Update

Asyl gegen Geld? Mitarbeiter des Münchner KVR in Untersuchungshaft

Durchsuchung bei der Ausländerbehörde: Dort ist es mutmaßlich zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Eine ganz spezielle Rolle spielt ein sogenannter Relocator, ein privater Dienstleister.
Ralph Hub
Ralph Hub
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
34  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Ausländerbehörde im Kreisverwaltungsreferat in der Ruppertstraße ist von der Staatsanwaltschaft München I und Korruptionsspezialisten der Polizei beim Kommissariat K 73 durchsucht worden. (Archivbild)
Die Ausländerbehörde im Kreisverwaltungsreferat in der Ruppertstraße ist von der Staatsanwaltschaft München I und Korruptionsspezialisten der Polizei beim Kommissariat K 73 durchsucht worden. (Archivbild) © imago/imagebroker

München - Die Staatsanwaltschaft München und Korruptionsermittler des K73 haben am Dienstag das KVR in der Ruppertstraße durchsucht. Vier Mitarbeiter der Ausländerbehörde sitzen seitdem in U-Haft. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, gegen Geld ausländerrechtliche Dokumente manipuliert zu haben.

Schlüsselfigur in dem Fall ist ein externer Dienstleister, ein sogenannter Relocator, offenbar mit besten Kontakten zu einigen KVR-Mitarbeitern. Der Mann sitzt bereits seit vergangener Woche in U-Haft, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte.

Asyl gegen Geld? Kreisverwaltungsreferat stellt Anzeige selbst 

Ermittelt wird gegen „fünf aktuelle Mitarbeiter und eine ehemalige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde“, so die Staatsanwaltschaft. Ihnen wird vorgeworfen, „sich zusammengeschlossen zu haben, um in zahlreichen Fällen gegen Entgelt rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen in ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu treffen“, sagte Staatsanwältin Juliane Grotz auf AZ-Anfrage. Es bestehe der Verdacht der Bestechlichkeit und der Urkundenfälschung. Zuerst hatte der „Merkur“ über die Razzia berichtet.

Der Verdacht richtet sich laut KVR gegen den Bereich "Aufenthalte für Arbeitsmigration der Servicestelle für Zuwanderung und Einbürgerung", was früher landläufig und kurz Ausländerbehörde genannt wurde. (Archivbild)
Der Verdacht richtet sich laut KVR gegen den Bereich "Aufenthalte für Arbeitsmigration der Servicestelle für Zuwanderung und Einbürgerung", was früher landläufig und kurz Ausländerbehörde genannt wurde. (Archivbild) © imago/imagebroker

Durchsucht wurden am Dienstag Büros der Verdächtigen. Die Ermittler nahmen fünf Mitarbeiter zur Befragung mit. Die übrige Belegschaft wurde intern über die Vorkommnisse im Haus informiert. Zudem sind auch die Wohnungen von vier Beschuldigten durchsucht worden, so die Staatsanwaltschaft. Dokumente wurden sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, sagte Staatsanwältin Juliane Grotz. Die Auswertung der Unterlagen dauere noch einige Zeit.

Die Ermittlungen angestoßen hat das KVR selbst und das bereits im Sommer vergangenen Jahres, wie die AZ erfuhr. Aufgrund erster Verdachtsmomente wurde die Innenrevision eingeschaltet. „Das KVR verfolgt wie die ganze Landeshauptstadt München eine Zero-Tolerance-Politik in Bezug auf Korruption und bringt jeden Verdacht zur Anzeige“, sagte Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller-Gradl (Grüne), die die Behörde seit Juli 2022 leitet. „Wir haben sofort nach dem Aufkommen erster Verdachtsmomente interne Ermittlungen aufgenommen und diese in den vergangenen Monaten gemeinsam mit den Ermittlungsbehörden vorangetrieben.“

Staatsanwältin Juliane Grotz: Ermittlungen noch nicht abgeschlossen

Der Verdacht richtet sich laut KVR gegen den Bereich „Aufenthalte für Arbeitsmigration der Servicestelle für Zuwanderung und Einbürgerung“, was früher landläufig als Ausländerbehörde bezeichnet wurde.

