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Leerstand in München: Ein Filetstück vergammelt – es liegt nicht an der Stadt

Große Gebäude, kein Plan – die neue AZ-Serie zu Leerstand in der Stadt. Teil 1: Ein Klinkerbau in der Maxvorstadt. Seit 2018 steht das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 leer. Junge Aktivisten haben schon damals gezeigt, dass das überhaupt nicht sein müsste.
Jan Krattiger
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Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt.
Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt. © Jan Krattiger

München - Es ist ein gigantischer, architektonisch schön anzusehender Altbauriegel an der Ecke Pappenheim- und Blutenburgstraße. 6.000 Quadratmeter hat der Altbau-Teil, insgesamt sind es 10.000 Quadratmeter. Nur der riesige "Funkturm 0" der Telekom gleich dahinter stört das Bild – und erzählt auch etwas von der Geschichte dieses Gebäudes, das seit über fünf Jahren leer steht.

Pappenheimstraße 14: Schon 2017 hat die Telekom das Objekt verkauft

Es gehörte einst der benachbarten Telekom. Die hat es im März 2017 der Strabag Real Estate verkauft. Seither gab es punktuell Informationen, was mit dem Gebäude geschehen soll. Die Rede war von Neubauten, "die sich mit dem Backstein-Gebäude zu einem Wohn- und Gewerbeensemble zusammenfügen". Im Juli 2022 hieß es, 170 Wohnungen, eine Kindertagesstätte und Büros sollen hier entstehen. Der "SZ" sagte die Strabag, man hoffe, 2023 mit den Bauarbeiten zu beginnen.

Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt.
Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt. © Jan Krattiger

Gebäude in der Maxvorstadt: Seit Jahren geht nichts voran

Ein Augenschein vor Ort im Herbst 2023 lässt nicht darauf schließen, dass hier bald Bagger auffahren. Auf erneute Nachfrage sagt die Strabag: "Wir würden gerne anfangen zu bauen." Aktuell sei man immer noch mit der Stadt im Austausch wegen der Baurechtschaffung und es gebe "viele Diskussionspunkte, die bremsen". Ein belastbarer Zeitpunkt könne aktuell nicht genannt werden, "wir hoffen, 2024 anfangen zu können".

Liegengebliebene, verdreckte Zeugen eines Kindergartens, der hier im Erdgeschoss einmal untergebracht war.
Liegengebliebene, verdreckte Zeugen eines Kindergartens, der hier im Erdgeschoss einmal untergebracht war. © Jan Krattiger

Solange es also zwischen Stadt und Strabag keine Einigung gibt, steht das riesige Gebäude leer und es entsteht nichts Neues.

Es gab bereits eine Zwischennutzung

Ein Umstand, den das Münchner Kollektiv "Freiräumen" kritisiert. "Besonders an der Pappenheimstraße 14 ist, dass eine Zwischennutzung genehmigt wurde und das auch recht gut geklappt hat", sagt Andrea Kramer, Teil des Kollektivs. "Jetzt, einige Jahre später, stehen wir wieder davor und es ist seitdem leer. Was schade ist, weil es bestehende Strukturen gab, die gut funktioniert haben."

Leonie Krüger vom Bündnis Freiräumen. (Archiv)
Leonie Krüger vom Bündnis Freiräumen. (Archiv) © Jan Krattiger

Sie meint damit das Projekt "5000 Zimmer Küche Bad", wo während drei Tagen im Juli 2018 das gesamte Haus kulturell zwischengenutzt wurde. 50 Zimmer wurden damals bespielt mit Kunst, Musik, Subkultur. Aber es hätte sogar Platz für das Dreifache, sagen die Aktivisten. Und: wegen des Denkmalschutzes müsse es sowieso instand gehalten werden. "Darum finde ich es noch weniger nachvollziehbar, dass es keiner Aktivierung zugeführt wird", sagt Joshua Neumann.

Wo hakt es? An der Stadt liegt es nicht

Die jungen Münchner Freiraum-Aktivisten haben sich in den vergangenen Jahren viel Wissen erarbeitet über Zwischennutzungen, auch was die rechtlichen Hürden betrifft. Sie sagen: Je nach Objekt wären die eigentlich gar nicht so hoch. Und dass solche Zwischennutzungen absolut friedlich und für das Viertel gewinnbringend durchgeführt werden, haben sie auch schon bewiesen.

Wo hakt es also wirklich? Zumindest offenbar nicht bei der Stadt, wenn es darum geht, dass die Strabag mit dem Bauen anfangen könnte. Eine Anfrage beim zuständigen Planungsreferat, das mit der Baurechtschaffung betraut ist, zeigt auf, warum hier seit Jahren nichts passiert.

