Wiesn-Zelte: Hippodrom runter, Marstall rauf

Siegfried Able bekommt das Wiesn-Zelt, das Sepp Krätz verloren hat. Bald-OB Reiter sagt, der Vorwurf der Mauschelei sei damit entkräftet.
Julia Lenders |
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Gestern demonstrierten die Mitarbeiter des Hippodroms auf dem Frühlingsfest. Sie haben für den Erhalt des Traditionszelts gekämpft — und verloren. Rechts: Ein Herz für die Wiesn: Siegfried Able mit Tochter Verena und Ehefrau Sabine beim Starkbieranstich im Löwenbräukeller.
Gregor Feindt Gestern demonstrierten die Mitarbeiter des Hippodroms auf dem Frühlingsfest. Sie haben für den Erhalt des Traditionszelts gekämpft — und verloren. Rechts: Ein Herz für die Wiesn: Siegfried Able mit Tochter Verena und Ehefrau Sabine beim Starkbieranstich im Löwenbräukeller.

Siegfried Able bekommt das Wiesn-Zelt, das Sepp Krätz verloren hat. Bald-OB Reiter sagt, der Vorwurf der Mauschelei sei damit entkräftet

München - Zwei Stunden diskutierten die Stadträte hinter verschlossenen Türen, dann stand die Entscheidung fest: Siegfried Able (49) und seine Frau Sabine dürfen auf dem Oktoberfest Sepp Krätz beerben – der ist als verurteilter Steuersünder sein Hippodrom-Zelt los.

Wer ist Siegfried Able? Zu seinen Betrieben gehören unter anderem der Biergarten am Lerchenauer See, drei Gastro-Einrichtungen im Tierpark Hellabrunn und im Winter der Eiszauber am Stachus. Auf der Wiesn war Able mit mehreren Standln und seit 2008 auch mit einem kleinen Wiesn-Zelt vertreten: der Kalbs-Kuchl.

Dass er sich dafür heuer gar nicht erst beworben hatte, heizte in den vergangenen Tagen die Gerüchteküche an. War sich einer da schon sicher, dass es mit einem großen Festzelt klappt? Darüber wurde hinter vorgehaltener Hand viel getuschelt.

Wie kam es zu der Entscheidung? Seit 1980 werden die eingereichten Bewerbungen nach einem speziellen geheimen Punktesystem vergeben. Danach landete Able in der Rangfolge auf Anhieb auf Platz 2 der Bewerber – noch vor traditionsreichen Institutionen wie der Fischer-Vroni oder der Schottenhamel-Festhalle.

Besonders knapp war es heuer fürs Weinzelt – Wirtefamilie Kuffler landete auf dem fünften und damit dem letztmöglichen Platz. Das ließ selbst Stadträte stutzig werden. Plötzlich stand die Frage im Raum: Hat Able wertvolle Tipps erhalten, um eine passgenaue Bewerbung abzuliefern? Öffentlich aussprechen wollte diesen Verdacht aber niemand.

Wie lief die Stadtrats-Sitzung ab? Mehrere Stadträte beschreiben, die Diskussion sei sehr sachlich verlaufen. Am Schluss stimmte eine klare Mehrheit für die vom Wirtschaftsreferat vorgeschlagenen Zulassungen – und damit für Able. Die CSU allerdings stellte sich dagegen (mit Ausnahme von Mario Schmidbauer).

Wobei CSU-Stadtrat Manuel Pretzl auf AZ–Anfrage erklärte: „Das richtet sich nicht gegen den Wirt.“ Vielmehr habe die CSU vergeblich um eine Vertagung des Themas gebeten, weil sie noch Diskussionsbedarf sah.

Was sagt der bisherige Wiesn-Chef und Bald-OB Dieter Reiter dazu? Er zeigte sich nach der Sitzung zufrieden. Die Verwaltung habe es geschafft, alle Fragen zu beantworten und habe „den im Raum stehenden Vorwurf der Mauschelei“ ausräumen können.

Das Punktesystem sei sachgerecht angewandt worden. „Wenn das Ergebnis nicht gefällt, muss man sich über die zugrunde gelegten Kriterien Gedanken machen“, meint Reiter. Wenn es eine Möglichkeit gebe, die Transparenz zu verbessern, ohne die Bewerber zu beschädigen, „dann bin ich dabei“.

Was taugt das Punktesystem? Diese Frage stellt sich jetzt. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl sagt: „Wahrscheinlich muss man sich darüber unterhalten, ob das im Fall von Gastronomie die richtige Mischung aus verschiedenen Ansprüchen ist, die man hat.“

Konkreter wird CSU-Mann Pretzl: „Bei den Kriterien hätte das Thema Historie und Tradition eine größere Rolle spielen sollen.“

Was wird aus dem Hippodrom? Able will sein neues Zelt „Marstall“ nennen. Der Name Hippodrom verschwindet von der Wiesn – und damit auch ein Stück Tradition: Ein Hippodrom, früher mal eine Wirtsbude mit Pferdereitbahn, gab es dort bereits seit 1902. Zwei weibliche Fans des Festzelts hatten gestern noch vor der entscheidenden Stadtratssitzung versucht, OB Christian Ude eine Petition zu überreichen – fast 7000 Menschen hatten sich im Internet für den Erhalt des Hippodroms ausgesprochen.

Vergeblich. Auch der Protest von Hippo-Mitarbeitern auf dem Frühlingsfest richtete nichts aus. Es hätte Bewerber gegeben, die das Hippodrom gerne in seiner bisherigen Form weitergeführt hätten – zum Beispiel Ables Konkurrent Lorenz Stiftl (Spöckmeier). Der dürfte sich angesichts der Einnahmen, die er jetzt verpasst, arg ärgern. Im Hippodrom nahm Krätz 2013 angeblich 3,1 Millionen ein, 2012, so gab er vor Gericht an, waren es noch 200000 Euro mehr – also 3,3 Millionen. Vor Steuern.

Lesen Sie hier: So reagieren die Wiesn-Festwirte auf die Entscheidung

 

 

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