Walter Zöller von A bis Z. Der Rekordstadtrat sitzt seit 45 Jahren im Rathaus

Planungsexperte Walter Zöller (77) hat für die CSU in München schon viele Schlachten geschlagen. Nun sitzt er seit 45 Jahren im Rathaus – so lang wie keiner vor ihm. Ein kleines A bis Z zum Jubiläum.
Irene Kleber |
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1972 sitzt Stadtrat Walter Zöller zum ersten Mal an seinem Platz im großen Rathaus-Sitzungssaal, umringt von der CSU-Fraktion. Inzwischen streitet er seit 45 Jahren als Planungsexperte – Rekord!
AZ-Archiv 1972 sitzt Stadtrat Walter Zöller zum ersten Mal an seinem Platz im großen Rathaus-Sitzungssaal, umringt von der CSU-Fraktion. Inzwischen streitet er seit 45 Jahren als Planungsexperte – Rekord!

München - Politisches Alphatier! Planungs-Papst! Schwarzer Riese! Lebende Legende! Die Liste an Superlativen ist lang, wenn es um Walter Zöller (77) geht. Und einer kommt noch dazu: Rekord-Stadtrat. Heuer sind es 45 Jahre, dass der Planungsexperte der CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat sitzt – so viele Jahre hat noch kein Ratskollege geschafft.

Als Zöller 1972 (das Jahr der Olympischen Spiele in München) zum ersten Mal im großen Sitzungssaal Platz nahm, war Schorsch Kronawitter (SPD) gerade zum ersten Mal OB geworden. Es folgten CSU-OB Erich Kiesl (1978-84), nochmal Kronawitter, dann Christian Ude (SPD) mit Rot-Grün im Rathaus – und seit 2014 die schwarz-rote "Rathaus-Kooperation" mit Dieter Reiter (SPD).

Scharfzüngig, schlagfertig, und mit viel Raffinesse führte Zöller von 1986 bis 1990 seine Fraktion. Streitet bis heute mit Zauderern und Zweiflern und plant mit großer Leidenschaft das moderne München mit. Eine Weile lang war er sogar "heimlicher Oberbürgermeister". Zum Jubiläum von der AZ ein kleines A bis Z.

Arroganz: sagen Walter Zöller nicht nur seine politischen Gegner nach, sondern auch die eigenen Leute. Wohl auch deshalb, weil Zöller vielleicht der brillanteste Redner ist, den das Münchner Rathaus je hatte. Zum großen Verdruss des ebenfalls begnadeten Christian Ude wählten die Stadträte Zöller in einer "Mister-Stadtrat-Wahl" der Abendzeitung einst zum Star-Redner Nummer eins.

Bibi: heißt seine Lebensgefährtin, eine Ärztin mit einer Praxis in Großhadern. Als er sie vor 14 Jahren in einem Schwabinger Restaurant zum ersten Mal sah, dachte er: "Passt scho." Jedenfalls erzählt er das so. Aus seiner früheren Ehe mit Brigitte Zöller hat er einen Sohn (46) und eine Tochter (42) – und von beiden vier ziemlich muntere Enkelsöhne.

CSU: Ihr gehört Zöller schon 58 Jahre an (Hardliner Peter Gauweiler nannte ihn mal "das liberale A.... in der CSU.") Zur "Obergrenze" sagt er ja. Zur "Ehe für Alle" auch. Und zu Söder als künftigem Ministerpräsidenten? "Auf den läuft’s wohl hinaus.´" Gerade ist Zöller übrigens Ehrenmitglied der Münchner CSU geworden.

Deal: Kann er. Ein fast schon skandalöser Schachzug gelang ihm als CSU-Fraktions-Chef bei der Wahl der Stadtminister (Referenten) 1988. Da machte Zöller als erster CSUler überhaupt einen Deal mit den Grünen: Die CSU wählte den Öko Georg Welsch zum Münchner Kommunalreferenten – im Gegenzug setzte die CSU ihre eigenen Wunschreferenten durch – und manövrierte die SPD einfach aus.