Hier klingelt schon länger keiner mehr: Seit 2018 wird das Gebäude an der Pappenheimstraße schon nicht mehr genutzt.
Hier klingelt schon länger keiner mehr: Seit 2018 wird das Gebäude an der Pappenheimstraße schon nicht mehr genutzt. © Jan Krattiger

Zuerst waren es "wesentliche rechtliche Klärungen mit der Telekom", weswegen das Planungskonzept mehrmals geändert wurde. Die neuen Besitzer brachten dann noch mal Änderungswünsche ein. Laut Planungsreferat mussten "sämtliche Gutachten angepasst, Abstimmungen mit Fachstellen und die Behördenbeteiligung" zweimal wiederholt werden.

Im Juli 2022 gab es dann das vorläufige "Ok" vom Stadtrat. Für den nächsten Schritt müsste aber die Strabag weitere baurechtliche Voraussetzungen erfüllen. Um die "offenen Punkte zu klären" gebe es "zahlreiche Gespräche" mit dem Eigentümer, so die Stadt. Bisher offenbar erfolglos.

Es hat schon einmal gut funktioniert – die Aktivisten haben viele Ideen

Währenddessen hätte das Freiräumen-Kollektiv große Ideen, was mit dem Gebäude passieren könnte – immer mit der Nachbarschaft im Blick. "Hier könnten die verschiedensten Räume sein. Gemütliche Treffpunkte, Räume für Sportkurse, für Handarbeit. Meetingräume, Arbeitsräume, um nicht alleine zu Hause im Homeoffice zu sein. Räume für Kunstausstellungen - es ist alles möglich, was diese Nachbarschaft hier braucht und will", sagt Kramer.

Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt.
Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt. © Jan Krattiger

Die Stadt ist ebenfalls nicht begeistert

Auch das Planungsreferat ist nicht begeistert von solchen Leerständen. Die seien "auch aus Sicht der Stadt äußerst bedauerlich und dringend zu vermeiden". Die Stadt sieht auch zumindest baurechtlich keine Hürde, um diesen Leerstand mit Leben zu füllen. Denn das Bestandsgebäude an der Pappenheimstraße könne "auch im Rahmen des heute bestehenden Baurechts durchaus genutzt werden".

Was also fehlt: Das Vertrauen oder der Wille von Liegenschaftsbesitzern, dass engagierte Gruppen – wie zum Beispiel die beteiligten Kollektive des "Freiräumen"-Bündnisses - eine Gelegenheit bekommen, zu zeigen, dass es geht.

Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt.
Schön anzusehen, aber komplett leer: Das Gebäude an der Pappenheimstraße 14 in der Maxvorstadt. © Jan Krattiger

Hintergrund: Das Bündnis "Freiräumen": Was es fordert, was es tut

Nach eigenen Angaben ist Freiräumen München ein "loses Bündnis aus verschiedenen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich für eine unkommerzielle, emanzipatorische Gestaltung von Freiräumen in München einsetzen".

Das Kollektiv hat sich im Jahr 2021 gegründet, um Forderungen an die Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft zu richten. Es tritt für mehr jugendkulturelle Freiräume und mehr Unterstützung und Förderung durch die Stadt ein und wehrt sich gegen Platzmangel, Prekarisierung und Verdrängung.

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Das Bündnis tritt zum Beispiel immer wieder bei Demonstrationen auf, wie zum Beispiel beim Großstreik von Fridays For Future, während der IAA oder beim ersten eigenen Aktionstag im Juni 2021. Freiräumen organisiert außerdem jeweils zwischen den Jahren das "Forum für Freiraum". Das ist eine mehrtägige Veranstaltung zu den Themen Freiraum und Jugendkultur, bei dem es Workshops, Vorträge, Diskussionen und Filmvorführungen gibt.

Freiräumen fordert unter anderem die Beendigung jeglichen Leerstands, die Enteignung von Spekulanten, die Verstetigung von gestaltbaren öffentlichen Freiräumen, mehr Transparenz in der Verwaltung, den Abbau von Bürokratie sowie eine handlungsfähige Interessensvertretung für Freiräume.


Mehr Informationen unter freiraeumen.jetzt

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13 Kommentare
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  • sircharles am 07.11.2023 09:15 Uhr / Bewertung:

    Es ist nicht das Gebäude, sondern der Grund, der den Wert ausmacht. Das Gebäude wird man eh abreißen, da es vergammelt ist und eine Sanierung zu teuer wird.

  • Allacher am 06.11.2023 19:23 Uhr / Bewertung:

    Das war früher ein gutes, funktionierendes Krankenhaus. Seid inkompenente Politiker alle wichtigen Strukturbetriebe privatisiert haben, geht alles den Bach runter.
    Könnte ich es mir leisten würde dieses Scheißland verlassen.

  • BBk am 06.11.2023 12:59 Uhr / Bewertung:

    Wie immer hat natürlich die Stadt keine Schuld- aber Studenten auf den Campingplatz verbannen wollen anstatt für die was „freizuräumen“

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