Interview

Wegen Glatteis: Knochenbrüche halten Notaufnahme in München auf Trab

Das Glatteis beschert den Notaufnahmen viele Brüche. Eine Oberärztin aus München verrät im AZ-Interview, wie sich Stürze vermeiden lassen und ob ein Watschelgang tatsächlich helfen kann.
Carmen Merckenschlager
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Dr. Rebecca Hempel-Schöps ist Oberärztin in der Schön Klinik München Harlaching.
Dr. Rebecca Hempel-Schöps ist Oberärztin in der Schön Klinik München Harlaching. © Schön Klinik

München - Bei jedem Schritt heißt es Obacht geben: Eisplatten verwandeln die Wege gerade in Rutschbahnen. In der Notaufnahme der Schön Klinik München Harlaching landen deshalb aktuell viele Patienten mit Brüchen. Oberärztin Dr. Rebecca Hempel-Schöps (36) erklärt, warum es meist das Handgelenk erwischt, der "Watschelgang" helfen kann oder wie es gar nicht erst zum Sturz kommt.

AZ: Frau Dr. Hempel-Schöps, in die Notaufnahme kommen gerade besonders viele Sturzverletzungen geben. Ist das so?
DR. REBECCA HEMPEL-SCHÖPS: Bei dem großen Schneeeinbruch war es extrem. Jetzt sehen wir immer noch viele Brüche aufgrund von Glatteissturz. Mehr als üblich.

Wen müssen Sie behandeln? Spielt das Alter eine Rolle?
Jedes Alter ist dabei. Anders als außerhalb des Winters unterscheiden sich die Stürze. Die Geschwindigkeit des Sturzes ist eine höhere und der Aufprall dadurch härter. Im Sommer sehen wir eher Patienten, die vom Rad stürzen. Aber nicht Fußgänger, die sich beim Spazierengehen etwas brechen.

Schön Klinik in München: Am häufigsten behandelt Dr. Rebecca Hempel-Schöps derzeit Knochenbrüche

Von welchen Brüchen sprechen Sie hauptsächlich?
Bei uns in der Notaufnahme sehen wir vor allem Brüche von Hand- und Sprunggelenk. Das ist das meiste. Ich gehe davon aus, dass die Kollegen in den größeren Notaufnahmen auch ganz viele Brüche des Schenkelhalses und im Hüftbereich sehen. Die kommen nicht zu uns.

Warum gerade Hand- und Sprunggelenk?
Mit den Handgelenken fängt man sich ab, stürzt deshalb mit aller Wucht darauf. Bei Sturz knicken viele mit dem Fuß um, es kann zum Bruch kommen.

Wie lassen sich Stürze am besten vermeiden?
Ich vergleiche das mit dem Auto: gutes Material und angepasste Geschwindigkeit. Wenn ich knöchelhohe Stiefel habe, vermeide ich mit guter Sohle und gutem Profil das Rutschen und stabilisiere das Sprunggelenk, so lässt sich ein Bruch im besten Fall verhindern. Dann gibt es noch die Möglichkeit, Spikes an die Sohle zu machen. Das ist für Menschen mit unsicherem Gang eine gute Möglichkeit. Hilfsmittel wie ein Stock oder ein Rollator können Sicherheit bieten.

Dr. Rebecca Hempel-Schöps behandelt in der Notaufnahme derzeit viele Brüche wegen Glatteisunfällen.
Dr. Rebecca Hempel-Schöps behandelt in der Notaufnahme derzeit viele Brüche wegen Glatteisunfällen. © Schön Klinik

Gibt es Tipps für richtiges Stürzen, damit die Verletzungsgefahr geringer ist?
Nicht wirklich. Wichtig ist nur, die Hände nicht in den Hosentaschen zu haben. Sonst kann es schnell zu schwerwiegende Verletzungen am Kopf kommen. Wer ungebremst mit dem Kopf auf eine Eisplatte stürzt, kann sich eine Hirnblutung zuziehen.

Wenn ich einen Sturz beobachte, wie helfe ich am besten?
Es ist immer gut, den Gestürzten zu fragen, ob er selber aufstehen kann. Wenn das eine 90-jährige Dame ist, die so schon Probleme hat, aufzustehen, kann man Hilfe anbieten. Wenn sie sagt, sie kann nicht auftreten, lieber am Boden sitzenlassen, mit einem Mantel zudecken und den Rettungsdienst rufen. Wenn ich sehe, es gibt eine Kopfverletzung, sollte man in die Notaufnahme gehen.

Glatteis-Gefahr in München: Auf den Gang und den Untergrund konzentrieren

Der Watschelgang oder Pinguingang soll helfen, nicht zu stürzen. Stimmt das?
Schwierig zu sagen. Auch mit diesem Gang kann man ausrutschen. Der Vorteil ist, dass man recht langsam unterwegs ist und bewusst läuft. Das Entscheidende ist, sich darauf zu konzentrieren, sicher zu gehen und sich dem Untergrund anzupassen.

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Wenn ich stürze, aber kein Notfall vorliegt, was kann ich zu Hause unternehmen?
Zuerst etwas kühlen. Arm, Hand oder Bein am ruhig stellen. Aus einem Tuch lässt sich leicht eine Schlinge basteln. Wenn ein großer Bluterguss entsteht, eine starke Schwellung auftritt und es nach einer Nacht noch massiv wehtut, dann ist der Weg in die Notaufnahme gegeben. Wenn eine Fehlstellung, wie ein kleiner Knick, zu erkennen ist, dann besser gleich in die Notaufnahme.

Aber nicht jeder sollte sofort in die Notaufnahme, oder?
Nein, wie überall haben wir begrenztes Personal. Wenn ich nach einer Woche nach dem Sturz noch Schmerzen habe, es aber nicht dramatisch ist, sollte das besser der niedergelassene Orthopäde anschauen als die Notaufnahme. Weil wir mit den akut Verletzten wirklich gut ausgelastet sind. Das würde uns sehr entlasten.

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12 Kommentare
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  • Dimpfe am 15.01.2024 07:32 Uhr / Bewertung:

    Schutz von Bäumen und Sträuchern vor Streusalz ist der Stadt eben deutlich wichtiger als die Gesundheit ihrer Bürger.

    Die vereisten Geh- und Radwege waren absehbar: Erst Schneefall, dann gem. Wetterbericht tagelang Dauerfrost. Die Wege dadurch vereisen zu lassen, war also PLAN der Stadt.

  • AufmerksamerBürger am 13.01.2024 21:57 Uhr / Bewertung:

    Anstatt dass die Leute bei Glatteis zu Hause bleiben, gehen sie raus und brechen sich etwas. Selbst schuld.

  • doket am 14.01.2024 08:47 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AufmerksamerBürger

    Vielleicht ist ja nicht jeder Bürgergeldempfänger oder Rentner der Essen auf Rädern bekommt. Wobei dafür ja auch jemand raus muss.

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