Ehrengrab: Ein solches, also kostenloses, hat ihm die Stadt mal angetragen. "Wieso soll sich mein Sohn da was sparen?", hat Zöller sich da gedacht. Und abgelehnt.

Franken: Man hört es ihm ja nicht an, aber geboren ist Walter Zöller am 28. Februar 1940 eigentlich als Franke – in Nürnberg. Die Mutter war Hausfrau, der Vater Richter am Oberlandesgericht und Präsident des Sozialverbands VdK. Die Zöllerstraße in Hadern (München) ist nach Zöllers Vater benannt.

Gestaltungsmehrheit: Die zimmerte Zöller 1987 gegen den damaligen SPD-OB Schorsch Kronawitter. Durch zwei Überläufer aus der Fraktion verlor die SPD ihre Mehrheit im Stadtrat. In der Folge konnte Zöller dem frustrierten OB frech die Tagespolitik diktieren. Was Zöller nicht nur den Beinamen „Schwarzer Riese“ einbrachte, sondern auch den Titel „heimlicher OB“.

Hochhaus: Darf schon mal sein als "moderner Akzent", findet er. Wie der 75 Meter hohe Büroturm, der neben dem künftigen neuen Hauptbahnhof entstehen soll. Dass Kultusminister Ludwig Spaenle leidenschaftlich dagegen ist, weil er die Stadtsilhouette dadurch verschandelt sieht, ist Zöller eher wurscht.

Intimfeind: Natürlich, Georg Kronawitter († 2016). Der einstige OB nannte Zöller gern "eitel", "arrogant" und "überheblich". Und bezeichnete sich und Zöller in seinem Buch "Mit aller Leidenschaft" als "zwei Alphatiere", für die nur eins gelten könne: "Er oder ich."

Jazzplatten: sammelt Zöller, seit er 14 ist. Drei Regalmeter Vinyl hat er daheim, vom Swing über Bebop bis Cooljazz.

Kino: ist seine wahre Leidenschaft. Es gibt kaum einen Tag, an dem er nicht einen Film anschaut. An die 18 000 hat Walter Zöller in den vergangenen 60 Jahren gesehen – gern französische, mit mehr Gesprächen als Handlung. Sein Liebling: "Hiroshima, mon amour“"

Lieblingsplatz: Ein Journalist hat ihn mal danach gefragt. Antwort Zöller: "Rathaus, großer Sitzungssaal, Rednerpult." Das, sagt er, gilt für ihn auch heute noch.

Memoiren: Gut 60 Seiten haben sie schon, Arbeitstitel: "Tagebuch der Erinnerungen." Ob sich wohl Parteifreunde und -feinde ärgern werden, wenn das Buch in einem Jahr fertig sein wird? "Glaube ich nicht", sagt Zöller. "Die kritischen Stelle streiche ich am Ende alle raus." Wer’s glaubt?

Notar: war der Wunschberuf des Jurastudenten Zöller. 1979 (da war er schon sieben Jahre Stadtrat) stieg er als Sozius in der Kanzlei Reinl ein – praktischerweise schräg gegenüber dem Rathaus, am Rindermarkt.

Oje: Einer von Zöllers (nicht immer scherzhaft gemeinten) Lieblingssprüchen: "Es reicht nicht nur, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie ausdrücken zu können."

Porsche: Es gehört zu den Grundsätzen Walter Zöllers, kein anderes Auto zu fahren: sein schnittiges weißes Porsche-Targa-Cabrio, Baujahr 1985. Weil man den schließlich nicht mitten auf dem Marienplatz parken kann, wenn man ins Rathaus muss (was, wenn einer den Lack zerkratzt!), parkte er ihn stets ziemlich verboten im Rathaus-Innenhof. Neben dem Wagen des Oberbürgermeisters.

