Vorbild Berlin: Warum wird in München nicht historisch gebaut?

Von Frankfurt bis Berlin wird historische Architektur wieder aufgebaut. Warum nicht auch Rekonstruktionen bei uns in München?
von  Paul Nöllke
Rekonstruiert: Rathausturm.
Rekonstruiert: Rathausturm. © dpa

München - Das Berliner Stadtschloss, die Frankfurter Altstadt, oder die Potsdamer Garnisonskirche: In Deutschland wird wieder rekonstruiert, oft angetrieben von engagierten Bürgern, teilweise unterstützt mit Spenden. Ganz aktuell soll in Berlin sogar ein Kaufhaus seine Art-Deco-Fassade wiedererhalten.

In München scheinen Rekonstruktionen heute aber selten ein Thema zu sein. Ob bei den Neubauten am Hauptbahnhof, dem Hotel Königshof oder dem Abriss der Tierklinik am Englischen Garten: Eine mögliche Rekonstruktion wird oft als "unmodern", "rückwärtsgewandt" oder "albern" bezeichnet, und kaum ernsthaft diskutiert.

Wunsch nach Rekonstruktion wegen "schlechter moderner Architektur"

Dennoch gibt es auch in München den Wunsch nach mehr Wiederaufbau. "Solange in München die moderne Architektur so schlecht ist, wird es auch weiterhin den Wunsch nach Rekonstruktion geben", erklärt Dieter Klein von den Altstadtfreunden im Gespräch mit der AZ. Münchner wünschten sich durchaus mehr Wiederaufbau, dies sei aber von der Stadt "nicht gewollt. Leider gibt es Leute in München, die sich für modern halten, wenn sie einen Glaskasten genehmigen."

Rekonstruiert: Rathausturm.
Rekonstruiert: Rathausturm. © dpa

Neuaufbau und Rekonstruktionsbauten werden auch kritisch gesehen

Dem widerspricht Mathias Pfeil vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Zwar gebe es in München gute Rekonstruktionen, die Sinn machten (etwa beim Turm des Alten Rathauses), allerdings sehe er die Forderungen von Klein als nicht realistisch und auch nicht wünschenswert.

Er sieht auch den Neuaufbau des Berliner Stadtschlosses sehr kritisch: "Das ist eigentlich auch keine Rekonstruktion, sondern ein unglaubwürdiger Zwitter zwischen Rekonstruktion und Neubau." Pfeil hat einen Lehrauftrag an der Technischen Universität, wo das Thema ihn und seine Studenten auch oft beschäftige. "Das bringt oft eine sehr gemischte Meinung unter meinen Studenten hervor", so Pfeil.

Abriss und Neubau! Den Königshof in dieser Form wird es künftig nicht mehr geben. Die Eigentümer haben jetzt drei Entwürfe für das Hotel neben dem Justizpalast vorliegen...
Abriss und Neubau! Den Königshof in dieser Form wird es künftig nicht mehr geben. Die Eigentümer haben jetzt drei Entwürfe für das Hotel neben dem Justizpalast vorliegen... © AZ

Erhalt vieler Gebäude ist allein wirtschaftlich nicht möglich

Auch unter AZ-Lesern werden Rekonstruktionsbauten oft leidenschaftlich diskutiert. So sprechen sich Leser in Leserbriefen oder Online-Diskussionen immer wieder dafür aus, den Hauptbahnhof oder das Hotel Königshof zumindest teilweise zu erhalten oder zu restaurieren. Das ist aber laut Pfeil schon allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. "Den neuen Königshof finde ich auch kein besonders schönes Gebäude, allerdings haben sich die Ansprüche verändert, und ein Hotel muss auch wirtschaftlich Sinn machen." Das Gleiche gelte auch für den Hauptbahnhof.

Schneller Wiederaufbau in der Nachkriegszeit

Einer der Gründe, warum es im Vergleich zu Frankfurt und Berlin so wenige neue Rekonstruktionsbauten gebe, sei auch, dass nach dem Krieg schnell viele Gebäude wiederaufgebaut wurden, erklärt Pfeil.

Dem kann sich auch Klein von den Altstadtfreunden anschließen: "Das unbedingt Modern-sein-Wollen hatte sich damals noch nicht durchgesetzt." So seien damals die Residenz oder die Münchner Kirchen sehr gut wieder aufgebaut worden: "Durch diese Rekonstruktionen hat sich ein Münchner Lebensgefühl bewahrt."

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