Vor 50 Jahren: Als in München tausende Schwalben mit dem Flieger gerettet wurden
München – Man schaut unweigerlich auf das Datum, wenn man durch die AZ-Bände vom Oktober 1974 blättert. Nein, es ist nicht der 1. April – und es ist keiner der Aprilscherze, die damals in den Münchner Zeitungen noch mit so großer Freude ausgebreitet wurden. "Luftwaffe fliegt erschöpfte Schwalben in den warmen Süden", lautet die Überschrift vom 12. Oktober 1974. Es ist die "größte Artenschutz-Hilfsaktion" in der Geschichte des Naturschutzbundes Nabu, wie dieser heute noch betont. Und das kam so: Ein ungewöhnlich früher Wintereinbruch hatte die Schwalben auf dem Weg in den Süden kalt erwischt - und "vor allem in den schwäbischen Bergen" zur "Notlandung" gezwungen, so schrieb es die AZ.

An jenem 12. Oktober 1974 berichtete die AZ nun ausführlich über die "Operation Schwalbe". Diese ziehe immer weitere Kreise. Nach Lufthansa, Swissair und Condor werde nun auch die Luftwaffe Schwalben in den warmen Süden ausfliegen, heißt es. In Landsberg/Lech werde eine Maschine mit 15.000 Schwalben an Bord starten. Aus München seien am Vortag 1000 Schwalben mit einer Lufthansa-Maschine nach Athen geflogen worden. "Münchner retten 1000 Tiere!", betont die AZ, sie alle seien von Münchner Vogelfreunden beim Tierschutzverein in der Riemer Straße abgegeben worden. Dort, im Tierheim, arbeiteten die Pfleger nun rund um die Uhr, heißt es im Artikel. "Denn die durch Hunger geschwächten Schwalben müssen alle zwei Stunden gefüttert werden."
In Nizza gibt es durch die Aktion plötzlich zu viele Schwalben
Und ein Ende der spektakulären Rettungsaktion ist offenbar noch lange nicht in Sicht. "Die von Tierfreunden gesammelten Vögel werden künftig jeden Tag um 9 Uhr mit Linienmaschinen nach Spanien, Griechenland, Jugoslawien, Südfrankreich oder sogar an die Küsten Nordafrikas ausgeflogen." Übrigens mit ungewöhnlichen Folgen. Aus Nizza etwa wird berichtet, dass es plötzlich eine Überbevölkerung gebe. "Eine Schwalbe jagt dort der anderen die Mücken weg."
Tierschützer in München befürchten in jenen Tagen offenbar gar, die Hilfsbereitschaft in der Stadt könne zu groß werden. Toni Wünscher vom Münchner Tierschutzverein sagt der AZ: "Wir haben die Münchner aufgefordert, nur die schwachen und unterkühlten Schwalben aufzusammeln. Nur solche sind uns bisher gebracht worden und sie kamen allesamt im Süden an." Und das war gar nicht so selbstverständlich. In einem zeitgenössischen Text des Naturschutzbundes wird auch von einzelnen Flügen berichtet, bei denen bis zu 15 Prozent der Tiere gestorben waren. Insgesamt wurden in jenem Oktober Millionen Vögel aus Süddeutschland und der Schweiz ausgeflogen. Das fanden, selbst Jahrzehnte, bevor die Fliegerei ökologisch in die Kritik geriet, nicht alle Naturschützer toll. Ein Ornithologe aus Garmisch sagte im Oktober 1974 zur AZ, die Rückflugsverluste bei Schwalben bedeuteten doch eine "notwendige, natürliche Auslese".
Die Situation im Herbst 2024
Auch 2024 ist ein schwieriges Jahr für die Schwalben, die durch Bayern in den Süden fliegen. Wie die AZ mehrmals berichtet hat, hätten die Vögel im September eigentlich all ihre Kraft gebraucht. Doch der Dauerregen und die plötzliche Kälte Mitte September wurden zum Problem. Viele Schwalben waren extrem ausgehungert und geschwächt, „überall fallen Schwalben vom Himmel“, hieß es gar in einem Bericht.
Viele Hilferufe gingen bei den Tierschützern in Bayern ein, weil Schwalben irgendwo im Trockenen kauerten oder schon tot zu Boden gefallen waren. Auch in München wurden Hilfsaktionen gestartet. Örtliche Vogelschützer erzählten, Anrufer hätten von „Hunderten Schwalben, die zusammenkuscheln“ berichtet. Findet man eine Schwalbe, die noch am Leben ist, sollte man sie zunächst in die Hand nehmen und mit der eigenen Körperwärme wärmen – so empfehlen es Experten.
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