Quadratmeter: Anfang der 80er Jahre flog die "Bauland-Affäre" auf. Unter CSU-OB Erich Kiesl hatte die Stadt Kiesls Spezl Josef Schörghuber (Bayerische Hausbau) 60.000 Quadratmeter städtischen Grund in bester Lage weit unter Wert verkauft. Notar dieses Geschäfts: Stadtrat Walter Zöller – dessen Notariat durch die Beurkundungen städtischer Grundstücksgeschäfte überhaupt munter florierte. Später machte die SPD im Stadtrat zum Thema, ob Zöllers Insiderwissen als Stadtrat und sein Notariat nicht ein bissl zu eng verflochten waren. Ein Fehlverhalten wurde nicht nachgewiesen werden. Zöller: "Das ist alles im Sand verlaufen."

Reichtum: Aus seinem hat er nie einen Hehl gemacht. Als ihm einmal angetragen wurde, den nicht wirklich mager bezahlten Posten des Stadtbaurats zu übernehmen, konterte er: "Das kann ich mir nicht leisten." Und als Intimfeind Kronawitter ihn bei einer Plenumsdebatte zur Steuerreform von Theo Waigel fragte: "Und Sie, Herr Zöller, Sie reicher Notar, wie viel bekommen Sie denn zurück bei der Steuerreform?", antwortete der tiefenentspannt: "Herr Oberbürgermeister, das weiß ich nicht, weil mein Einkommen so hoch ist, dass es von den üblichen Steuertabellen nicht mehr erfasst wird."

Schlusslicht: ist er aber auch mitunter. Weil sein Nachname mit Z anfängt, steht Walter Zöller auf allen Namenslisten des Stadtrats ganz am Ende.

Tragödie: Der Flugzeugabsturz, bei dem 1969 der Münchner Bundestagsabgeordnete Prinz Konstantin von Bayern kurz vor der Wiederwahl ums Leben kam. Zöller, damals dessen persönlicher Referent, sprang als Not-Kandidat ein. Chancenlos.

Übergabe: Seinen CSU-Kreisverband 7 (Schwabing, Milbertshofen, Olympiadorf), den Zöller immerhin 22 Jahre führte, hat er kürzlich freiwillig – und erstmals in der Geschichte der Münchner CSU – an eine Frau übergeben, die Stadträtin Evelyne Menges.

Villa: In seinem schmucken 20er-Jahre-Haus in Obermenzing (Hartmannshofen) wohnt er schon viele Jahre. Weil das Erbbaurecht aber in wenigen Jahren endet, wird er es irgendwann verlassen. Oder kaufen müssen.

Widerworte: gab er sogar dem CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Gegen den hat Zöller als junger Münchner JU-Chef mal eine Protestaktion initiiert – worauf Strauß so wütend gewesen sein soll, dass er sagte: "Dem geb ich einen Kinnhaken, dass es ihn raushaut aus der Partei."

Xfach: ärgert sich Zöller über die "Zukunftsverzagtheit" Münchens: "Die Münchner haben dauernd Angst vor Veränderung", sagt er. "Dabei muss eine Großstadt sich verändern. Sonst stirbt sie."

Yacht: hat er nicht. Obwohl so ein schickes, blitzweißes Gefährt ja zum Porsche passen würde. Es ist nur so: "Ich habe einmal einen Segeltörn mitgemacht. Da ist mir so unfassbar schlecht geworden! Ehrlich, ich hasse Schifffahrten."

Zukunft: Der Begriff "lebende Legende" schmeichelt ihm natürlich schon. Mit Betonung auf "lebend". Denn Walter Zöller hat freilich längst schon seine nächste Kandidatur für 2020 beschlossen. Die 50 Stadtratsjahre mag er dann schon noch gern voll machen.

Lesen Sie auch: Christian Ude im AZ-Interview - Meine Abrechnung

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