Hanna Sammüller-Gradl ist seit 1. Juli 2022 als berufsmäßige Stadträtin Leiterin des Kreisverwaltungsreferats und erste Frau an der Spitze der Münchner Sicherheitsbehörde.
Hanna Sammüller-Gradl ist seit 1. Juli 2022 als berufsmäßige Stadträtin Leiterin des Kreisverwaltungsreferats und erste Frau an der Spitze der Münchner Sicherheitsbehörde. © Andreas Gregor/Grüne

Die Ermittler haben fünf aktive Mitarbeiter und eine ehemalige Mitarbeiterin der Ausländerbehörde im Visier. Sie sollen von Mai 2022 bis Januar 2024 „in zahlreichen Fällen“ gegen Geld rechtswidrige Entscheidungen zu ausländerrechtlichen Themen getroffen haben“. Es gehe unter anderem um den Verdacht der Bestechlichkeit und der Urkundenfälschung, so die Staatsanwaltschaft.

Schlüsselfigur ist offenbar ein privater Dienstleister, ein sogenannter Relocator. Er gilt als Strippenzieher und wurde als Erster verhaftet. Laut Staatsanwaltschaft vermittelte der Mann den Kontakt zu in Frage kommenden Ausländern, stellte gefälschte Dokumente her und gab den Mitarbeitern des KVR Geld. Ihm wird Bestechung und Urkundenfälschung zur Last gelegt.

Vor Ort im KVR Ausschau nach Klienten gehalten

Der Relocator soll gezielt nach Klienten Ausschau gehalten haben. Nach AZ-Informationen soll er das auch bei Personen getan haben, die sich noch nicht in Deutschland aufhielten. Offenbar geht es daher auch um den Verdacht der gewerbs- und bandenmäßigen Schleusung von Ausländern.

Relocatoren werden gerne von Menschen in Anspruch genommen, die entweder zu wenig Geld haben, einen Anwalt zu engagieren oder über zu wenige Deutschkenntnisse verfügen, um durch den Paragrafendschungel zu finden.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Das KVR habe kaum Möglichkeiten, diesen Dienstleistern den Zutritt zu verwehren, heißt es. Dieser besondere Relocator soll mit Anträgen von Klienten immer zu den selben Sachbearbeitern gegangen sein und das auch auffallend häufig. Offenbar habe er zu diesen Mitarbeitern im KVR besonders gute und enge Kontakte gehabt, heißt es. Genau das fiel schließlich in der Behörde auf. Vorgänge, mit denen der Relocator und bestimmte KVR-Mitarbeiter beschäftigt waren, wurden detailliert nochmals überprüft, Aktenvermerke erstellt und an die Staatsanwaltschaft übermittelt.

Mindestens 150 Euro sollen pro Person geflossen sein

Mehr als 30 Antragsteller sollen den Spezial-Service des privaten Dienstleisters und seiner Kontaktleute beim KVR in Anspruch genommen haben. Mindestens 150 Euro sollen jeweils geflossen sein. Bei den Bescheinigungen ging es um Aufenthaltstitel für Geflüchtete sowie um Fiktionsbescheinigungen – mit diesen können Ausländer nachweisen, dass sie sich trotz abgelaufenen Aufenthaltstitels rechtmäßig im Land aufhalten.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die CSU im Rathaus fordert „rückhaltlose Aufklärung“. Man müsse abwarten, was an den Vorwürfen konkret dran sei, sagt Evelyn Menges, stellvertretende Fraktionschefin der CSU und Mitglied im KVR-Ausschuss zur AZ. Einen Rücktritt von KVR-Chefin Sammüller-Gradl fordert die CSU bisher nicht. Die Rathaus-CSU hat eine offizielle Anfrage zu den Korruptionsermittlungen und den Konsequenzen an Oberbürgermeister Dieter Reiter gerichtet.

„Das KVR hat selbst für Transparenz und Aufklärung gesorgt“, sagt Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs. Dass interne Kontrollmaßnahmen greifen, habe der aktuelle Fall bewiesen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
34 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Dieter Berger am 13.03.2025 09:18 Uhr / Bewertung:

    Es ist schon erstaunlich, dass sich jemand für 150 Euro die Finger schmutzig macht und sich so sein Leben versaut!

  • HiggsBoson am 13.03.2025 00:26 Uhr / Bewertung:

    511 Fragen + einige mehr, die nie beantwortet werden. Man kann nur hoffen, dass es auch hier ähnliches wie DOGE gibt. Hoffentlich finden sich noch ein paar mehr Mitarbeiter, die sich ihr Gewissen erleichtern möchten, man kann diese nur täglich ermutigen, sich die Last von der Seele zu reden, auch anonym!

  • Der wahre tscharlie am 13.03.2025 17:40 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von HiggsBoson

    Du gehst also davon aus, dass es sehr viel mehr Mitarbeiter sind, als jene, die die Ermittlungen zutage förderten?
    Und was haben die 511 Fragen damit zutun, die übrigens beantwortet wurden?

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.