen immer weniger Kunden aus den Innenstädten heim, denn immer mehr Menschen kaufen online.
Mit vollen Einkaufstaschen kommen immer weniger Kunden aus den Innenstädten heim, denn immer mehr Menschen kaufen online. © dpa

München - "Ich fahre in die Stadt.“ Dieser Satz galt jahrzehntelang als Synonym für einen Einkaufsbummel. „In der Stadt“ suchte man nach etwas Bestimmten, sah sich in verschiedenen Geschäften um, ließ sich ausführlich beraten. Doch dieses Einkaufserlebnis wird offensichtlich seltener.

Immer mehr Deutsche machen es sich zuhause gemütlich und suchen vor dem Bildschirm ihrer PCs oder Laptops nach dem passenden Geschenk, Kleidungsstück, Möbel oder elektronischen Gerät. Sie bestellen per Click und bekommen die Ware wenig später geliefert – bald immer häufiger sogar am selben Tag.

 

Fast jeder achte Euro wird inzwischen online ausgegeben

 

Um 12 Prozent ist der Internethandel im vergangenen Jahr in Deutschland gewachsen. „Fast jeder achte Euro wird online ausgegeben“, meldete der Branchendienst bevh kürzlich. Das Plus im gesamten Einzelhandel lag 2015 dagegen gerade mal bei 3 Prozent.

Viele Einzelhändler leiden unter der Online-Konkurrenz – erst recht in strukturschwachen Gegenden, aber auch in München. Wie können die Händler ein Massen-Sterben verhindern?

Branchenkenner gehen davon aus, dass künftig nur noch die Geschäfte in den Innenstädten überleben werden, die auch online verkaufen. Doch wie können sie sich gegenüber Branchen-Riesen wie Amazon oder Zalando behaupten? Darüber diskutierten gestern auf der E-Commerce Messe „Internet World“ vier Experten aus München: Bernd Ohlmann, der Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern, Michaela Pichlbauer, Vorständin der Rid Stiftung (Betten Rid), Viktor Ronkin vom Onlineshop Bartu (Schuhe) und Ben Rodrian, der die Vermarktung der Digitalplattform Yatego Local, leitet.

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Wer heutzutage noch eine „Online-Allergie“ habe, werde vom Markt verschwinden, ist Bernd Ohlmann vom Handelsverband überzeugt. „Es gibt immer noch Händler, die mich ansprechen, ob man nicht etwas gegen das Internet machen könnte“, erzählte er gestern vor etwa 100 Messegästen im „Kaminzimmer“ in Halle B5.

Seine nüchterne Antwort dazu: „Entweder man passt sich an, oder man verschwindet vom Markt.“ Der Kunde von heute sei bestens informiert, sogar oft besser als der Verkäufer. „Man sollte an die Verkäufer auch Tablets ausgeben, damit sie den Kunden ‘abholen’ können und man sich gemeinsam online informiert“, meint Pohlmann.

Damit der Einzelhandel attraktiv bliebe, müssten aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. „Und dazu gehören ausreichend Parkplätze.“

 

Es muss ein Mix aus guten Rahmenbedingungen und attraktivem Online-Angebot sein

 

Ben Rodrian, der – unter anderem – in Regensburg ein regionales Online-Portal für derzeit 1300 Händler vermarktet, plädiert für regionale, flächendeckende Online-Plattformen mit niedrigem Einstiegsrisiko. „Schließt euch zusammen! Gemeinsam sind wir stark – auch im Netz“, appelliert er an die Händler. In Regensburg würde das Angebot rege genutzt – häufig sogar von unterwegs. „52 Prozent der Zugriffe kommen über Mobiltelefone.“

Einkaufsportale, auf denen sich Händler aus ganz Deutschland tummeln, hält er nicht für notwendig. „Der Kunde will durchaus regional kaufen.“ Als verpasste Chance sieht er es an, dass sich die Kommunen auf dem Gebiet nicht engagieren. „Die haben viel verschlafen. Das sieht man schon an deren Online-Auftritten, die oft noch von 2002/2003 sind.“

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Anderer Meinung ist Viktor Ronkin, der den Online-Shop von Bartu verantwortet: „Jeder Händler ist in erste Linie für seine lokale Online-Sichtbarkeit selbst verantwortlich. Lokale Zusammenschlüsse sind nur als Zusatzoptionen neben der Google-Optimierung zu sehen.“ Er ist überzeugt davon, dass die Händler ihre Nische finden müssen, um erfolgreich zu sein. „Wir treffen eine Vorauswahl für unsere Kunden.“

Michaela Piehlbauer, Vorständin der Rid Stiftung (Ziel: Förderung des mittelständischen Führungsnachwuchses), setzt auf exzellente Beratung im Geschäft. „Es muss Ziel eines jeden Mitarbeiters sein, dass ein Kunde zufrieden wieder rausgeht.“ Auch müsse der Einkauf ein Erlebnis sein. Aber der Online-Verkauf gehört für sie ebenfalls dazu. „Unsere Kunden wollen beides.“

 

 

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