Wird die Philharmonie abgerissen?
Jüngster Vorschlag: Ein neuer Konzertsaal könnte auf dem Areal der alten Philharmonie entstehen. Die Reaktionen reichen von sehr skeptisch bis total ablehnend. Seehofer und Reiter treffen sich am Montag.
München Zuletzt hatte sich Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter zu Wort gemeldet. Ohne neues Konzerthaus würde München auf Dauer hinter Städte wie Dortmund, die sich ein solches geleistet haben, zurückfallen, sagte die Musikerin.
München hinter Dortmund, das geht gar nicht. Weder im Fußball noch in Sachen Konzertbetrieb. Aber neue Konzerthäuser wie das in Dortmund seien akustisch deutlich besser, böten den Konzertbesuchern ganz neue „Musik-Erlebniswelten“. München sei da bereits nur noch 2.Liga.
Favorisiert wird jetzt von Ministerpräsident Horst Seehofer nach Informationen der „SZ“ eine ganz neue Konzertsaal-Variante: Neubau ja, aber auf dem Gelände der alten Philharmonie, die dann natürlich abgerissen würde. Das würde allerdings Kosten von über 400 Millionen Euro für den Neubau bedeuten, ohne dass die Kapazitätsprobleme für die beiden großen Orchester der Stadt gelöst wären. Und: Während der jahrelangen Bauzeit wäre das Kulturleben der Stadt stark eingeschränkt, da der Konzertsaal im Gasteig ja komplett ausfalle.
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Der neue Vorschlag reizt Ex-Kunstminister Heubisch (FDP) zum Lachen. Der Münchner Stadtrat hatte sich in seiner Ministerzeit bereits für einen zusätzlichen Konzertsaal auf der Museumsinsel stark gemacht. Die Notwendigkeit dafür habe man doch „x-fach nachgewiesen“, so Heubisch.
Werden sich Reiter und Seehofer dennoch auf die Abriss- und-Neubau-Variante festlegen? Ein neues Haus könnte zwar so die geforderte Klang-Erlebniswelt herstellen. Die Platzprobleme aber blieben.
Nicht nur Heubisch ist sehr skeptisch. Dem Vorsitzenden des Münchner Konzertsaal-Vereins Manfred Wutzlhofer macht laut BR vor allem die drei- bis fünfjährige Bauzeit Kopfschmerzen. Sie würde München aus der Spitzengruppe der Konzert-Standorte irreparabel hinauswerfen.
Damit steht er nicht alleine. „Man kann nicht mit dem Konzertbetrieb aufhören und glauben, in ein paar Jahren einfach wieder anfangen zu können“, sagt Konzertveranstalter Andreas Schessl (MünchenMusik) im AZ-Gespräch.
„Dieser Vorschlag vereint alle Nachteile der bisher diskutierten Varianten“, findet Schessl. Weder den Philharmonikern noch dem BR-Orchester, geschweige den privaten Veranstaltern wäre damit gedient. Das hätten auch zwei Experten-Gutachten belegt. Seine Alternative: Erst wenn ein Neubau steht, den Gasteig sanieren.
Ins gleiche kritische Horn stößt auch Nikolaus Pont, Manager des Symphonieorchesters des BR. Statt wirklich zu helfen, würde der neue Vorschlag die Möglichkeiten aller Beteiligten einschränken. Er sorgt sich – wie Schessl auch – um die vielen Abonnenten. Aber auch um die Entwicklung des Orchesters und das Jugendprogramm.
Gekämpft wird jetzt seit über einer Dekade. Als Standorte für einen neuen Konzertsaal waren die Museumsinsel und der Finanzgarten mit dem „Neuen Odeon“ im Gespräch. Ist das alles jetzt Makulatur?
Neuer Standort, Neubau auf dem Gasteig-Areal oder doch Generalsanierung – für die Vertreter der Stadt scheint noch alles offen. Kultur-Bürgermeister Josef Schmid (CSU): „Das müssen Horst Seehofer und Dieter Reiter entscheiden.“
Für Reiter selbst, so Sprecherin Petra Leimer-Kastan, ist unabhängig von den diskutierten Varianten jetzt nur wichtig, dass sich der Freistaat in Sachen Finanzierung positioniert.