Wie sich München gegen den Terror aufstellt

München - Anis Amri ist nicht nur der Name des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters. Es ist auch ein Begriff, der in Bayerns Sicherheitsbehörden sehr präsent ist. Der Begriff steht dafür, was nicht mehr passieren darf: ein Anschlag eines Mannes, der an vielen Stellen in Deutschland schon als gefährlich aufgefallen war, dem man aber doch nicht Herr werden konnte.
"Ein Anis Amri wäre heute mit Bayern-Bezug nicht mehr möglich", sagt Georg Freutsmiedl bestimmt. Er leitet die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET). Als die AZ die obersten Terroristenjäger der bayerischen Justiz gemeinsam mit Justizminister Georg Eisenreich (CSU) in der Nähe des Hauptbahnhofs besucht, nennt Freutsmiedl als Kernaufgabe: "Wir haben aus Anis Amri gelernt, ein Anis Amri soll nicht mehr passieren."
Deshalb laufen in der ZET seit 2017 zum Beispiel alle Ermittlungsverfahren gegen sogenannte Gefährder zusammen, gegen Menschen also, denen die Behörden schwerste Straftaten aus politischen Gründen zutrauen. "Wir werden bei jeder kleinsten Anzeige informiert, unsere Staatsanwälte sind sieben Tage die Woche 24 Stunden erreichbar", betont der ZET-Chef. "Wenn einer irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern einen Ladendiebstahl begeht – wir wissen das sofort!"
Gefährder: "Der Staat schaut genau hin"
Freutsmiedl zeigt eine Batterie, die in München beim mutmaßlichen Islamisten Nidal A. gefunden wurde. Die Polizei stellte bei der Durchsuchung im September 2017 unter anderem auch Schwefelsäure, Metallkugeln, Feuerwerkskörper, Werkzeug sicher – und eine handschriftliche Anleitung zum Bombenbau. A. steht in München derzeit vor Gericht, das Urteil wird bald erwartet. Für Freutsmiedl ist die Festnahme ein großer Erfolg gewesen – der zeigt, warum die Sicherheitsbehörden vermehrte Kompetenzen brauchen. Nidal A. war der erste Gefährder, gegen den Gewahrsamhaft verhängt wurde – vier Tage lang, bevor schließlich der Haftbefehl vorlag. "Manchmal brauchen wir noch Zeit, um nachzuweisen, was konkret geplant ist", sagt der ZET-Chef. "Sonst hätte er vier Tage länger Zeit gehabt, um abzutauchen..."

Justizminister Eisenreich lobt, die beste Straftat sei doch die, die der Staat verhindern könne. "Bei Gefährdern schauen wir deshalb genau hin." Das bayerische Gefährdermanagement beinhalte eine "enge Vernetzung der Behörden". Der Minister: "Gefährder sind erfasst und können von der Polizei schnell erkannt werden." Man wolle als Staat auch das Signal setzen: "Der Rechtsstaat passt auf und greift durch." Deshalb verfolge man auch Kleindelikte bei Gefährdern konsequent.

Islamismus: Behörden haben IS-Rückkehrer im Blick
Ausreisen, um sich vom IS schulen zu lassen, stellen die Behörden in Bayern kaum noch fest. "Das gibt es fast nicht mehr", sagt Georg Freutsmiedl. "Aber es gibt Menschen, die noch im Nahen Osten sind und möglicherweise nach Deutschland zurückkehren wollen." Darunter seien auch viele Frauen. "Und Kinder, die vom IS erzogen wurden."
Rechtsradikalismus: Neonazis konsequent verfolgen
Georg Eisenreich legt besonderen Wert darauf, dass in Bayern auch Neonazis konsequent verfolgt werden. Der Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke habe Rechtsextremismus in "einer neuen Dimension" gezeigt, warnt er. Die Ermittler in Bayern müssten auch nachforschen, "wenn die rechtsextremistischen Hintergründe einer Tat nicht offensichtlich sind", sagt er. Aus dem rechtsradikalen Bereich gab es Ende Juni bundesweit 39 Gefährder, in Bayern wurden vier Personen so eingestuft. Auch hier habe sich die beharrliche Ansprache durch die Behörden gelohnt, heißt es beim Termin in der ZET. "Zwei von den vier sitzen in Haft", sagt der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft, Reinhard Röttle, stolz. "Wir treten denen in Bayern sehr auf die Füße. Der dritte zieht jetzt weg, der vierte hat seine Tätigkeiten nach Norddeutschland verlagert."
Hass im Internet: Härtere Strafen gefordert
"Aus Worten können Taten werden", sagt Justizminister Eisenreich. "Um Taten zu verhindern, müssen wir bei der Bekämpfung von Hass und Hetze anfangen." Hass im Internet müsse "schärfer bestraft werden", fordert er. "Die Hetze ist enthemmter, erreicht mehr Menschen und ist praktisch nicht mehr aus der Welt zu bekommen." Eisenreich will Medienhäusern die Möglichkeit geben, "auf kurzem Wege mögliche straftbare Hassreden noch bevor sie sie löschen, den Staatsanwaltschaften zu schicken." Und: Wer ins Ausland reise und von dort hetze, dürfe in Deutschland auch nicht mehr straflos davonkommen. Wie es aussieht, wird den Münchner ZET-Ermittlern die Arbeit nicht ausgehen. Alles, damit es in Bayern keinen Anis Amri geben kann.
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