Wie ein vierköpfiges Team einen feministischen Buchladen in München wiederbelebt
München - Es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Das zeigt das Mobiliar, das zeigt der viereckige Büchertisch in der Mitte der Ladenfläche. "Das ist mein alter Küchentisch, da haben wir Rollen dran geschraubt, dass wir ihn für Veranstaltungen wegschieben können", sagt Johanna Hopp.
Die 32-Jährige mit der Elefanten-Brosche und den hochgesteckten Haaren führt an Tag drei nach der Eröffnung durch den kleinen Buchladen in der Maxvorstadt. Eine Kuration aus Selbstgebautem, Möbel von Ebay-Kleinanzeigen und schicken bunten Buchcovern.
Die Leiterin des Buchladens arbeitet als Dozentin an der Technischen Universität in München
Der schlanke Tresen ist aus Hunderten Büchern, mit einer Holzoberfläche. "Die Idee hatte Nadine und dann saßen wir alle hier und haben geklebt und geschraubt", sagt die frisch-dekorierte Buchhändlerin. Im sonstigen Berufsleben promoviert sie und arbeitet als Dozentin an der Technischen Universität (TU).
"Keiner von uns hat gedacht, dass wir mal Bücher verkaufen", sagt Johanna Hopp. Denn sie leiten den Buchladen im Team. Außer Hopp sind das noch Nadine Osbild, Anne Kristin Kristiansen und Sebastian Pfotenhauer.
Sie wollten nicht hinnehmen, dass Deutschlands erster Frauenbuchladen schließt
Sie haben sich zusammengeschlossen, weil sie nicht hinnehmen wollten, dass Deutschlands erster Frauenbuchladen schließt. Ein Ort, der ab 1972 eine zentrale Rolle in der Münchner Frauenbewegung spielte. Im August folgte der Generationenwechsel.
Nach drei Monaten Konzeptarbeit und eigenhändigem Umbau öffnet der Buchladen frisch renoviert und mit neuem Sortiment seine Ladentüre wieder, als querfeministischer Buchladen namens "Glitch".

Geführt vom vierköpfigen Gründungsteam und dem "Buchladenkollektiv", einer Gruppe von bisher 25 Menschen, die das Projekt unterstützen. Wie die Gründer selbst arbeiten sie ehrenamtlich mit und - bestellen, beraten und stehen abwechselnd mit hinter dem Tresen.
Die weißen Regale an den Wänden sind auf pinkem Tape handschriftlich beschriftet. Mit Labels wie "Feministische Theorie", "Intersektional" oder "Männlichkeit (überwinden)". Bei der Eröffnungsparty am vorvergangenen Samstag standen die Leute von Mittag bis 20 Uhr am Abend dicht an dicht bei Prosecco und Kaffee zusammen.
Themen wie Rassismus, Queerfeindlichkeit und Ableismus sollen diskutiert werden
Unter den Besuchern auch ein lesbisches Paar, beide über 90 Jahre alt und Stammkundinnen der Vorgängerbuchhandlung. "Wir waren so happy mit dem Tag und was für unterschiedliche Leute da waren", sagt Hopp. Am Abend waren die Hälfte der Regale leer.
Aber "das ist echt faszinierend", man könne bis 17 Uhr Bücher nachbestellen, die dann am nächsten morgen per Kurier noch vor Ladenöffnung geliefert werden.

Die vier Glitch-Gründer, ein Team zwischen 30 und 43 Jahren, begeistern sich für Feminismus, wollen dabei aber bewusst auch Klassenfragen, andere Marginalisierungsformen, wie Rassismus, Queerfeindlichkeit und Ableismus mitdenken. Sie haben sich schon vor der Buchladen-Rettung bei ihrer Arbeit an der Universität kennengelernt und sind ehemalige Kundinnen und Kunden von Lillemores Frauenbuchladen.
Die Schichten im Buchladen und die Organisation kommt on top zu ihren Jobs an der Uni. Sie wechseln sich ab, immer steht jemand anderes gemeinsam mit einem der freiwilligen Helfer und Helferinnen im Laden.
Johanna Hopp hat heute ihre aller erste Schicht gemeinsam mit Paula Bongratz. "Ich mach das, weil ich wichtig finde, das es so einen Ort gibt und weil man dabei die Chance hat, super-viel dazu zu lernen", sagt die ehrenamtliche Unterstützerin. Seit 11 Uhr morgens versucht sie, Routine am neuen Kassensystem zu bekommen.
Der Vorgänger-Buchladen war ein zentraler Ort für die Münchner Frauenbewegung
Knappe drei Monate hat es von der Idee bis zur Eröffnung gedauert. "Der Buchladen soll ein Ort sein, wo sich alle wohlfühlen, gemeinsam Kaffee getrunken und diskutiert wird", sagt Johanna Hopp.
Der Vorgänger-Frauenbuchladen sei gerade in den 70er und 80er Jahren ein zentraler Ort für die Münchner Frauenbewegung gewesen. Und zusätzlich ein Schutzraum für Betroffene von häuslicher Gewalt oder Frauen in Trennung mit finanziellen Sorgen.

Im Vergleich gäbe es heute deutlich mehr Hilfsangebote für Frauen. Dennoch sei es den Gründern wichtig, mit Glitch einen gewissen "SafeSpace" für die Besucherinnen und Besucher zur Verfügung zu stellen. Ein Ort, an dem jeder so sein darf, wie er möchte. Und an dem sich niemand aufgrund seines Aussehens oder Verhaltens beurteilt fühlt, sagt Hopp.
"Ich werde selbst auch mal ein falsches Buch bestellen oder jemandem mit falschen Pronomen ansprechen", sagt Hopp. Aber dass echter Diskurs entstehen könne, brauche es einen großzügigen Umgang mit Fehlern und ein gewisses Wohlwollen untereinander.
Der kleine Buchladen soll auch ein politischer Ort sein und die Betreiber sähen sich als Verbündete von Frauenprotesten und aktivistischen feministischen Gruppen, sagt Johanna Hopp. Künftig sollen auf der leergeräumten Ladenfläche auch Lesungen, Ausstellungen, Workshops und Diskussionen stattfinden.
Die feministische Idee in München soll gestärkt werden
In den 70er Jahren sei die Münchner Frauenbewegung eine der stärksten Deutschlands gewesen – mit acht Frauenzentren, wo andere Großstädte gerade eines hatten, sagt Hopp. Davon seien nur wenige, tapfere Gruppen übrig geblieben. "Es wäre vermessen zu sagen, da wollen wir wieder hin".
Aber sie hätten den Laden auch aus dem Wunsch übernommen, die feministische Idee in München wieder zu stärken zu erhalten. "Da wäre sonst etwas ganz Wichtiges gestorben", sagt sie über den Buchladen ihrer beiden Vorgängerinnen.
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