Wiesn-Attentat: Neue Ermittlungen!

34 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat kommt wieder Fahrt in die Ermittlungen. Ein V-Mann wird wegen Mordes angezeigt
München - Am 23. Januar zieht das Trauma vom Oktoberfest-Anschlag im Jahr 1980 in den Kinosaal ein. „Der blinde Fleck“ heißt der Film von Daniel Harrich, der aus dem schlimmsten Terror-Anschlag in der deutschen Nachkriegsgeschichte einen Politthriller mit bedrückender Realitätsnähe machte.
Zur AZ sagte der Regisseur: „Die Aufarbeitung dieses Themas war dringend nötig. Zu viele Fragen sind damals offen geblieben.“
Die offenen Fragen, die bei den Arbeiten zu dem Film angestoßen wurden, haben erstaunliche Reaktionen ausgelöst. Rechtsanwalt Werner Dietrich, der die Opfer-Familien vertritt und sich unermüdlich für eine restlose Aufklärung der Hintergründe einsetzt, darf plötzlich alle Ermittlungsakten einsehen, was ihm Jahrzehnte lang verweigert wurde.
Selbst beim BND (Bundesnachrichtendienst) gestattete man ihm ungewöhnlich offene Einblicke in Aktenmaterial.
Lesen Sie hier: "Mein Vater baute die Bombe fürs Oktoberfest-Attentat"
Aufgeschreckt durch die Aktivitäten rings um die Filmproduktion wurde ganz offensichtlich auch Karl-Heinz Hoffmann. Er und seine längst verbotene rechtsextremistische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ kommen in dem Film schlecht weg. Immer wieder wurde in den Medien bereits thematisiert, ob nicht der schnauzbärtige Rechtsradikale und seine „Jünger“ ganz tief in das Wiesn-Attentat verstrickt sein könnte.
Davon will Hoffmann, gegen den eine Zeitlang strafrechtlich ergebnislos ermittelt wurde, nichts wissen. Ganz im Gegenteil. Auf seiner Homepage beteuert er, selbst an der Aufklärung interessiert zu sein. Zum Beweis für seine zweifelhafte Beflissenheit hat er jetzt gegen einen früheren V-Mann des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Anzeige wegen gemeinschaftlichen Mordes gestellt.
Das bestätigte der Leiter der Bamberger Staatsanwaltschaft, die sich allerdings nicht für zuständig erklärte – und die Anzeige an die Kollegen in München weiterleiten will.
Der V-Mann, der von Karl-Heinz Hoffmann angezeigt wurde, heißt Ulrich Behle und trat in Zusammenhang mit dem Anschlag schon einmal ins Rampenlicht. Das war wenige Wochen nach der Explosion (13 Tote, über 200 Verletzte) auf der Theresienwiese, rund 3000 Kilometer entfernt in einem Hotel in Damaskus.
Dort prahlte er, wie sich Zeugen bei Vernehmungen genau erinnern konnten, mit seiner Beteiligung an dem Münchner Anschlag. Er sprach damals von „wir“, konnte sich später vor Gericht jedoch nicht mehr daran erinnern.
Weiß Hoffmann vielleicht doch mehr?
Der Journalist Ulrich Chaussy recherchiert seit über 30 Jahren in dem Fall. Seine auch in Buchform bereits veröffentlichte Einschätzung, dass hinter dem Attentat nicht der Geologiestudent Gundolf Köhler als Einzeltäter stecke, sondern ein kaum durchschaubares Geflecht von rechten und geheimdienstlichen Stellen wesentlich wahrscheinlicher sei, ist auch die Fahrtrichtung von "Der blinde Fleck".
Wo die Reise enden könnte, wurde am Mittwochabend in der Sendung "kontrovers" (BR) angerissen. Gezeigt wurden Akten aus dem BND-Archiv, aus denen hervorgeht, dass Hoffmann und seine Truppe gleichzeitig mit italienischen Faschisten in einem Trainingslager im Libanon waren - Gelegenheit um Attentate gemeinsam zu planen oder durchzuführen?
Diese Frage ist deshalb interessant, weil immer wieder die Vermutung geäußert wurde, dass die kurz hintereinander erfolgten Bombenanschläge in Bologna (86 Tote, über 200 Verletzte) und München zusammenhängen könnten.
In dem Zusammenhang fiel auch wieder das Stichwort „Gladio“, eine Geheimorganisation, die von westlichen Geheimdiensten zu Zeiten des Kalten Krieges installiert und für Sabotageakte vorgesehen war. Lange wurde ihre Existenz geleugnet, jetzt rückt sie wieder in den Mittelpunkt.