"Wellness-Demokratie": vbw-Präsident watscht Bundesregierung ab

vbw-Chef Alfred Gaffal kritisiert die zögerliche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung – und warnt: „Die gegenwärtig gute Konjunktur überdeckt Strukturmängel“.
von  Florian Zick
Schlechtes Wetter – die Baubranche lahmt bisher.
Schlechtes Wetter – die Baubranche lahmt bisher. © dpa

vbw-Chef Alfred Gaffal kritisiert die zögerliche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung – und warnt: „Die gegenwärtig gute Konjunktur überdeckt Strukturmängel“.

München - Minus 15 Prozent in der Baubranche, minus 1,6 Prozent in der Industrie und auch bei den Exporten ein leichter Rückgang: Das Jahr 2015 verlief für die bayerische Wirtschaft bislang eher mäßig erfolgreich. Für Alfred Gaffal, Bayerns obersten Wirtschaftsboss, gibt es dafür vor allem einen Grund: die zögerliche Politik der Bundesregierung.

Sicherlich, der Abschwung in der Bauwirtschaft, das habe auch sehr viel mit dem schlechten Wetter zu tun, sagte der Präsident der „Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft“ (vbw) gestern bei der Vorstellung des ersten Konjunkturreports 2015. „Aber leider haben wir in den ersten 500 Tagen der Großen Koalition auch nur Sozialpolitik gesehen“, so Gaffal. In der Wirtschaftspolitik dagegen seien bislang keine oder nur schlechte Entscheidungen getroffen worden.

Die Liste der Negativfaktoren ist nach Ansicht der vbw dabei lang: die Rente mit 63, der Mindestlohn, die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags – mit Sozialer Marktwirtschaft habe das nichts mehr zu tun, schimpfte Gaffal. „Unsere Unternehmen leiden da wirklich darunter“, so der vbw-Chef.

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Für Gaffal gibt es deshalb nur eine Lösung: Das Bürokratiemonster muss weg. Frauenquote, Arbeitsschutzverordnung, Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn: „Die immer größer werdende Kontrollbürokratie bremst Unternehmen und verhindert Wachstum“, erklärte Gaffal.

Nicht nur in der Politik müsse allerdings ein Umdenken her, sondern in der gesamten Gesellschaft: Autobahnen, Gewerbegebiete, Stromtrassen – Deutschland sei zu einer „Wellness-Demokratie“ verkommen, in der die Bedenkenträger den Ton angäben, ärgerte sich der Wirtschafts-Präsident. Dadurch werde der Erfolg der Wirtschaft gefährdet.

So richtig schlecht geht es den Betrieben Bayern allerdings gar nicht. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr verzeichneten die bayerischen Unternehmen mit 169 Milliarden Euro sogar einen neuen Exportrekord. Das Wirtschaftswachstum lag mit 1,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Und auch der berühmte Weißbier-Index, der die Konjunkturlage abbildet, zeigt leicht nach oben.

Sogar der berühmte Weißbier-Index zeigt leicht nach oben Der Impuls komme allerdings von einigen Sonderfaktoren: dem niedrigen Ölpreis, den Mini-Zinsen und dem schwachen Euro. All das hilft den bayerischen Unternehmen. „Wir dürfen uns von der gegenwärtig guten Konjunktur aber nicht blenden lassen“, mahnte Gaffal. Um das Wachstum auch nachhaltig zu sichern, brauche es dringend strukturelle Reformen.

In den meisten Branchen läuft es aber auch unter den jetzigen Bedingungen schon recht gut. Den Baufirmen hat es zwar das Geschäft verregnet, aber insgesamt blicken die bayerischen Unternehmer ziemlich optimistisch auf das Restjahr. Die vbw hat deshalb seine Wachstumsprognose für 2015 auch nach oben korrigiert: von 1,6 auf gut zwei Prozent.

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