Wie Aktivisten aus München die Bezahlkarte umgehen: Auch FCB-Südkurve macht mit

München – Nur 50 Euro erhalten Geflüchtete in München seit der Einführung der Bezahlkarte monatlich in bar (AZ berichtete). Das restliche Geld können sie nur über direkte Kartenzahlung nutzen oder per Überweisung, die jeweils abgenickt werden muss.
"Solidarische Hilfestellung" von Münchner Aktivisten gegen die Bargeldgrenze
Dass diese 50 Euro gerade in einer teuren Stadt wie München viel zu wenig sind, finden nicht nur Politiker von fast allen Fraktionen im Stadtrat, sondern auch Aktivisten wie Matthias Weinzierl. Der Mitbegründer des Kulturzentrums Bellevue di Monaco hat darum den "Kartentausch" nach München geholt. Das ist ein einfaches, auf Solidarität basierendes System, wie diese neue, monatliche Bargeldgrenze umgangen werden kann.

Das funktioniert so: Geflüchtete kaufen mit ihrer Bezahlkarte in einem Laden (zum Beispiel im Supermarkt oder im Drogeriemarkt) einen Gutschein. Den können sie dann bei teilnehmenden Organisationen gleichwertig in Bargeld umtauschen. Münchner, die sich solidarisch zeigen wollen, sollen diese Gutscheine dann kaufen und damit einkaufen gehen. "Beide Seiten haben weder einen Gewinn noch einen Verlust dadurch", sagt Weinzierl. "Es ist eine ganz solidarische Hilfestellung."
Aktivist Matthias Weinzierl brachte die Idee nach München
Im August war der Startschuss für die Aktion im Bellevue di Monaco, mehr Verteilstellen sollen noch dazu kommen. "Die Idee ist, dass wir Menschen helfen wollen, ihren Alltag einfacher zu gestalten", sagt Weinzierl zu seiner Motivation, den Kartentausch hier anzubieten.
Ende September erhält die Initiative weiteren prominenten Zulauf: Die Südkurve des FC Bayern macht mit und organisiert die Gutscheintauschaktion jeweils bei Heimspielen: "Ihr habt am Treffpunkt am Südkurvenplatz die Chance, auf einfachem Weg einen echten Unterschied im Leben von geflüchteten Menschen in Bayern zu machen, Solidarität zu zeigen und dieser Diskriminierung etwas entgegenzusetzen", schreibt die Südkurve in einer Mitteilung.
Die Bargeldgrenze von 50 Euro sei für viele Geflüchtete im Alltag ein Problem. "Mit der Bezahlkarte kann man nicht in allen Geschäften einkaufen, zum Beispiel bei den kleinen Gemüsehändlern oder Afroshops im Bahnhofsviertel", sagt Weinzierl. "Die sind oft auch billiger, man kann aber nicht mit Karte zahlen."
Auch das städtische Sozialreferat weist auf AZ-Anfrage auf diese Problematik hin: "Die Beschränkung auf 50 Euro Bargeld pro Person haben wir vor Einführung der Bezahlkarte kritisiert", so ein Sprecher. Es gebe viele Bereiche, wo die Karte nicht akzeptiert wird, wie kleine Supermärkte, "aber auch gerade für Kinder, wenn es um Leistungen für Bildung und Teilhabe geht."
Rund 4600 Geflüchtete in Bayern haben eine Bezahlkarte
Die Idee für den Tausch kommt laut Weinzierl aus Hamburg: "Da wurde die Bezahlkarte schon früher eingeführt und den Bargeldtausch gibt es schon seit einigen Monaten", sagt er. Und er erhofft sich auch weitere Nachahmer in anderen Kommunen in Bayern.
Ende Juni hat der Münchner Stadtrat die Einführung der Bezahlkarte abgenickt. Weil der Freistaat alle bayerischen Kommunen dazu verpflichtet hat, muss auch die Stadt die Karte einführen. Rund 4600 Geflüchtete ab 14 Jahren bekommen sie ausgehändigt. Geflüchtete aus der Ukraine und solche, die zum Beispiel in Pflegeheimen sind, sind ausgenommen.
In der Ausgestaltung der Karte gibt es zwar einige Freiheiten für die Kommunen, die betreffen aber nicht den maximalen monatlichen Bargeldbetrag von 50 Euro. Außerdem können Geflüchtete die Karte nur in der Stadt und den angrenzenden Landkreisen benutzen. Überweisungen müssen erst bei den Behörden per E-Mail beantragt werden, bevor sie freigeschaltet oder abgelehnt werden.
Für Matthias Weinzierl ist derweil klar, dass die Bezahlkarte für Geflüchtete erst der Anfang sein könnte. "Sie ist auch ein Feldversuch", sagt er. "Man kann sich schon ausmalen, dass es auch andere Gruppen betreffen kann, zum Beispiel Bürgergeldempfänger."
Das Ziel der Bezahlkarte ist es laut Freistaat, zu verhindern, dass Geflüchtete Geld in ihre Heimatländer schicken oder davon Schlepper bezahlen. Migrationsexperten und Verbände wie der Flüchtlingsrat zweifeln an dieser Wirkung.
Auf ihrer Webseite informiert die "Offen Kampagne München" über Standorte, wo Gutscheine getauscht werden können.